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Überprüfung eines Haftentlassungsgesuchs dauerte zu lange

13.05.2016

Die kleine Kammer des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) entschied im Fall Derungs gegen die Schweiz einstimmig, dass eine Verfahrensdauer von elf Monaten vom Haftentlassungsgesuch eines verwahrten Strafgefangenen bis zum ersten richterlichen Entscheid mit der Europäischen Menscherechtskonvention (EMRK) nicht vereinbar ist.

Sachverhalt

Konkret geht es um einen heute 55-jährigen Mann, der 2002 vom Zürcher Regionalgericht zu einer fünfmonatigen Haftstrafe wegen Fahrens in angetrunkenem Zustand verurteilt wurde. Aufgrund psychischer Probleme wurde die Strafe in der Folge in eine Verwahrung umgewandelt. Sein Haftentlassungsgesuch wie auch die Beschwerde gegen das Urteil wurden abschlägig beantwortet. Im August 2008 stellte Herr Derungs ein weiteres Begehren um Haftentlassung, welches wiederum negativ beantwortet wurde. Gegen diesen Entscheid legte dieser daraufhin beim Verwaltungsgericht Beschwerde ein, welche 11 Monate später – im Juli 2009 - erneut abgelehnt wurde: Die Verwahrung sei rechtmässig. Das Bundesgericht stützte dieses Urteil. 2012 wurde der Mann aus der Haft entlassen.

Aus der Begründung

Der EGMR entschied, dass die Dauer von elf Monaten für die Überprüfung eines Haftentlassungsgesuchs gegen Art. 5 Abs. 4 der EMRK und damit gegen das Recht verstösst, dass «ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmässigkeit des Freiheitsentzugs entscheidet». Das Gericht wies darauf hin, dass die Schweiz bereits 2006 im Fall Fuchser v. Schweiz vom EGMR in einem analogen Fall verurteilt worden war, wobei damals eine fünfmonatige Dauer bis zur Überprüfung des Entlassungsgesuchs für unzulässig erklärt wurde. Der vorliegende Fall sei weder besonders komplex, noch lägen andere Gründe vor, die eine mehr als doppelt so lange Dauer rechtfertigen würden.

Zusätzliche Informationen

In einem Artikel der Tageszeitung «Der Bund» hat Daniel Foppa einige interessante Hintergründe und mögliche Konsequenzen dieses Urteils recherchiert. Es scheint, dass einige Kantone (u.a. Zürich) ihren Rechtsweg bei Entlassungsgesuchen von verwahrten Insassen straffen müssen, um die gebotene Frist einzuhalten. Zweckmässig wäre die Einrichtung  von Strafvollzugsgerichten in allen Kantonen.