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Kinderarbeit – die Verantwortung von Schweizer Unternehmen

23.05.2017

Ab und zu werden Fälle publik, in denen schweizerische Konzerne in Kinderarbeit involviert sind. Ein aktuelles Beispiel ist der Konzern LafargeHolcim, welcher mit Unternehmen aus Uganda arbeitete, die Kinderarbeit betrieben. Verschiedene NGOs fordern in diesem Zusammenhang einmal mehr, dass die Schweiz die Sorgfaltspflicht von Unternehmen gesetzlich regelt.

Der Fall LafargeHolcim – kein Einzelfall

Eine im Mai 2017 veröffentlichte Studie von Brot für alle zeigt, dass der Konzern LafargeHolcim über 10 Jahre von Kinderarbeit profitiert hatte. LafargeHolcim und seine Zulieferer kauften Rohstoffe aus kleinen Steinbrüchen in Uganda, in denen auch Kinder und Jugendliche arbeiteten. Nachdem der Skandal publik geworden war, wechselte der Konzern zu Anbietern ohne Kinderarbeit. Allerdings kommt LafargeHolcim bis heute gemäss den Organisationen Brot für alle und Fastenopfer seiner Verantwortung nicht nach, dafür zu sorgen, dass die ehemals mitarbeitenden, nun arbeitslosen Kinder und Jugendlichen wieder zur Schule gehen können oder eine Berufsausbildung erhalten.

Auch andere transnationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz profitieren bisweilen von Kinderarbeit. Ein Beispiel ist die Schokoladenindustrie, welche immer wieder mit Kinderarbeit in den Kakaoplantagen in Verbindung gebracht wird (lesen Sie hierzu unseren Artikel). Teilweise hat sich die Situation in den letzten 10 Jahren durch Massnahmen der Schokoladenhersteller verbessert; doch das Ausmass des Fortschritts ist kontrovers.

Kinderarbeit – Rechtslage und Fakten

Die Kinderarbeit als solche ist menschenrechtlich nicht verboten. Allerdings machen die Arbeits- und die Kinderrechte klare Vorgaben zum Schutz der Kinder vor den schlimmsten Formen der Ausbeutung.

Die allgemeine Erklärung der Menschenrechte spricht dem Kind einen Anspruch auf besondere Hilfe, Unterstützung und auf sozialen Schutz zu (Art. 25). Die UN-Kinderrechtskonvention besagt, dass Kinder vor wirtschaftlicher Ausbeutung geschützt werden sollen (Art. 32). Auch in der Schweizerischen Bundesverfassung wird der Schutz von Kindern und Jugendlichen in Art. 11 festgehalten.

Hinzu kommt das ILO-Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Massnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) definiert in dem Übereinkommen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Zudem wird in der Konvention festgelegt, dass Staaten alles tun sollen, um diese Formen der Kinderarbeit effektiv und nachhaltig zu bekämpfen.

UNICEF definiert Kinderarbeit als alle Formen der Arbeit, die Kinder bzw. Minderjährige ausführen, für die sie aber zu jung sind, weil sie gefährlich oder ausbeuterisch sind, sowie für Arbeiten, welche die körperliche oder seelische Entwicklung schädigen oder die Kinder vom Schulbesuch abhalten.

Es ist nicht einfach, die bloss moralisch verpönte Kinderarbeit von der menschenrechtlich verbotenen Kinderarbeit  abzugrenzen.  Zu letzterer gehören zum einen die schlimmsten Formen der Kinderarbeit. Das sind gemäss dem ILO-Übereinkommen 182 alle sklavenähnlichen Praktiken, der Einbezug in illegale Aktivitäten, Prostitution und Pornografie sowie gesundheitsschädigende Tätigkeiten. Ein Beispiel einer schlimmen Form der Kinderarbeit ist die Schwerarbeit in Steinbrüchen oder Minen, da diese die Gesundheit und Sicherheit der Kinder gefährdet.

Mit den Kinderrechten —speziell dem Recht auf Bildung — nicht vereinbar sind ausserdem alle weiteren Arbeiten für schulpflichtige Kinder, die dazu führen, dass ein regelmässiger Schulbesuch verunmöglicht wird.

Erlaubt sind speziell geregelte Arbeiten neben dem Schulbesuch für Kinder, die das gesetzliche Mindestalter für eine Anstellung erreicht haben. Das gesetzliche Mindestalter für regelmässige Lohnarbeit ist unterschiedlich festgelegt; es liegt oft bei 13 – 15 Jahren. Gewisse Länder wie die Schweiz machen zudem eine Unterscheidung zwischen erlaubten Tätigkeiten ab dem 13ten Lebensjahr und solchen ab dem 15ten Lebensjahr. Jugendliche über 15 können in der Schweiz beispielsweise im Rahmen ihrer Lehre arbeiten. Unter dem gesetzlichen Mindestalter dürfen Kinder prinzipiell gar nicht arbeiten. Eine Ausnahme bilden Arbeiten innerhalb der Familie oder auch kulturelle, künstlerische und sportliche Darstellungen sowie Werbung, wenn diese speziell bewilligt werden. 

Nach Schätzung von UNICEF, der ILO und der Weltbank waren 2016 ungefähr 168 Millionen Kinder weltweit von Kinderarbeit betroffen. Der grösste Teil dieser Kinder arbeitet in der Landwirtschaft oder als Hilfskräfte im Dienstleistungsbereich.

Die Pflichten der Schweiz

Im Januar 2017 hat der Bundesrat einen Bericht zum Engagement der Schweiz gegen Kinderarbeit veröffentlicht. In seinem Bericht sieht der Bund auch transnationale Unternehmen mit Sitz in der Schweiz in der Verantwortung, gegen Kinderarbeit vorzugehen. Allerdings setzt er dabei auf unverbindliche Empfehlungen und Sensibilisierungsmassnahmen. Klare rechtliche Vorschriften für die Unternehmen sieht er für die Kinderarbeit in ausländischen Niederlassungen oder bei Zuliefererfirmen nicht vor.

Brot für alle und Fastenopfer fordern in ihrer Medienmitteilung zum Fall LafargeHolcim aber genau solche Bestimmungen für Konzerne. Transnationale Unternehmen sollen über ihre ganze Lieferkette prüfen müssen, ob das Verbot von ausbeuterischer Kinderarbeit tatsächlich eingehalten wird. Grundsätzlich soll die Sorgfaltspflicht von Unternehmen gesetzlich geregelt werden, so wie es die Konzernverantwortungsinitiative vorsieht (lesen Sie hierzu unseren Artikel).

Zudem hat Frankreich im Februar 2017 als eines der ersten Länder ein Gesetz verabschiedet, welches die Sorgfaltspflicht von transnationalen Unternehmen regelt (lesen Sei hierzu unseren Artikel). Gemäss Brot für alle und Fastenopfer kann sich die Schweiz dieses Gesetz als Vorbild nehmen.

Kommentar humanrights.ch

Der Bericht des Bundesrates vom Januar 2017 gibt eine gute Übersicht über die aussenpolitischen Engagements der Schweiz sowie der Selbstverpflichtungen von schweizerischen Unternehmen gegen Kinderarbeit. Eine Analyse der Wirksamkeit und der Lücken dieser Massnahmen fehlt allerdings. Weil der Bundesrat die Problematik nur unter der Perspektive der rechtlich unverbindlichen Corporate Social Responsability betrachtet, ist die logische Folge davon, dass der Bericht gesetzliche Regulierungen für transnationale Unternehmen nicht anspricht.

Die spezialisierten NGO‘s haben allerdings schon seit längerem erkannt, dass freiwillige Massnahmen alleine nicht zielführend sind. Es braucht verbindliche Regeln, damit transnationale Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten unter anderem im Bereich der verbotenen Kinderarbeit ernst nehmen.

Frankreich hat mit einem neuen Gesetz gezeigt, dass der Schritt zu verbindlichen Regeln möglich ist. Auch in andern Ländern, wie z.B. in den Niederlanden sind ähnliche Entwicklungen im Gange.

In der Schweiz fordert die Konzernverantwortungsinitiative die Regierung zu entsprechendem Handeln auf. Der Bundesrat hat die Initiative zwar ohne Gegenvorschlag abgelehnt, doch schlussendlich wird das Volk über das Begehren entscheiden.