Mitteilung Nr. 233/2003, Entscheid vom 20. Mai 2005
In dieser Beschwerde gegen Schweden war die von einem ägyptischen Staatsbürger vorgebrachte Rüge einer Verletzung von Art. 3 der UNO-Folterkonvention zu beurteilen. Im Zeitpunkt der Beschwerde befand sich der Betroffene bereits in ägyptischem Gewahrsam. Schon 1982 soll er wegen familiärer Verbindungen zu einem mutmasslichen Sadat-Attentäter in Ägypten verhaftet worden sein. Er verbrachte die folgenden Jahre im Ausland. 1998 wurde er in Abwesenheit zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt, wegen angeblicher Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe. Im Jahr 2000 ersuchte der Beschwerdeführer in Schweden um Asyl; sein Gesuch wurde abgelehnt und er wurde im Dezember 2001 nach Ägypten deportiert. Das Verhalten der schwedischen Behörden ist – insbesondere wann man den Zeitpunkt kurz nach den New Yorker Anschlägen berücksichtigt – auch unter dem Gesichtspunkt des Kampfes gegen den Terrorismus zu sehen. Nach Aussagen seiner Eltern, die ihn im Gefängnis in Kairo besuchen konnten, wurde ihr Sohn dort gefoltert. Dasselbe äusserte ein ägyptischer Anwalt und Leiter einer ägyptischen Menschenrechtsorganisation gegenüber einem schwedischen Besucher, dem Chef des Internationalen Olaf Palme Zentrums. Im März 2003 äusserte sich der Beschwerdeführer auch gegenüber dem ihm besuchenden schwedischen Botschafter, dass er gefoltert worden sei. Früher habe er dies gegenüber den schwedischen Besuchern verschwiegen, weil er seine Situation nicht verschlechtern wollte; in der Zwischenzeit wisse er, dass sein Verhalten nichts daran ändere, dass er weiter gefoltert werde. Im Juni 2003 reichte der (schwedische) Anwalt Agizas eine Beschwerde gegen Schweden wegen Verletzung von Art. 3 der Folterkonvention ein.
In seiner sehr ausführlichen Begründung kommt der UNO-Ausschuss zum Schluss, Schweden habe mit der Ausschaffung des Betroffenen nach Ägypten gegen Art. 3 der Folterkonvention verstossen. Der Staat hätte wissen müssen, dass Folter gegenüber Häftlingen in Ägypten häufig und weit verbreitet und das entsprechende Risiko bei Personen besonders hoch gewesen sei, die wegen politischen Motiven oder aus Sicherheitsgründen inhaftiert wurden. Die Tatsache, dass es sich beim Beschwerdeführer um eine solche Person handelte, war den schwedischen Behörden bewusst: Die Ausweisung war von der obersten Exekutive beschlossen worden, ohne dass eine Beschwerde möglich gewesen wäre. Daraus hätte Schweden den Schluss ziehen müssen, dass der Betroffene einem tatsächlichen Risiko der Folter ausgesetzt war. Der Beschwerdeführer wurde im Übrigen bereits in schwedischem Gewahrsam auf dem Rückweg von ägyptischen Agenten misshandelt. Die diplomatischen Zusicherungen, dass dem Beschwerdeführer nichts geschehe, hätten sich angesichts mangelnder Durchsetzungsmassnahmen als ungenügend gewesen. Nur am Rande ist zu bemerken, dass der Ausschuss im Fall der Beschwerde der Ehefrau, Hanan Attia (Mitteilung Nr. 199/2002, Entscheid vom 17. November 2003) die Garantien noch für genügend gehalten hatte. Der Ausschuss entschuldigt dies mit der Tatsache, dass ihm gewisse Fakten damals noch nicht bekannt gewesen seien. Den Erwägungen kann im Weiteren entnommen werden, dass sich die ägyptischen Behörden trotz Appellen seitens Schweden (und zwar von höchster Ebene) geweigert hätten, eine unabhängige Untersuchung durchzuführen. Die Tatsache, dass dem Beschwerdeführer kein Rechtsmittel gegen seine Ausschaffung nach Ägypten zur Verfügung stand, da aufgrund Überlegungen nationaler Sicherheit die Regierung ohne Anfechtungsmöglichkeit entschied, stellt gemäss Ausschuss eine weitere Verletzung von Art. 3 der Konvention dar. Der sofortige Vollzug der Wegweisung verunmögliche es zudem den Betroffenen, an den Ausschuss zu gelangen und um vorsorgliche Massnahmen zu ersuchen, was eine Verletzung von Art. 22 der Konvention bedeute. Und schliesslich verletzte Schweden die Konvention, indem sie nur ungenügend mit dem Ausschuss kooperierte und ihm wesentliche Informationen vorenthielt.