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I.L. (2024)

21.08.2024

Antrag Nr. 36609/16

Materiellrechtliche Verletzung von Art. 3 EMRK (Verbot der Folter); ausserdem Art. 5 EMRK (Recht auf Freiheit und Sicherheit), bzw. Art. 5 Abs. 1e), sowie Art. 5 Abs. 4.

Im Juni 2011 wurde I.L. vom Obergericht Bern wegen einfacher Körperverletzung und falscher Anschuldigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Aufgrund einer dem Beschwerdeführer attestierten kombinierten Persönlichkeitsstörung wurde die Strafe zugunsten einer stationären Massnahme nach Artikel 59 StGB für die Dauer von 5 Jahren aufgeschoben. Entgegen der Massnahmenanordnung verbringt I.L. die ersten 5 Monate im Regionalgefängnis Bern, danach wird er in die Justizvollzugsanstalt Thorberg verlegt. Die rund dreieinhalb Jahre in Thorberg, wird I.L. jedoch nicht in der damals noch vorhandenen Therapieabteilung untergebracht, sondern überwiegend in Hochsicherheitshaft A, heisst Isolationshaft. Begründet wird dies mit dem renitenten Verhalten des Gefangenen (§ 25). 2014 stimmt die Klinik Rheinau einer Aufnahme des Betroffenen in ein stationäres Massnahmensetting zu. Dies aufgrund der Erstellung eines neuen Gutachtens, das zusätzlich ein Attest einer schizotypischen Störung beinhaltet. Aufgrund von Platzmangel verbringt I.L. weitere zwei Jahre in Einzelhaft, bis er im Jahr 2016 endlich in die Klinik Rheinau verlegt wird. Schliesslich wird I.L. nach einer einmaligen Verlängerung der Massnahme am 20. Juni 2019 mit einer Bewährungszeit von zwei Jahren bedingt entlassen und lebt seither in Freiheit.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) verurteilt die Schweiz am 20. Februar 2024 im Fall I.L. in drei Punkten. Erstens, stellt der Gerichtshof fest, dass die insgesamt mehr als drei Jahre dauernde Einzelhaft eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK darstellt. Der Zustand von I.L. habe sich im Rahmen der Einzelhaft und ohne angemessene medizinische Betreuung nachweislich verschlechtert (§ 107). Die Begründung der Renitenz sei ausserdem nicht akzeptabel, da das Verhalten des Betroffenen aus dem ungeeigneten Haftsetting resultiere. Zweitens kam der EGMR zum Schluss, dass der Freiheitsentzug widerrechtlich im Sinne von Art. 5 EMRK war. Hierbei hält er fest, dass es zwischen «Rechtmässigkeit» des Freiheitsentzugs und der Angemessenheit der Behandlung des Gefangenen einen engen Zusammenhang gibt (§ 147). Die Inhaftierung von I.L. in Einrichtungen, die ihm keine angemessene medizinische Umgebung für seinen Gesundheitszustand bieten können, entspreche einem nicht rechtmässig erfolgten Freiheitsentzug im Sinne von Art. 5 Abs. 1 EMRK. Drittens verurteilt der EGMR die Schweiz für eine Verletzung von Art. 5 Abs. 4 EMRK (Recht auf die Überprüfung eines Freiheitsentzugs innerhalb kurzer Frist). Da zwischen der Antragsstellung von I.L. und der Bearbeitung über ein Jahr vergangen ist, habe die Überprüfung nicht «in angemessener Frist» stattgefunden.