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Diskriminierungsverbot - Dossier

Gleichstellungsgesetz für Frau und Mann

23.04.2020

Mit dem Bundesgesetz über die Gleichstellung von Frau und Mann (Gleichstellungsgesetz, GlG), das am 1. Juli 1996 in Kraft getreten ist, wurde im schweizerischen Recht zum ersten und bis heute einzigen Mal ein spezielles Regelwerk zum Schutz vor Diskriminierung geschaffen, das auch für Private unmittelbar Anwendung findet. Das Gleichstellungsgesetz bezweckt im Sinne von Art. 8 Abs. 3 BV die tatsächliche Gleichstellung von Frau und Mann im Bereich des Erwerbslebens in privaten wie auch öffentlich-rechtlichen Arbeitsverhältnissen (Art. 1 f. GlG), indem es Frauen und Männern erleichtert, sich gegen Diskriminierung im Erwerbsleben zur Wehr zu setzen und das verfassungsrechtlich verankerte Lohngleichheitsgebot geltend machen zu können.

Untersagt sind sowohl die direkte als auch die indirekte Diskriminierung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern aufgrund ihres Geschlechts. Das Gesetz verbietet explizit die Benachteiligung unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation sowie - bei Arbeitnehmerinnen - auf eine Schwangerschaft (Art. 3 Abs. 1 GlG). Das Benachteiligungsverbot gilt insbesondere für die Anstellung, die Aufgabenzuteilung, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die Entlöhnung, die Aus- und Weiterbildung, die Beförderung und die Entlassung (Art. 3 Abs. 2 GlG). Nicht unter das Diskriminierungsverbot fallen «angemessene Massnahmen zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung» (Art. 3 Abs. 3 GlG).

Als diskriminierende Handlung verboten ist sodann auch sexuelle Belästigung, das heisst, «jedes belästigende Verhalten sexueller Natur oder ein anderes Verhalten aufgrund der Geschlechtszugehörigkeit, das die Würde von Frauen und Männern am Arbeitsplatz beeinträchtigt». Darunter fallen «insbesondere Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art»  (Art. 4 GlG).

Erleichterung des Zugangs zum Rechtsschutz

Die Durchsetzung der im Gesetz verankerten Ansprüche (gemäss Art. 5 GlG) soll mit folgenden Bestimmungen erleichtert werden:

    Beweislasterleichterung:

    Die Diskriminierung muss von der diskriminierten Person nicht bewiesen werden, sondern es reicht, wenn diese glaubhaft gemacht werden kann. Ist eine Diskriminierung glaubhaft dargelegt, obliegt es dem Arbeitgebenden zu beweisen, dass er oder sie keine Diskriminierung begangen hat oder dass die unterschiedliche Behandlung durch sachliche Gründe gerechtfertigt war (z.B. weniger Leistung, weniger Qualifikation, wobei mit solchen geschlechtsneutralen Kriterien keine indirekte Diskriminierung verbunden sein darf). Gelingt der Arbeitgeberseite der entsprechende Beweis nicht, ist die Klage gutzuheissen. Die Beweislasterleichterung gilt für die Aufgabenzuteilung, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, die Entlöhnung, die Aus- und Weiterbildung, die Beförderung und die Entlassung, nicht aber für Belästigungen oder Diskriminierung bei der Anstellung (Art. 6 GlG).

    Verbandsbeschwerderecht

    Organisationen, die nach ihren Statuten die Gleichstellung von Frau und Mann fördern oder die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahren und seit mindestens zwei Jahren bestehen, können im eigenen Namen feststellen lassen, dass eine Diskriminierung vorliegt, wenn der Ausgang des Verfahrens sich voraussichtlich auf eine grössere Zahl von Arbeitsverhältnissen auswirken wird. Sie müssen der betroffenen Arbeitgeberin oder dem betroffenen Arbeitgeber Gelegenheit zur Stellungnahme geben, bevor sie eine Schlichtungsstelle anrufen oder eine Klage einreichen (Art. 7 GlG).

    Kündigungsschutz

    Eine Kündigung, die ohne begründeten Anlass auf eine Beschwerde wegen Diskriminierung erfolgt (sogenannte Rachekündigung), kann – im Gegensatz zu einer Kündigung aus anderen Gründen – angefochten werden. Das Gesetz sieht für diese Fälle einen Kündigungsschutz für die Dauer eines innerbetrieblichen Beschwerdeverfahrens, eines Schlichtungs- oder eines Gerichtsverfahrens sowie sechs Monate darüber hinaus vor. Das Gericht kann sodann die provisorische Wiedereinstellung für die Dauer des Verfahrens anordnen. Die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer kann auch auf die Weiterführung des Arbeitsverhältnisses während des Verfahrens verzichten und stattdessen eine Entschädigung geltend machen (Art. 10 GlG).

    Kostenlosigkeit des Verfahrens

    Verfahren nach Gleichstellungsgesetz sind grundsätzlich kostenlos (Art. 113 und 114 ZPO). Die eigenen Anwaltskosten sowie die Entschädigung der entsprechenden Kosten der obsiegenden Partei müssen allerdings selber aufgebracht werden.

    Untersuchungsgrundsatz

    Bei Streitigkeiten gemäss Gleichstellungsgesetz gilt generell der Untersuchungsgrundsatz, das heisst der Richter bzw. die Richterin stellt den Sachverhalt von Amtes wegen fest und würdigt die Beweise nach freiem Ermessen. Er oder sie hat also nicht, wie sonst im Zivilverfahren üblich, nur über das von den Parteien Vorgebrachte zu befinden und ist auch nicht an die Beweisanträge der Parteien gebunden (Art. 247 ZPO).

    Schlichtungsverfahren

    Die Kantone haben Schlichtungsstellen einzurichten, welche die Parteien kostenlos beraten (Art. 197 ff. ZPO).

        Förderung der Geschlechtergleichstellung im Erwerbsleben

        Neben den erwähnten individuellen Ansprüchen und Verfahrenserleichterungen enthält das Gesetz auch gleichstellungspolitische Instrumente. So verankert es die Kompetenz des Bundes, Massnahmen zur Bekämpfung struktureller Gleichstellungsbarrieren zu ergreifen, indem er Finanzhilfen zur Unterstützung von Förderprogrammen und Beratungsstellen gewähren kann mit dem Ziel, objektive Nachteile auszugleichen, die Frauen noch immer erleben (Rollenerwartungen, Aufgabenteilung in der Familie, etc.).  (Art. 14 f. GlG)

        Das GlG beinhaltet darüber hinaus in Art. 16 GlG die gesetzliche Grundlage für das Eidg. Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG). Dieses informiert die Öffentlichkeit, berät Behörden und Private, führt Untersuchungen durch, empfiehlt Behörden und Privaten geeignete Massnahmen, beteiligt sich an Projekten von gesamtschweizerischer Bedeutung, wirkt an der Ausarbeitung von Erlassen des Bundes mit, welche für die Gleichstellung von Bedeutung sind, prüft die Finanzhilfegesuche und überwacht die Durchführung der Förderungsprogramme.

        Entscheide zum Gleichstellungsgesetz

        Gerichtsentscheide zum Gleichstellungsgesetz finden sich in folgenden drei Datenbanken dokumentiert:

        Evaluation des Gleichstellungsgesetzes

        Der Bundesrat hat im Jahre 2006 eine qualitative und quantitative Analyse der Wirksamkeit des Gleichstellungsgesetzes vorgenommen. Er kommt in seinem Bericht zum Schluss, dass das Gleichstellungsgesetz in den Jahren seines Bestehens grundsätzlich positive Wirkungen entfaltet habe. Es stelle für die von Diskriminierung betroffenen Arbeitnehmern/innen nützliche Instrumente zur Verfügung, mit denen sich diese zur Wehr setzen können. Es seien keine gravierenden Nachteile sichtbar geworden und ein dringender Revisionsbedarf konnte nicht festgestellt werden. Allerdings könne das Gleichstellungsgesetz die Durchsetzung der Gleichstellung im Erwerbsleben nicht alleine bewirken. Trotz gleicher Regelungen für Frau und Mann komme es vor allem aufgrund von Rollenzuweisungen und Arbeitsteilung immer wieder zu Diskriminierungen.

        Lohngleichheitsanalyse

        Ab 1. Juli 2020 tritt eine Änderung des Gleichstellungsgesetzes zu besseren Durchsetzung der Lohngleichheit in Kraft. Die neuen Bestimmungen verpflichten Unternehmen mit 100 und mehr Angestellten, innerhalb eines Jahres eine betriebsinterne Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Wenn ein unerklärbarer systematischer Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern feststellbar ist, muss die Analyse alle vier Jahre wiederholt werden. Die Erhebung wird anschliessend durch eine unabhängige Stelle überprüft und die Ergebnisse den Mitarbeitenden mitgeteilt.

        Das Parlament verabschiedete die Änderung des Gleichstellungsgesetzes am 14. Dezember 2018. Die Referendumsfrist lief am 7. April 2019 ungenutzt ab. Die Unternehmen haben ein Jahr Zeit, um die erste Lohngleichheitsanalyse durchzuführen. Die Geltungsdauer der der Gesetzesänderung ist auf zwölf Jahre beschränkt und wird am 1. Juli 2032 automatisch wieder ausser Kraft treten. 

        Weiterführende Informationen