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Wegfall der Vaterschaftsvermutung bei Scheinehen: Verstoss gegen die Kinderrechtskonvention? (NR 4/08)

17.01.2009

Mit dem neuen Ausländergesetz von 2005 (in Kraft seit 1. Januar 2008) ist eine Bestimmung zur Bekämpfung der Scheinehen in das Zivilgesetz eingeführt worden. Diese bestimmt, dass die Vaterschaftsvermutung entfällt, wenn eine Ehe als ungültig erklärt wurde mit der Begründung, die Ehegatten hätten nicht eine Lebensgemeinschaft begründen, sondern nur die ausländerrechtlichen Voraussetzungen für eine Aufenthaltsbewilligung erfüllen wollen.

Alt Natonalrätin Anne-Catherine Menétrey-Savary (Grüne, VD) verlangte mit dem Mittel der parlamentarischen Initiative am 6. Oktober 2006 die Streichung dieser Bestimmung (Art. 109 Abs. 3 ZGB) mit der Begründung, sie stelle ein Verstoss gegen die UNO-Konvention über die Rechte des Kindes. Er stehe insbesondere im Widerspruch zu Artikel 2, der Kinder vor allen Formen der Bestrafung schützen will, die sich aus dem Status ihrer Eltern ergeben. Sie weist darauf hin, dass der Wegfall der Vaterschaftsvermutung für das Kind eines Schweizer Vaters nicht nur den Verlust der Schweizer Staatsbürgerschaft, sondern auch den Verlust seines Status, seines Familiennamens und jeglicher Unterstützung, die ihm aus der Unterhaltspflicht des mutmasslichen Vaters zusteht. Während der Beratungen des neuen Ausländergesestzes sei zu keiner Zeit die Vereinbarkeit der Vorlage mit der Kinderrechtskonvention geprüft worden. Dass diese Vereinbarkeit nicht in allen Teilen des neuen Ausländergesetzes gegeben ist, ist denn auch von verschiedenen Fachleuten bestätigt worden.

Der Nationalrat hat die Initiative mit 109 gegen 66 Stimmen abgelehnt. Er folgte damit der Argumentation der Kommissionsmehrheit, welche die Bestimmung ebenfalls mit Hinweis auf den Schutz der Rechte des Kindes verteidigte. Die Aufhebung der Vaterschaftsvermutung für die während einer Ehe geborenen Kinder sei Voraussetzung, um die rechtliche und tatsächliche Abstammung des Kindes überhaupt ermitteln zu können. Solange die Vaterschaftsvermutung besteht, habe der leibliche Vater nach geltendem Gesetz keine Möglichkeit, seine Vaterschaft geltend zu machen (ein Klagerecht steht gemäss Art. 256 ZGB lediglich dem Kind und dem Ehemann zu). Das Kind werde mit der angefochtenen Regelung weder seines Vaters beraubt noch für das Handeln seiner Eltern bestraft. Gemäss Artikel 7 Absatz 1 Kinderrechtskonvention habe das Kind, soweit möglich, das Recht, seine Eltern zu kennen. Solange die Vaterschaftsvermutung nicht beseitigt sei, gebe es für den biologischen Vater keine Möglichkeit, das rechtliche Kindesverhältnis zum Kind herzustellen.

Nicht in Erwägung gezogen hat der Nationalrat die Argumente der Kommissionsminderheit: Diese argumentierte, dass das Kind ein vorrangiges Interesse habe, immer einen Vater zu haben. Bei der jetzigen Regelung sei zu befürchten, dass das Kind in vielen Fällen vaterlos bleibe, da nicht davon ausgegangen werden könne, dass es immer einen biologischen Vater gebe, der das Kind anerkenne. Für den Fall, dass die Vaterschaftsvermutung nicht der Wirklichkeit entspreche, habe sodann ja sowohl der Ehemann wie auch das Kind die Möglichkeit, die Vermutung anzufechten.

Es ist bedauerlich, dass die Frage, wie weit die Regelung mit der Kinderrechtskonvention effektiv in Einklag steht, nicht vertiefter geprüft wurde. So bleibt im Moment nur, die Umsetzung der Regelung und deren Auswirkungen in der Praxis gut zu beobachten. Es muss vor allem sichergestellt sein, dass in jedem Verfahren zur Ungültigerklärung einer «Ausländerrechts-Ehe», in dem ein Kind betroffen ist, die Vertretung dieses Kindes im Verfahren gesichert ist und ihm ein Beistand zugeordnet wird.