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Sozialrechte als Menschenrechte - Dossier

Recht auf Nahrung - exemplarische Beispiele

28.04.2014

Das Recht auf Nahrung nach Art.11 UNO Pakt I ist ein existentielles Recht, das jedem weltweit gewährleistet sein soll und zu dessen Einhaltung sich jeder Vertragsstaat verpflichtet hat.

Trotzdem sind gemäss der UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) im Jahre 2012 rund 870 Millionen Menschen unterernährt. Hunger ist noch vor AIDS, Malaria und Tuberkulose das grösste Gesundheitsrisiko auf der Welt.

Dabei sind drei Formen von Hunger zu unterscheiden: akuter Hunger, chronischer Hunger und verborgener Hunger. Am meisten Publizität erhält der akute Hunger, etwa nach Dürrekatastrophen. Am verbreitesten sind jedoch der chronische Hunger, der auf dauerhafte Unterernährung zurückzuführen ist, sowie der verborgene Hunger. Letzterer meint Hunger, der aufgrund von Fehlernährung auftritt.

Hunger - eine katastrophale Problematik

98 Prozent der weltweit 842 Millionen hungernden Menschen sind in Entwicklungsländern ansässig.

Betroffen sind insbesondere auch Kinder. Es wird angenommen, dass weltweit 146 Millionen Kinder unterernährt sind, wobei etwa 17 Millionen von ihnen bereits unterernährt auf die Welt kommen. Nach einem Bericht von UNICEF von 2011 sterben jährlich 2,6 Millionen Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung.

Daneben werden besonders auch Landwirte und Kleinbauern aus Entwicklungsländern in ihrem Recht auf Nahrung verletzt. Natureinwirkungen, wie Dürre oder Überschwemmungen, aber besonders auch Eigentumsverhältnisse, hindern diese daran, ihre Existenz zu sichern.

Frauen und Mädchen besonders betroffen

Ein essentieller Zusammenhang ist zwischen der Geschlechtergleichbehandlung und dem Recht auf Nahrung zu sehen. In einem Report der FAO, der sich mit der Geschlechtergleichstellung und der Nahrungssicherung im Raum Asien und Pazifik beschäftigt, wird dargestellt, warum die Sicherstellung der Rechte von Frauen für die Sicherung des Essensbedarfs so enorm wichtig ist.

Frauen und Mädchen wird das Recht auf Bildung und Arbeit verwehrt und auch in anderen sozialen Bereichen wie innerhalb der Familie erfahren sie Diskriminierungen. Die unumgängliche Folge ist, dass Frauen ihre Rolle im Bereich der Nahrungsproduktion und Nahrungsverbreitung unter erschwerten Bedingungen ausfüllen.

Nach einem Bericht der FAO könnten Frauen, hätten sie den gleichen Zugang zu Produktionsstätten wie Männer, den Gewinn auf ihren Landwirtschaftsbetrieben um 20 bis 30 Prozent erhöhen. Dies würde in den Entwicklungsländern zu einem Anstieg der Gesamtagrarproduktion von 2,5 bis 4 Prozent führen, was wiederum die Anzahl der hungernden Menschen weltweit um 12 bis 17 Prozent reduzieren könnte.

Eine der wichtigsten Waffen gegen den Hunger und demgemäss für die Einhaltung des Rechts auf Nahrung ist die Stärkung der Frauenrechte – insbesondere die gleichberechtigte politische und wirtschaftliche Teilhabe.

Land Grabbing verstärkt den weltweiten Hunger

Nach Art.1 Abs.2 UNO Pakt 1 darf ein Volk seiner Existenzmittel nicht beraubt werden. Der Zugang zu den Existenzmitteln Saatgut und Wasser wird jedoch durch die Aneignung von Land durch inländische und ausländische Investoren erschwert.

Land Grabbing (Landraub) ist heute im Kampf gegen den Hunger ein zentrales Problem, denn jeder zweite Hungernde auf der Welt ist ein Kleinbauer, so Olivier de Schutter, ehemaliger UNO-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung. 70 Prozent dieser Land-Deals finden in Afrika statt und führen dazu, dass ortsansässige Bauern vertrieben werden. Die Reichweite des Problems des Landraubes nimmt dabei immer grössere Ausmasse an, da Agrarkonzerne, Nationalstaaten und Händler von Anlagefonds Interesse daran haben, immer grössere Landflächen vom Staat aufzukaufen, um sich so Geldanlagen zu sichern oder Grundnahrungsmittel anzubauen.

Unterstützung finden die Betroffenen nicht bei ihren Regierungen. Diese teilweise korrupten und undemokratischen Regierungen, die Beschwerden der Bevölkerung ignorieren und eine Mitspracherecht der betroffenen Bauern ausschliessen, veräussern in Vertrauen auf eine bessere Infrastruktur und neue Technologien grosse Flächen Land an die Investoren. Die betroffenen Kleinbauern können sich kaum gegen diese Zustände wehren und verlieren durch betrügerische Absichten der Regierung und Investoren ihre Existenzgrundlage, werden von ihrem Land fortgejagt und leiden unter Nahrungsnot.

Verletzung des Rechts auf Nahrung: Exemplarische Beispiele

Philippinen

Das Recht auf Nahrung von 6212 ehemaligen Landarbeitern/-innen auf dem Gebiet der Hacienda Luisita ist trotz der Zuteilung von Landtiteln bedroht. Denn diese haben zwar vom örtlichen Agrarreform-Departement Eigentumszertifikate ausgestellt bekommen, jedoch können sie das ihnen zugeteilte Land immer noch nicht bewirtschaften. Dies ist auf die schleppend verlaufenden Landvermessungen durch die zuständige Behörde und teilweise auch auf informelle und illegale Vertragsverhältnisse mit Mittelsmännern, denen die Landarbeiter aus ihrer Notlage heraus ihr Land verpachtet haben, zurückzuführen.

Um den Menschen ihre Existenz und ihr Recht auf Nahrung zu sichern, muss die Regierung die Landvermessungen beschleunigen und Unterstützungsangebote und Schutzmassnahmen  bereitstellen.

Moçambique

In einem der ärmsten Länder der Welt sind etwa 80 Prozent der Bevölkerung auf agrarisch geprägte Subsistenzwirtschaften angewiesen, um ihr Recht auf Nahrung ausüben zu können. Dies wird ihnen jedoch durch grossflächige Plantagenwirtschaft verwehrt, indem Firmen viele Hektar Land aufkaufen, um es beispielsweise mit Föhren oder Eukalyptus zu bepflanzen. Trotz Beschwerden seitens der Bevölkerung schreitet die Regierung nicht ein, um die Rechte der Menschen zu schützen.

An diesen Missständen trägt Schweden Mitschuld, da es sich bei einer der aufkaufenden Firmen um eine Tochtergesellschaft der Global Solidarity Forest Fund mit Sitz in Schweden handelt.

Die Regierung vernachlässigt ihre Schutzpflichten, indem sie die Beschwerden der Betroffenen ignoriert.

Auch Schweden muss das Recht auf Nahrung der betroffenen Bevölkerung achten und sicherstellen, zumal sowohl Schweden als auch Mocambique den UNO-Pakt I ratifiziert haben.

Ecuador

Durch die ungerechte Verteilung des Agrarlandes sind 12 bis 15 Prozent der Bevölkerung Ecuadors mangel- oder unterernährt.

Die Regierung von Ecuador war bisher nicht in der Lage, die Pläne, die zur Sicherung des Rechts auf Nahrung führen sollen, auch in der Praxis umzusetzen. Eine Voraussetzung dazu wäre, mit den Bauernorganisationen zusammenzuarbeiten statt sie zu kriminalisieren.

Fazit

Anhand dieser konkreten Beispiele wird die missliche Lebenslage von vielen Kleinbauern und -bäuerinnen deutlich, die auf die Hilfe und das Einschreiten ihrer Regierung angewiesen sind. Die Regierungen stehen in der Pflicht, das Recht auf Nahrung zu schützen, indem sie entsprechende Gesetze mit geeigneten Massnahmen zugunsten der vom Hunger bedrohten Landbevölkerung umsetzen. Die Regierungen verletzten diese Pflicht, wenn sie das Land an ausländische Investoren oder an andere veräussern und so ihre eigene Bevölkerung der Gefahr des Verhungerns aussetzen.

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