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Institutionen und Vertragsorgane des Europarates

Dem 1949 durch den Vertrag von London gegründeten Europarat mit Sitz in Straßburg gehören auch Mitglieder außerhalb der Europäischen Union an - darunter die Schweiz. Während der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte und seine verbindlichen Urteile allgemein bekannt sind, gehören dem Europarat auch andere Institutionen an, deren Empfehlungen eine wichtige Rolle für die individuellen Freiheiten in Europa spielen. Alle Europäischen Institutionen finden Sie hier.

Charta des Europarats vom 5. Mai 1949 in deutsch, französisch, italienisch und englisch. Siehe auch die vollständige Liste der Verträge des Europarates unter CETS-Nr. 001.

Geschichte

Am 5. Mai 1949 gründeten zehn europäische Staaten den Europarat, eine der ersten – damals ausschliesslich west- – europäischen Organisationen. Bis zum Ende des Kalten Krieges erhöhte sich die Mitgliederzahl auf 23. Durch den Beitritt mittel- und osteuropäischer Staaten bis zum Kaukasus hat sich seither die Zahl mit 46 Mitgliedstaaten mehr als verdoppelt.

Der Europarat ist eine internationale Organisation mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in Strassburg. Die Schweiz ist seit dem 6. Mai 1963 Mitglied, der Beitrittsbeschluss unterlag damals nicht dem Referendum. Der Europarat wurde unter dem Eindruck des Zweiten Weltkrieges geschaffen und verfolgt folgende Ziele:

  • Festigung des Friedens auf den Grundlagen der Gerechtigkeit und internationalen Zusammenarbeit;
  • Erhaltung der menschlichen Gesellschaft und Zivilisation;
  • Wahrung der Demokratie und persönlichen Freiheit, politische Freiheit und Herrschaft des Rechts;
  • Förderung des sozialen und wirtschaftlichen Fortschritts zwischen den Europäischen Ländern.

Profil

Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind die Arbeitsschwerpunkte des Europarats. Fragen der nationalen Verteidigung fallen ausdrücklich nicht in seinen Zuständigkeitsbereich. Der Europarat ist völlig unabhängig von der Europäischen Union EU. Zwar sind alle 23 Mitgliedstaaten der EU auch Mitglied beim Europarat; doch dieser hat mit 46 Mitgliedstaaten eine weit grössere Reichweite.

Mitgliedschaft

Ordentliches Mitglied des Europarats kann jeder europäische Staat werden, der für fähig und willens befunden wird, die Grundsätze von Rechtsstaatlichkeit anzuerkennen, die Grundfreiheiten und Menschenrechten zu gewähren sowie bei den Zielen des Europarates tatkräftig mitzuarbeiten. Die Anforderungen wurden mit der Aufnahme von Staaten des ehemaligen Ostblocks faktisch verringert in der Hoffnung, auf diese Weise ihre Standards von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechtsschutz positiv zu beeinflussen. Dieser mutige Entscheid ist eindeutig zu begrüssen, gab er doch z.B. den Opfern des Tschetschenien-Konflikts eine Stimme vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

Europarats-Abkommen

Der Europarat erfüllt seine Aufgaben zu einem wesentlichen Teil durch die Ausarbeitung von Konventionen. Sie werden nach Beratung durch die Parlamentarische Versammlung vom Ministerkomitee verabschiedet. Dabei handelt es sich um völkerrechtliche Verträge, die der Unterzeichnung und in der Regel Ratifizierung durch die Mitgliedstaaten bedürfen. Ein Schwerpunkt der mittlerweile über 200 Konventionen liegt bei den Menschenrechten und dem Minderheitenschutz. Die bekannteste davon ist zweifelsohne die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Einhaltung vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Strassburg überwacht wird.

Organe

Ministerkomitee

Das Ministerkomitee ist das oberste Organ des Europarates. Es setzt sich zusammen aus je einem Minister jedes Mitgliedstaats. In der Regel ist dies der Aussenminister. Je nach zu behandelnden Geschäften können auch andere Minister die Vertretung übernehmen. Die Präsidentschaft über das Ministerkomitee wechselt im halbjährlichen Turnus.

Obwohl die Präsidentschaft kaum mehr als zeremonielle Befugnisse mit sich bringt, benutzen die Mitgliedstaaten diese häufig, um Akzente zu setzten und ihnen wichtig erscheinende Themen zu portieren. Die Schweiz etwa hat im Rahmen ihrer Präsidentschaft die «Interlaken-Konferenz» zur Reform des EGMR lanciert.

Entsprechend trifft sich das Ministerkomittee mindestens zwei Mal im Jahr für einen Tag. Seine wichtigsten Aufgaben sind die Annahme einer gemeinsamen Politik und der Abschluss von Abkommen und Vereinbarungen sowie der Erlass von Empfehlungen. Je nach Geschäft können Beschlüsse nur einstimmig oder mit qualifiziertem Mehr gefasst werden. Durch die Abkommen können dem Ministerkomitee zusätzliche Aufgaben zugewiesen werden. So ist es etwa zuständig für die Überwachung der Umsetzung von Urteilen des EGMR.

Beratende Versammlung («Parlamentarische Versammlung»)

Die Beratende Versammlung wird auch Parlamentarische Versammlung genannt. Als solche ist sie klar zu unterscheiden vom «Europäischen Parlament» der EU.

Die Aufgaben der Beratenden Versammlung sind sehr offen formuliert. Sie kann über alle Fragen, die in die Zuständigkeit des Europarates fallen, beraten sowie Berichte und Empfehlungen ausarbeiten. Wichtig sind insbesondere die Empfehlungen an das Ministerkomitee, die einer Zweidrittelmehrheit bedürfen.

Die Mitgliedstaaten sind nach Massgabe ihrer Bevölkerungszahl vertreten, wobei die 318 Mitglieder der Versammlung Staatsangehörige eines Mitgliedstaats und Mitglieder eines nationalen Parlaments sein müssen. Die Schweizer Delegation besteht aus vier National- und zwei Ständeräten; die Parteien sind nach ihrer Stärke vertreten. Die Beratende Versammlung gibt dem Ministerkomitee die politischen Richtlinien vor, amtet aber auch als Wahlorgan, indem sie z.B. die Richter des EGMR und das Sekretariat bestellt.

Weitere Organe

Das Ministerkomitee und die beratende Versammlung werden gemäss der Charta von einem Sekretariat unterstützt. Weitere vom Ministerkomitee eingesetzte wichtige Organe sind der Kongress der Gemeinden und Regionen und der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte.

Die «Venedig-Kommission» (eigentlich «European Commission for Democracy through Law») ist eine Expertenkommission. Sie berät die Mitgliedstaaten in Verfassungs- und Grundrechtsfragen sowie Fragen demokratischer Verfahren und Institutionen.