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Koalition gegen geplante Verschärfungen des Asylgesetzes

27.03.2009

Eine breite gesamtschweizerische Koalition, die sich aus mehr als fünfzig Parteien, Organisationen (u.a. Humanrights.ch) und Gewerkschaften zusammensetzt, hat sich klar gegen die geplante weitere Verschärfung des Asyl- und Ausländergesetzes ausgesprochen. Die Vorsteherin des Eidg. Justiz- und Polizeidepartementes (EJPD), Eveline Widmer-Schlumpf,  hatte entsprechende Änderungsvorschläge am 14. Januar 2009 in die Vernehmlassung geschickt, die am 15. April 2009 abgelaufen ist.

Die Änderungen beinhalten mehrere Punkte, die aus Sicht der Menschenrechte äusserst bedenklich sind. Die Justizministerin beabsichtigt zum einen, bereits im Oktober 2008 angekündigte Verschärfungen im Asylbereich umzusetzen. So sollen etwa Deserteure generell kein Asyl mehr erhalten, das Einreichen von Asylanträgen in Botschaften der Schweiz im Ausland soll nicht mehr möglich sein, und Asylsuchende dürfen sich in der Schweiz nicht mehr politisch betätigen. Zum andern beziehen sich die Vorschläge auf die Ausschaffungsinitiative der SVP. Widmer-Schlumpf will einige Begehren der Initianten aufnehmen und präsentiert einen indirekten Gegenvorschlag. Dieser sieht etwa vor, dass die Hürden für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung erhöht werden und dass diese einfacher wieder widerrufen werden kann.

Humanrights.ch: «Eingriff in Meinungsäusserungsfreiheit»

«Die strafrechtliche Sanktionierung einer "missbräuchlichen politischen Tätigkeit" greift in unverhältnismässiger Weise in die friedliche Ausübung der Meinungsäusserungs- und Versammlungsfreiheit von Ausländerinnen und Ausländern ein und wäre ein Armutszeugnis für einen demokraktischen Rechtsstaat wie die Schweiz», schreibt Humanrights.ch in seiner Stellungnahme betreffend der geplanten Änderung, dass politische Tätigkeiten von Asylsuchenden in der Schweiz nicht mehr erlaubt sein sollen. Weiter würden auch Kirchenmitglieder oder Engagierte in Asylorganisationen selbst kriminalisiert, wenn sie Asylsuchenden «bei der Planung und Organisation» von politischen Veranstaltungen helfen. 

SFH: «Immer weniger Schutz für Vertriebene»

«Auch mit einer erneuten Revision des Gesetzes wird sich nichts an der traurigen Realität von Verfolgungen ändern», schreiben die SFH, Amnesty International und die Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht in einer gemeinsamen Medienmitteilung vom 14. Januar 2009. Der Schutz in der Schweiz nehme jedoch ab. Die neue Revision des Asylgesetzes werde als zwingend dargestellt, um die Attraktivität der Schweiz für Flüchtlinge zu senken und Missbräuche zu bekämpfen. «Es gilt jedoch die Dinge beim Namen zu nennen: Die vorgeschlagenen Massnahmen verringern den Schutz derjenigen Personen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten müssen.»

Friedensrat: «Schweiz stützt die schlimmsten Regime auf der Welt»

Auch der Schweizerische Friedensrat richtet sich gegen die Vorschläge der Justizministerin. Er verurteilt insbesondere die Absicht, künftig keine Deserteure mehr zuzulassen: «Der Schweizerische Friedensrat ist zutiefst empört über den heutigen Entscheid des Bundesrates, Wehrdienstverweigerung und Desertion ausdrücklich als Asylgrund verbieten zu wollen. Damit stützt er die schlimmsten Regime auf dieser Welt, die ihre Jugend in den Kriegsdienst für Aggressionskriege zwingen. Eine solche Politik ist mit der Schweizer Mitgliedschaft im UNO-Menschenrechtsrat nicht vereinbar», schreibt die Organisation in ihrer Medienmitteilung.

Sosf organisiert Protestaktionen

Für Solidarité sans frontières (Sosf) ist zudem klar: «Für den Bundesrat ist das Asylrecht erst dann scharf genug, wenn es keine Flüchtlinge mehr zulässt. Stattdessen müsste es eigentlich das Ziel der Schweiz sein, die Fluchtgründe, Kriege, Elend und Unterdrückung zu bekämpfen - statt die Mauern um die Schweiz zu erhöhen.» Solidarité sans frontières ruft nun die Bevölkerung auf, ihren Widerstand gegen die erneuten Verschärfungen mit dem Ziel der Aushöhlung des Asylrechts kund zu tun. Während der Vernehmlassungsphase soll dies mit einem Schreiben an die Bundesrätin im Rahmen einer Briefaktion geschehen.

Indirekter Gegenvorschlag zur Ausschaffungsinitiative

Ebenfalls am 14. Januar 2009 hat Widmer-Schlumpf Änderungen im Umgang mit Niederlassungsbewilligungen für Ausländer/innen angekündigt. Sie geht mit ihren Vorschlägen relativ weit ein auf die Forderungen der SVP-Ausschaffungsinitiative. Die von ihr vorgeschlagene Änderung des Ausländergesetzes beinhaltet, dass die unbefristete und mit keinen Bedingungen verbundene Niederlassungsbewilligung generell nur bei einer erfolgreichen Integration erteilt werden soll. Bei schwerwiegenden Straftaten sollen ausländerrechtliche Bewilligungen konsequent widerrufen werden.

In der Medienmitteilung hält das EJPD fest, dass die Volksinitiative nach Auffassung des Bundesrats nicht gegen zwingendes Völkerrecht verstosse. Er glaubt weiterhin, dass die Initiative so ausgelegt werden kann, dass das zum zwingenden Völkerrecht gehörende «Non-Refoulement-Prinzip» respektiert wird, obwohl dies im Vorfeld von einigen namhaften Völkerrechtsexperten bezweifelt wurde. Weiter schreibt das EJPD: «Die Umsetzung der Initiative würde jedoch zu erheblichen Kollisionen mit den bestehenden Garantien der Bundesverfassung führen, insbesondere mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit und dem Schutz des Privat- und Familienlebens. Darüber hinaus könnten auch wichtige Bestimmungen des nicht zwingenden Völkerrechts, zum Beispiel der Europäischen Menschenrechtskonvention EMRK oder des Personenfreizügigkeitsabkommens mit der EU, nicht mehr eingehalten werden. Die Volksinitiative wird dem Parlament daher zur Ablehnung empfohlen.»

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