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Zwangsheiraten in der Schweiz

29.03.2007

In der Schweiz gibt es zahlreiche Frauen, die Opfer von Zwangsheiraten wurden. Zu diesem Resultat kommt die Studie der Stiftung Surgir , die Anfang Dezember in Genf vorgestellt wurde. Für diese Untersuchung wurden rund 50 Institutionen befragt, die mit Fällen von Zwangsheirat zu tun haben könnten. Das Resultat ist erschreckend: mindestens 400 Fälle wurden bekannt, bei denen Frauen zu einer Heirat gezwungen wurden. Allein zwischen Januar 2005 und Mai 2006 wussten die Institutionen von 140 neuen Fällen, in denen Frauen vor einer Zwangsheirat geflohen waren oder nach einer Zwangsheirat den Ehepartner verlassen haben. 

Spitze des Eisbergs 

«Wir gehen davon aus, dass die 140 Fälle nur die Spitze des Eisbergs darstellen. Die Grauzone in diesem Tabubereich ist gross», kommentierte Jaqueline Thibault, die Gründerin der Stiftung Surgir, die Untersuchung. Man müsse davon ausgehen, dass Tausende von Frauen Opfer einer Zwangsheirat seien. Die meisten der betroffenen Frauen kommen aus Osteuropa, dem Nahen und Mittleren Osten, Zentralasien, Maghreb und aus Schwarzafrika. Sie kommen zum grossen Teil aus bescheidenen Verhältnissen und haben nur eine geringe oder gar keine Schulbildung. Ein Drittel der Frauen sind minderjährig.

Informationen zur Studie von Surgir 

Tabuthema

In der Schweiz gibt es fast keine spezialisierten Strukturen, die als Anlaufstelle für Opfer von Zwangsheirat dienen. Einzige Ausnahme ist das Frauenhaus in Zürich, das aber auch nur sehr beschränkte Kapazitäten aufweist. Dabei ist für diese Frauen professionelle Hilfe oft überlebenswichtig. Sie befinden sich in einer extremen psychologischen Belastungssituation. Sie werden meist mit physischer und psychischer Gewalt in die Ehe gedrängt, oft sogar mit Morddrohungen. Surgir fordert, dass dieses Tabu in der Schweiz gebrochen wird. Eine umfassende Informationskampagne sollte ein erster Schritt sein, um den betroffenen Personen klarzumachen, dass Zwangsheiraten gegen internationale Menschenrechte verstossen und somit auch in der Schweiz illegal sind. 

Parlamentarische Vorstösse gegen Zwangsheiraten

Anfang Dezember 2006 wurde von der Freisinnig-demokratischen Fraktion beim Nationalrat sowie von Trix Heberlein im Ständerat eine Motion eingereicht, dass Zwangsheiraten und arrangierte Heiraten verhindert und die Opfer wirksam unterstützt werden sollen. Die Motion von Trix Heberlein (FDP) wurde vom Ständerat am 21. März 2007 mit 23 gegen 5 Stimmen gutgeheissen. Mit der Motion wird der Bundesrat beauftragt, «unverzüglich» alle notwendigen gesetzgeberischen Massnahmen zu ergreifen und ein umfassendes Konzept auszuarbeiten, um Zwangs- und arrangierte Heiraten zu verhindern. 

Hierbei sei allerdings anzumerken, dass ein beträchtlicher Unterschied besteht zwischen Eheschliessungen, die im Einverständnis der beiden Ehepartner/innen arrangiert werden und Zwangsheiraten, bei denen eine oder beide Partner/innen zu einer Heirat gezwungen werden. Bei arrangierten Heiraten treffen die Eltern nicht die Entscheidung, sondern sie beraten lediglich ihre Kinder.

Dies hat auch die Staatspolitische Kommission des Nationalrats gemerkt, indem sie im Feb. 2008 zwar die Motion von Trix Heberlein unterstützt, jedoch auf eine Erwähnung der arrangierten Heiraten verzichtet.

Bericht des Bundesrates 

Der Bundesrat hat sodann in Beantwortung eines parlamentarischen Vorstosses einen Bericht über Zwangsehen in der Schweiz verfasst. Darin schlägt er im November 2007 Änderungen des Zivilgesetzbuches vor.  

Weitere Informationen zu Zwangsheirat