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Rassistisches Profiling in der Schweiz - Stand der Diskussion und Beispiele

16.07.2019

In der schweizerischen Öffentlichkeit hat das rassistische Profiling in den letzten Jahren deutlich an Aufmerksamkeit gewonnen: Veröffentlichungen von Nichtregierungsorganisationen, Medienberichte, erste wissenschaftliche Abhandlungen und politische Auseinandersetzungen sind der Beweis dafür.

Erste Berichte

Amnesty International ist es zu verdanken, dass die Diskussion vor rund 10 Jahren eröffnet wurde. In ihrem Bericht zur Polizeiarbeit in der Schweiz von 2007 wurde der Begriff erstmals aufgenommen und die polizeiliche Praxis kritisch hinterfragt. Ebenfalls eine wichtige Vorreiterrolle leistete die Ombudsstelle der Stadt Zürich, welche rassistisches Profiling in ihren Jahresberichten 2010 und 2014 mit verschiedenen Fallbeispielen illustrierte und die Problematik innerhalb der Stadtpolizei Zürich thematisierte.

Auch von internationalen Menschenrechtsgremien wie etwa der Europäischen Kommission gegen Rassismus ECRI oder dem UNO-Menschenrechtsausschuss wurde das Vorkommen rassistischen Profilings in der Schweiz immer wieder aufgegriffen (vgl. Subrubrik Empfehlungen und Forderungen).

Medienberichte und wissenschaftliche Studien

Seit einigen Jahren ist das öffentliche Interesse an diesem Phänomen in der Schweiz stetig angewachsen. Berichte von Nichtregierungsorganisationen, Ombudsstellen und Betroffenen belegen, dass Schwarze oder aufgrund des Erscheinungsbildes als fremd wahrgenommene Menschen immer wieder kontrolliert oder durchsucht werden, ohne dass ein sachlicher Grund vorliegt.

Im November 2017 hat das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) eine Studie zu den rechtlichen Kriterien bei Personenkontrollen in der Stadt Zürich und möglichen Massnahmen zur Vermeidung von Racial/Ethnic Profiling verfasst. Zu den vom SKMR  vorgeschlagenen  Massnahmen   zählen   unter  anderem  konkrete  Dienstanweisungen,   eine   spezifische  Aus-  und Weiterbildung und die Einführung eines Quittungssystems.

In ihrer Lizenziatsarbeit «Polizeiliche Routinekontrollen westafrikanischer Migranten in Zürich: Minoritätsperspektiven, 2012» zeigen Gfeller/Pfiffner auf, dass polizeiliche Alltagskontrollen für Westafrikaner/innen in der Schweiz eine lästige und teilweise demütigende Erfahrung darstellen. Die Masterarbeit von Kim Wysshaar aus dem Jahr 2017 ist wohl die erste ausführliche rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung mit rassistischem Profiling vor dem Hintergrund der schweizerischen Rechtslage. Auch hat die Online-Fachzeitschrift Jusletter im September 2017 eine ganze Nummer dieser Thematik mit Beiträgen «aus rechtstheoretischer, rechtsdogmatischer und rechtssoziologischer Perspektive» gewidmet.

Im Rahmen der Reihe «Postcolonial Studies» veröffentlichte der wissenschaftliche Fachverlag transcript Anfangs 2019 den Band «Racial Profiling. Struktureller Rassismus und antirassistischer Widerstand». In über 20 Kapiteln werden wissenschaftliche, künstlerische sowie aktivistische Beiträge zu den gesellschaftlichen Ursachen und Auswirkungen von Racial Profiling verarbeitet und mögliche Ansätze zur antirassistischen Gegenwehr thematisiert.

Die Rosa Luxenburg Stiftung veröffentliche im Mai 2019 zudem eine Untersuchung der Kollaborativen Forschungsgruppe Racial Profiling. Die Studie «Racial Profiling. Erfahrungen Wirkung Widerstand» basiert auf partizipativen Interviews und analysiert die Erfahrungen von Menschen in der Schweiz, welche diskriminierenden Polizeikontrollen ausgesetzt sind.

Allianz gegen Racial Profiling

Die «Allianz gegen Racial Profiling» ist ein Zusammenschluss von Aktivisten/-innen, Kulturschaffenden,  Wissenschaftlern/-innen, People of Color sowie Menschenrechtsorganisationen und Personen, die sich gegen institutionellen Rassismus in den Schweizer Polizeikorps zur Wehr setzen. Die Bewegung ist erstmals im Jahr 2016 an die Öffentlichkeit getreten und trägt wesentlich dazu bei, dass das Thema in der schweizerischen Bevölkerung präsent bleibt.

Die Allianz hat ein Video mit Testimonials von betroffenen Personen erstellt die Ergebnisse laufender Forschungsstudien zu rassistischem Profiling in der Schweiz veröffentlicht. Zudem wird der strategische Gerichtsfall «Wa Baile» von deren Prozessbeobachtungsgruppe eng begleitet.

Fallbeispiele aus der Beratungspraxis

Der jährliche Auswertungsbericht des Beratungsnetzes für Rassismusopfer enthält eine Rubrik zum rassistischen Profiling. Im Jahr 2015 wurden zum Beispiel 16 Beratungsfälle zu rassistischem Profiling registriert. Dies ist mit Sicherheit nur die Spitze des Eisbergs. humanrights.ch hat eine Auswahl dieser Fälle dokumentiert: