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Sozialrechte als Menschenrechte - Dossier

Recht auf Arbeit - exemplarische Beispiele

28.04.2014

Das in Artikel 6 UNO Pakt I und Artikel 7 UNO Pakt I verankerte Recht auf Arbeit verpflichtet die unterzeichneten Vertragsstaaten zwar nicht dazu, jedem Menschen einen Arbeitsplatz zu garantieren. Die Staaten müssen jedoch für menschenwürdige Arbeitsbedingungen sorgen und in ihrer Wirtschaftspolitik die Vollbeschäftigung anstreben.

Schlechte Arbeitsbedingungen

Aus Artikel 7 UNO Pakt I geht hervor, dass sichere und gesunde Arbeitsbedingungen nicht nur mit einem Recht auf eine angemessene Bezahlung, vernünftige Arbeitszeiten und einer geschützten Arbeitsumgebung einhergehen, sondern auch das Wohlbefinden der Arbeitnehmer in jeder Hinsicht gesichert sein und eine Diskriminierung ausgeschlossen sein muss.

Alle 15 Sekunden stirbt ein Arbeiter aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit, die im Zusammenhang mit seiner Arbeit stehen. Dies geht aus einer Studie der ILO hervor. Mehr als 2,3 Millionen Todesfälle im Jahr sind auf den Arbeitsplatz zurückzuführen.

Diese erschreckenden Zahlen machen deutlich, dass das garantierte Recht auf faire und sichere Arbeit längst nicht für alle eine Selbstverständlichkeit darstellt.

Insbesondere Frauen, Kinder  und Migranten/-innen sind unter den besonders betroffenen Gruppen, welche ihre Arbeit in vielen Ländern unter miserablen Bedingungen verrichten müssen.

Von Kinderarbeit sind weltweit etwa 144 Millionen Kinder zwischen 5 und 10 Jahren betroffen. Die Kinder sind dabei teils höchst beschwerlichen und gefährlichen Arbeitsbedingungen ausgesetzt, etwa im Bergbau oder bei der Arbeit mit Pestiziden in der Landwirtschaft. Die Mehrheit der Kinderarbeit findet im Landwirtschaftssektor statt.

Weltweit arbeiten etwa 53 Millionen Frauen und Mädchen als Haushaltshilfe. Viele müssen dabei 7 Tage die Woche täglich 14 bis 18 Stunden Arbeiten verrichten. Vor allem im afrikanischen, südamerikanischen und asiatischen Raum sind sie unterbezahlte Arbeitskräfte, die häufig ausgenutzt, misshandelt und sexuell ausgebeutet werden. Am häufigsten betroffen von diesen unakzeptablen Arbeitsbedingungen sind Mädchen und Migranten/-innen.

Frauen müssen ausserdem auf dem regulären Arbeitsmarkt oft gegenüber ihren männlichen Arbeitskollegen in vielen Ländern Benachteiligungen erfahren.

Von Diskriminierung und Ausbeutung betroffen sind oft auch Migranten/-innen, die häufig kaum Möglichkeiten haben, sich dagegen zu wehren. Das Rechtssystem des jeweiligen «Gastlandes» gewährt ihnen oftmals keinen oder wenig Schutz. Die meisten Zielländer von Arbeitsmigration haben die Wanderarbeiterkonvention der UNO nicht ratifiziert.

Auch die Zwangsarbeit in Form von «Arbeitslagern» ist in Ländern wie China, Nordkorea oder Russland ein Menschenrechtsproblem von unabsehbaren Ausmassen.

Verletzung des Rechts auf Arbeit: Exemplarische Beispiele

Vietnam

In Vietnam erfahren viele Frauen bei der Arbeit Diskriminierungen. Geschlechterungleichbehandlungen am Arbeitsplatz stehen hier auf der Tagesordnung. Etwa 80 Prozent der Fabrikarbeiter/-innen im Land sind Frauen. Sie arbeiten als Näherinnen und Hilfsarbeiterinnen, die nur einen Hungerlohn kassieren, während Männer höherrangige Positionen wie Schneider und Mechaniker mit einem deutlich höheren Lohn erlangen. Hinzu kommt, dass Frauen gewöhnlich viel längere Arbeitszeiten haben als Männer und ihre Aufstiegschancen gleich null sind, obwohl sie teilweise schon länger in den Fabriken arbeiten als Männer.

Hier wie in den meisten übrigen Ländern müssen die Rechte der Frauen in der Arbeitswelt gestärkt werden. Es muss gewährleistet sein, dass Frauen Zugang zu Arbeitsplätzen haben, in denen sie gleich behandelt werden wie Männer und so beispielsweise die gleichen Aufstiegschancen und Arbeitszeiten haben und auch die gleichen Löhne erhalten.

Bolivien

Obwohl die Zahl der weltweiten Kinderarbeit seit 2000 gefallen ist, stellt diese in Bolivien noch immer ein grosses Problem dar. Hier arbeiten 800 000 Kinder und Jugendliche unter oft sehr schlechten und unzumutbaren Arbeitsbedingungen. Von diesen 800 000 sind etwa 491 000 unter 14 Jahren und 309 000 sind 14- bis 17-jährige, die oft unter gefährlichen Arbeitsbedingungen arbeiten. Meist können sich die Kinder gegen die gesundheitsgefährdenden Arbeitsbedingungen nicht zur Wehr setzten und sind auf die Jobs angewiesen, da ihre Arbeit zum Überleben der Familie beiträgt.

Die Kinder werden von ihren Eltern oft schon im Alter von 6 Jahren auf Arbeitssuche geschickt. Sie versäumen dadurch die Schulzeit und die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst später ein Leben am Rande des Existenzminimums führen, steigt erheblich. Hinzu kommt, dass viele von ihnen keinen Schutz durch ihren Arbeitgeber erwarten können. Für diese ist es meist nicht von Belang, dass ihre Angestellten zu jung sind und deren Gesundheit auf dem Spiel steht. Sie nutzen die billige Arbeitskraft aus und zahlen diesen nur einen geringen Hungerlohn.

Bolivien hat die Internationale Arbeiterkonvention Nr.138 unterzeichnet, welche ein Arbeitsmindestalter von 15 Jahren festsetzt. Das Land sollte sich an dieses Abkommen halten und mehr Kontrollen und härtere Strafen für Verstösse dagegen einführen. Die Regierung muss in Strategien und Programme investieren, um die Kinderarbeit zu beenden. Es muss gewährleistet sein, dass Kinder ihre schulische Ausbildung wahrnehmen und ihre Kindheit erleben können.

Katar

Derzeit arbeiten in Katar etwa 1,35 Millionen ausländische Arbeitskräfte. Viele dieser Gastarbeiter/-innen müssen Menschenrechtsverletzungen erleiden.

Von den ausländischen Arbeitskräften sind mindestens 84 000 ausländische Hausangestellte, überwiegend aus Süd- und Südostasien. Daneben sind viele der Gastarbeiter/-innen als Bauarbeiter für den Ausbau der Infrastruktur, insbesondere auch für die Fussball-Weltmeisterschaft 2022, tätig.

Hausangestellte und Bauarbeiter werden massiv ausgebeutet und müssen ihre Arbeiten unter elenden Bedingungen verrichten. Zwangsarbeit und Menschenhandel auf dem Arbeitsmarkt sind keine Seltenheit und eine Aussicht auf Besserung dieser Arbeitszustände ist gering. Neben der Tatsache, dass sie von dem kärglichen Lohn abhängig sind, um ihre Familien in ihrem Herkunftsland ernähren zu können, spielt ein weiterer Faktor eine grosse Rolle: Die Gastarbeiter dürfen gegen ihre Arbeitsbedingungen nicht streiken oder Gewerkschaften bilden. Auch rechtliche Massnahmen haben wenig Aussicht auf Erfolg, obwohl die Sachverhalte oft eindeutig sind.

Viele Wanderarbeiter/-innen bemängeln zudem zu lange Arbeitszeiten und ausbleibende oder grundlos gekürzte Löhne. Meist müssen sie auch schlechte hygienische Unterkünfte ertragen.  Die Arbeiter kommen in der extremen Hitze an ihre Grenzen und einige von ihnen überleben die Strapazen nicht. Im Jahre 2013 sind innerhalb von nur zwei Monaten 44 Arbeiter aus Nepal im Rahmen der Arbeiten für die WM 2022 an den Folgen von Arbeitsunfällen und Herzstillstand gestorben.

In einem Bericht, der auf die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Hausangestellten- meist Frauen- aufmerksam macht, ist von Arbeitszeiten von bis zu 100 Stunden in der Woche, Misshandlungen und Vergewaltigungen die Rede. Die betroffenen Hausangestellten werden mit diesen Zuständen völlig im Stich gelassen und bewegen sich in einem Teufelskreis, denn nach dem dortigen Recht gilt das Arbeitsgesetz für ausländische Hausangestellte nicht. Auch eine Anzeige wegen sexuellen Übergriffs wagen die wenigsten, da ihnen dann selbst eine Anklage wegen «unerlaubter Beziehung» droht.

Eine Ausreise aus dem Emirat bleibt den Betroffenen oft verwehrt. Dies ist auf ein komplexes Bürgschaftssystem zurückzuführen: Danach muss ein einheimischer Arbeitgeber für eine/n ausländischen Arbeiter/-in bürgen, damit diese/r unter legalen Bedingungen im Land leben und arbeiten kann. In 90 Prozent der Fälle müssen die Migranten/-innen auch ihre Pässe den Bürgen abgeben. Um dann das Land verlassen zu können, müssen der Arbeiter/-innen sich eine Erlaubnis beim Bürgen holen. Da eine solche Ausreisegenehmigung oftmals verwehrt wird und eine Flucht aufgrund des fehlenden Passes auch aussichtslos erscheint, sitzen die Gastarbeiter/-innen häufig jahrelang in Katar fest und müssen sich mit den Missständen abfinden.

Die Regierung ist aufgerufen einzuschreiten und Reformen durchzuführen, um so die Rechte der Migranten/-innen zu sichern. Es muss gewährleistet sein, dass die Arbeiter/-innen ihre Arbeiten unter menschlichen Bedingungen verrichten können und keine so weit reichende Abhängigkeit von ihren Arbeitgebern besteht. Monatliche ordnungsgemässe Entlohnungen und auch sonst menschenwürdige Zustände am Arbeitsplatz und in den Unterkünften müssen durch Kontrollen und unabhängige Gewerkschaften sichergestellt werden.

Nicht zuletzt ist Katar auch Mitglied der ILO und hat 5 der 8 ILO-Konventionen unterzeichnet, welche internationale Arbeiterstandards festlegen. Daraus ergibt sich die Verpflichtung, sich an diese Standards zu halten. Wichtig ist auch, dass die internationalen Partner nicht wegschauen, sondern dass sich die vielen internationalen Unternehmen und Sponsoren der Baustellen in Katar wie auch die FIFA für faire Arbeitsbedingungen einsetzen.

Fazit

Faire und sichere Arbeitsbedingungen müssen jedem Menschen gewährleistet sein. Dies setzt voraus, dass die Geschlechter in der Arbeitswelt gleich behandelt und auch die Rechte der Kinder und Migranten/-innen  geachtet werden. Es darf nicht sein, dass Menschen ihren Arbeitsalltag fürchten müssen und Angst um ihre Gesundheit und ihr Leben haben. Die Regierungen müssen Ausbeutung und Missstände jeglicher Art unterbinden. Nebst der Gewerkschaftsfreiheit braucht es Gesetze über faire Arbeitsbedingungen und regelmässige Kontrollen, um die tatsächlichen Zustände zu überprüfen und zu sanktionieren.

Im Falle der Verletzung der Arbeitsrechte benötigen die Betroffenen einen Zugang zur Justiz. Der Rechtsweg muss für alle offen sein und den rechtswidrig handelnden Arbeitgebern- gerade auch den transnationalen Unternehmen-müssen angemessene Strafen drohen.

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