Mitteilung Nr. 195/2002, Entscheid vom 17. Mai 2005
Der Beschwerdeführer, algerischer Staatsangehöriger, rügte vor dem Ausschuss, seine Ausschaffung aus Frankreich nach Algerien stelle einen Verstoss gegen Art. 3 der UNO-Folterkonvention dar. Als Kampfpilot der algerischen Streitkräfte musste der Beschwerdeführer von 1994 an regelmässig Gebiete bombardieren, in denen sich Islamisten aufhielten, und zwar miteigentlich nicht zulässigen Brandbomben. Nachdem er Bilder von den Schäden, darunter auch tote Männer, Frauen und Kinder, gesehen habe, habe er zusammen mit einem anderen Piloten weitere derartige Einsätze gegen die Zivilbevölkerung verweigert. Der Kollege wurde sei bei einem Verhör erschossen worden. Der Beschwerdeführer wurde nach seinen Angaben nach einem Fluchtversuch festgenommen, bezüglich Verbindungen zu Islamisten verhört und dabei gefoltert. Nach seiner Freilassung sei er in seine Luftwaffenbasis eingewiesen worden. Da er befürchtet habe, dort – wie dies in anderen Fällen geschehen sei – zum Verschwinden gebracht zu werden, sei er zunächst in sein Dorf geflohen. Als er dort nur knapp ein Attentat überlebt habe, sei er nach Frankreich geflohen. Dort ersuchte er Ende 1994 um Asyl. Sein Asylgesuch wurde abgelehnt. Nach seiner Flucht wurden zwei seiner Brüder verhaftet und gefoltert, einer davon starb in Polizeigewahrsam. 1998 wurde der Beschwerdeführer wegen einer Vergewaltigung aus dem Jahr 1995 zu 8 Jahren Haft und 10 Jahren Landesverweisung verurteilt, kam aber nach einem Straferlass im Jahr 2001 frei. Der zuständige Präfekt ordnete die Ausschaffung nach Algerien an.
Nach erfolglosem Rechtsweg wurde der Beschwerdeführer trotz einer vorsorglichen Massnahme des Folterausschusses nach Algerien ausgeschafft und ist seither verschwunden. Für die Beurteilung des Falles sind zwar die Fakten ausschlaggebend, wie sie sich im Zeitpunkt der Ausweisung präsentierten; nachfolgende Ereignisse sind aber für die Beurteilung des staatlichen Handelns beizuziehen. Der Ausschuss kam aus folgenden Erwägungen zur Auffassung, dass Frankreich die Verpflichtungen aus Art. 22 der Folterkonvention (Verpflichtungen aus der Anerkennung des Individualbeschwerderechts) verletzt hat: Zum einen war die Ausschaffung vollzogen wurde, obwohl noch eine Beschwerde bei einem höheren Gericht hängig war, bei welchem zusätzliche Argumente gegen den Vollzug vorgebracht wurden, welche von der unteren Instanz (dem Präfekten) noch nicht beurteilt worden waren. Zum anderen hatte sich Frankreich über einen vom Ausschuss im Sinne einer vorsorglichen Massnahme verlangten Aufschub der Ausschaffung, da ein nichtwiedergutzumachender Schaden drohe, hinweggesetzt. Nach Auffassung des Ausschusses hat Frankreich damit auch Art. 3 der Konvention (Refoulement-Verbot) verletzt. Im Übrigen war auch das vom Beschwerdeführer angerufene französische Gericht – nach dem Vollzug der Rückschaffung – zum Schluss gekommen, dem Beschwerdeführer drohe in Algerien Folter. Damit war die Ausschaffung auch nach innerstaatlichem Recht unzulässig. Frankreich wurde aufgerufen, Wiedergutmachungsmassnahmen zu ergreifen und in Konsultation mit Algerien Aufenthalt und Zustand des Beschwerdeführers festzustellen.