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Nationale Menschenrechtsinstitution

Verein für Menschenrechte VMR (Liechtenstein)

03.06.2021

Der «Verein für Menschenrechte» (VMR) wurde am 10. Dezember 2016 als nationale Menschenrechtsinstitution des Fürstentums Liechtenstein gegründet. Nachdem die Regierung am 3. Mai desselben Jahres zuhanden des Landtags einen Bericht mit einer Gesetzesvorlage verabschiedet hatte, stimmte dieser der Vorlage in zweiter Lesung am 4. November 2016 zu. Das Gesetz trat am 1. Januar 2017 in Kraft.

Um zu verstehen, wie in Liechtenstein die Umsetzung einer nationalen Menschenrechtsorganisation so rasch realisiert werden konnte, muss der konkrete Kontext  berücksichtigt werden. In Liechtenstein wurde bereits ab dem Jahre 2011 eine Diskussion zur Verwaltungsreform im Bereich Integration und Chancengleichheit geführt. Als im Mai 2015 von 26 Nichtregierungsorganisationen eine Petition zur Errichtung einer nationalen Menschenrechtsinstitution eingereicht wurde, ergriff man die Gelegenheit: Die Kompetenzen und Ressourcen im Bereich der Integration und Chancengleichheit wurden auf staatlicher Seite gebündelt und bestehende Beratungsangebote in die neue Menschenrechtsinstitution ausgelagert. Darauf folgte ein rasanter Umsetzungsprozess, der am 10. Dezember 2016 seinen Abschluss fand.

Betrachtet man diese Lösung vor dem Hintergrund der zögerlichen Haltung der Schweiz, fallen zudem die Vorzüge des Vereins für Menschenrechte in Liechtenstein ins Auge: ein bemerkenswert breites Mandat inklusive Ombudsfunktion, welches mit einer vergleichsweise komfortablen Finanzierung und einer gesetzlichen Gewährleistung der Unabhängigkeit kombiniert wurde.

Organisationsform und Rechtsgrundlagen

Der Verein für Menschenrechte wurde als unabhängige nationale Menschenrechtsinstitution im Sinne der Pariser Prinzipien errichtet. Es handelt sich um einen gemeinnützigen Verein. 

Die Organisation besteht aus vier Organen, namentlich der Mitgliederversammlung, dem Vorstand, der Revisionsstelle sowie der Geschäftsstelle. Die Mitgliederversammlung berät über die Leitlinien der Arbeit des Vereins und verfolgt dessen Aktivitäten im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben und die Pariser Prinzipien. Mitglieder des Vereins können natürliche und juristische Personen sein, die sich beruflich oder ehrenamtlich für den Schutz und die Förderung von Menschenrechten in Liechtenstein einsetzen. Sie wählen den Vorstand (Präsident*in, Vizepräsident*in und drei weitere Mitglieder) für eine Dauer von vier Jahren. Bei der Wahl des Vorstandes sollen die Aufgaben des Vereins beachtet und eine pluralistische Vertretung angestrebt werden. Die Geschäftsleitung wird durch den Vorstand gewählt. 

Seine gesetzliche Verankerung hat der Verein im Gesetz über den Verein für Menschenrechte in Liechtenstein (VMRG). Das Gesetz legt den Zweck des Vereins fest und garantiert dessen Unabhängigkeit und Finanzierung.

Finanzierung

Der Verein für Menschenrechte erhält einen jährlichen staatlichen Sockelbeitrag von 350‘000 CHF. Diese Summe kann aufgrund der Um- und Auslagerung staatlicher Aufgaben generiert werden. So wurden die Aufgaben der Kommission für die Gleichstellung von Frau und Mann sowie der Kommission für Integrationsfragen der Menschenrechtsinstitution übertragen. Gleichzeitig wurden die beiden genannten ausserparlamentarischen Kommissionen sowie die Kommission für Chancengleichheit aufgelöst. Auch Ombudsfunktionen im Bereich der Gleichstellung von Frau und Mann und der Kinderrechte, die bisher bei staatlichen Stellen angesiedelt waren, werden nun vom unabhängigen Menschenrechtsverein wahrgenommen.

Der Betrag von 350'000 CHF wurde zuerst nur für die Jahre 2017 bis 2019 gesprochen. In der Novembersitzung 2019 hat der Landtag dem Betrag für die Jahre 2020 bis 2023 erneut zugestimmt.

Nebst dem staatlichen Beitrag hat der Verein die Möglichkeit, über Mitgliederbeiträge, private Spenden und Erträge aus Mandaten eine weitere Finanzierung zu generieren. Der Verein für Menschenrechte ist frei, den Sockelbeitrag innerhalb der Vorgaben des Rahmengesetzes nach eigenem Gutdünken einzusetzen.

Die Finanzierungsmethode, wie sie in Liechtenstein angewendet wurde, kommt für die Schweiz nicht in Frage. Die fachlichen und politischen Beiträge der Frauen-, der Migrations- und der Rassismuskommission sind in der Schweiz zu wichtig und deren Stellung als öffentliche Institutionen zu breit anerkannt, als dass man sie neu erfinden und aufs Spiel setzen dürfte.

Mandat

Das Mandat des Liechtensteinischen Menschrechtsvereins ist breit. Es umfasst Beratung von Politik und Gesellschaft, Menschenrechtsbildung, Untersuchungen zu menschenrechtlichen Themen, Behandlung von Beschwerden sowie Zusammenarbeit mit menschenrechtsrelevanten Stellen auf nationaler und internationaler Ebene.

Dieses  Mandat soll nach den Vorstellungen der Regierung dem Verein die Möglichkeit bieten als «kritischer Begleiter und aufmerksamer Wächter der Menschenrechtssituation in Liechtenstein» zu agieren. Er hat das Recht, Menschenrechtsprobleme zu untersuchen, Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu unterstützen, sowie die Befugnis, Stellungnahmen und Empfehlungen abzugeben und zu veröffentlichen. Ein allgemeines Verbandsbeschwerderecht wurde dem Verein für Menschenrechte allerdings vom Landtag nicht zugestanden.

Arbeitsschwerpunkte

Die Ombudsstelle für Kinder und Jugendliche (OSKJ) ist Teil des Vereins für Menschenrechte und ist wohl einer der wichtigsten Arbeitsschwerpunkte des Vereins. Weitere relevante Schwerpunkte liegen auf den Themen Gleichstellung von Frau und Mann, der Behindertenrechtskonvention sowie Migration und Integration. In Bezug auf die Rechte von LGBTIQ+ Personen, aber auch bezüglich Armut wurden bereits mehrere runde Tische organisiert, um gemeinsam mit anderen relevanten Akteur*innen eine Standortbestimmung vorzunehmen und Handlungsfelder zu definieren. Im Bereich der Menschenrechtschulung bietet der Verein für Menschenrechte gemeinsam mit Amnesty International Liechtenstein und aha – Tipps & Infos für junge Leute Workshops zur Menschenrechtsbildung an.

Weiterführende Informationen