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Diskriminierungsverbot - Dossier

Privatrechtliche Normen zum Schutz vor Diskriminierung

23.04.2020

Ausgangslage im Privatrecht

Im Verhältnis zwischen Privaten stehen sich zwei Parteien, die beide Träger von Grundrechten sind, gegenüber. Die eine Seite erhebt den Anspruch, nicht diskriminiert zu werden, die andere beruft sich auf ihre Privatautonomie, welche durch das Recht auf persönliche Freiheit und Privatsphäre (Art. 10 und 13 BV) sowie die Wirtschaftsfreiheit (Art. 27 BV) und darin eingeschlossen die Vertragsfreiheit geschützt ist.

In der Privatrechtsordnung ist die Vertragsfreiheit zentral: Jede Person kann grundsätzlich frei entscheiden, ob und mit wem sie welchen Vertrag eingeht, und niemand ist gezwungen, einen für ihn oder sie ungünstigen Vertrag anzunehmen.

Kaum Diskriminierungsverbote unter Privaten

Im schweizerischen Recht finden sich denn auch fast keine Regeln, welche eine Diskriminierung im privatrechtlichen Arbeits- oder Mietverhältnis oder im Dienstleistungsbereich verbieten würden. Die einzigen Ausnahmen sind die Bestimmungen im Gesetz zur Gleichstellung von Frau und Mann, die Bestimmungen gegen Diskriminierung bei Dienstleistungen im Behindertengleichstellungsgesetz sowie der strafrechtliche Schutz vor rassistischen Äusserungen und Handlungen gemäss Art. 261bis StGB.

Bestimmungen zur Begrenzung der Vertragsfreiheit

Die Vertragsfreiheit gilt aus naheliegenden Gründen allerdings nicht grenzenlos. Verschiedene Bestimmungen des Zivilrechts beschränken die Vertragsfreiheit und regeln die Grundsätze des Rechtsverkehrs.

So wird in Art. 2 ZGB festgehalten, dass jede Person bei der Ausübung ihrer Rechte und bei der Erfüllung ihrer Pflichten nach «Treu und Glauben» zu handeln hat, das heisst, sie muss eine gewisse Redlichkeit und Anstand an den Tag legen. Verboten ist in Art. 2 ZGB auch der Missbrauch eines Rechts (z.B. eine schikanöse Rechtsausübung).

Sodann darf ein Vertrag nicht gegen die öffentliche Ordnung, gegen die guten Sitten und gegen das Recht der Persönlichkeit verstossen (Art. 19 OR). Verträge, welche gegen zwingendes Recht oder gegen die guten Sitten verstossen, sind nichtig (Art. 20 OR). Ebenso ist die Übervorteilung der schwächeren Vertragspartei durch Ausbeutung einer Notlage, der Unerfahrenheit oder des Leichtsinns des andern verboten (Art. 21 OR).

Diese allgemein formulierten Grenzen der Vertragsfreiheit kommen auch im Fall von Diskriminierung zum Zug. Rassistisch Diskriminierende Verträge zum Beispiel gelten als sittenwidrig.

Zivilrechtlicher Persönlichkeitsschutz

Im Weiteren wird die Vertragsfreiheit insbesondere durch die im Zivilgesetzbuch (ZGB) und im Obligationenrecht (OR) niedergelegten Bestimmungen zum Schutz der Persönlichkeit begrenzt.

Schutz der Persönlichkeit im ZGB

Ins Zentrum des privatrechtlichen Diskriminierungsschutzes wird von der Lehre Art. 28 ZGB gerückt: Wer in seiner Persönlichkeit widerrechtlich verletzt wird, kann zu seinem Schutz das Gericht anrufen. Nicht jede Ungleichbehandlung verstösst jedoch gegen den Persönlichkeitsschutz, sondern die Beeinträchtigung der Persönlichkeit muss eine gewisse Intensität erreichen. Lediglich sofern die Benachteiligung durch unterschiedliche Behandlung eine Herabwürdigung oder eine Ausgrenzung zum Ziel oder zur Folge hat, ist eine Persönlichkeitsverletzung gegeben.

Die Verletzung (Diskriminierung) muss sich gegen eine bestimmte Person richten, damit Art. 28 ZGB greifen kann. Gegen allgemeine Verunglimpfungen zum Beispiel von bestimmten Gruppen von Ausländern und Ausländerinnen oder etwa Homosexuellen oder Transmenschen kann mit dem zivilrechtlichen Schutz nicht vorgegangen werden, sofern nicht der Nachweis gelingt, dass dadurch einer ganz bestimmten Person ein Nachteil zugefügt worden ist. 

Schutz der Persönlichkeit im Arbeitsverhältnis (Arbeitsvertragsrecht)

Die Persönlichkeit der Arbeitnehmenden ist durch Art. 328 OR geschützt. Danach hat der Arbeitgeber oder die Arbeitgeberin die Pflicht, die Persönlichkeit des/der Arbeitnehmenden zu achten und zu schützen, auf deren Gesundheit gebührend Rücksicht zu nehmen und für die Wahrung der Sittlichkeit zu sorgen. Sie haben dafür zu sorgen, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen. Zum Schutz von Leben, Gesundheit und persönlicher Integrität der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben sie alle Massnahmen zu treffen, die «nach der Erfahrung notwendig, nach dem Stand der Technik anwendbar und den Verhältnissen des Betriebes oder Haushaltes angemessen sind, soweit es mit Rücksicht auf das einzelne Arbeitsverhältnis und die Natur der Arbeitsleistung ihm billigerweise zugemutet werden kann» (Art. 328 Abs. 2 OR). Ein Teil der Lehre geht davon aus, dass Arbeitgebende auch den Schutz vor Diskriminierung zu gewährleisten haben.

Der Persönlichkeitsschutz von Art. 328 OR kommt lediglich bei bestehenden Arbeitsverhältnissen zum Tragen. Während des Stellenbewerbungsverfahrens ist auf Art. 28 ZGB bzw. Art. 2 ZGB (Handeln nach Treu und Glauben) zurückzugreifen.

Weitere Begrenzungen der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht ergeben sich aus dem Gleichstellungsgesetz, dem Datenschutzgesetz (inkl. Art. 328b OR), dem Berufsbildungsgesetz, dem Entsendegesetz mit den flankierenden Massnahmen sowie das gesamte für die Schweiz massgebende Arbeitsvölkerrecht.

Schutz vor missbräuchlicher Kündigung des Arbeitsverhältnisses

Das Obligationenrecht bietet im Weiteren einen gewissen Schutz vor Kündigung. Diese ist missbräuchlich und kann angefochten werden, wenn sie «wegen einer Eigenschaft, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht» ausgesprochen wird, «es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb» (Art. 336 Abs. 1 lit. a OR). Die Diskriminierungsmerkmale, wie sie in Art. 8 Abs. 2 BV exemplarisch als verbotene Anknüpfungspunkte genannt sind (Herkunft, rassistische Zuschreibungen,  Alter, Sprache, soziale Stellung, Lebensform oder körperliche, geistige oder psychische Behinderung), stellen solche Persönlichkeitseigenschaften dar. Wird einer Person allein deswegen gekündigt, kann wegen missbräuchlicher Kündigung geklagt werden. 

Ebenfalls missbräuchlich ist eine Kündigung, wenn diese ausgesprochen wird, weil ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin ein verfassungsmässiges Recht – z.B. die Relgionsfreiheit – in Anspruch genommen hat (Art. 336 Abs. 1 lit. b OR).

Impliziter Schutz vor Diskriminierung im Mietrecht

Gegenüber diskriminierender Kündigung eines Mietverhältnisses bietet Art. 271 OR einen gewissen Schutz. Danach ist die Wohnungskündigung anfechtbar, wenn sie gegen Treu und Glauben verstösst. Ein solcher Verstoss könnte dann vorliegen, wenn einer Mieterin oder einem Mieter allein wegen eines besonderen Persönlichkeitsmerkmals – Herkunft, sexuelle Orientierung,  Alter usf. – gekündigt wird, ohne dass der betroffenen Person mietrechtlich etwas vorgeworfen werden kann.

Kaum Urteile zu den impliziten Diskriminierungsverboten im Zivilrecht

Bis anhin ist es noch kaum zu Klagen und Gerichtsverfahren wegen Verstössen gegen die erwähnten Bestimmungen des Zivilrechts in Diskriminierungsfällen gekommen. Eine Umfrage des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte (SKMR) bei allen schweizerischen Gerichten erbrachte sieben publizierte Entscheide, in denen die erwähnten impliziten Diskriminierungsverbote zur Anwendung kamen. In sechs Fällen handelte es sich um Diskriminierungen im Arbeitsleben. Die Fälle sind dokumentiert in:

Weiterführende Hinweise