23.04.2025
1. Erste Lebensjahre
- Theo wurde im Dezember 2002 in München geboren, wo er eine Zeit lang mit seinen Eltern und seinem Bruder lebte. Schon früh merkten seine Eltern, dass Theo Schwierigkeiten hatte, gewisse soziale Normen zu verstehen und zu befolgen.
- Als Theo vier Jahre alt war, zog die Familie für drei Jahre nach Australien. Theo lernte Englisch und war gut eingebettet.
- Im Alter von ca. 7 Jahren kam Theo mit der Familie in die Schweiz.
2. Schulzeit und Asperger Diagnose
- Theo besuchte die Primarschule und schaffte den Übertritt in die Bezirksschule. In der letzten Bezirksschulklasse kam bei Theo langsam Panik auf. Er setzte sich selbst unter enormen Leistungsdruck, denn er wollte unbedingt in die Kantonsschule. Die Situation spitze sich zu und die Eltern beschlossen, dass er eine Pause brauchte. Weil es ihm in Australien so gut gegangen war, schickten ihn die Eltern ein halbes Jahr nach Australien und ein halbes Jahr nach Kanada in ein Austauschjahr. Aus Australien kam bald die Rückmeldung der Schule, dass Theo Autismus habe und dies abgeklärt werden sollte.
- Als er aus Kanada zurückkam, veranlasste die Mutter eine Abklärung auf Autismus.
- Am 17.07.2019 wurde Theo mit dem Asperger-Syndrom diagnostiziert.
- Die Eltern beschlossen, Theo auf eine Privatschule nach Zürich zu schicken, da dort kleinere Klassen üblich waren und weniger Fächer für die Matur benötigt wurden.
- Die Corona-Pandemie spitzte die Situation zu und Theo wurde alles zu viel. Eine Psychologin riet den Eltern, dass sie Theo in die PDAG bringen sollten.
3. Eintritt in die Psychiatrische Klinik Königsfelden PDAG (Mai 2020)
- Der freiwillige Eintritt in die Klinik war für Theo als Person mit Asperger-Syndrom sehr schwierig.
- Lange waren sich die Ärzt*innen in der PDAG nicht sicher, welche Probleme Theo hatte. Letztendlich schwankten sie zwischen Zwangserkrankung, oder Psychose. Das Autismus Spektrum Syndrom wurde jedoch kaum in die Überlegungen und Abklärungen einbezogen.
- Theo bekam immer mehr und schlimmere Zwänge. Er trat immer wieder in Zimmer von Mitpatient*innen, bis einer von ihnen sich davon so stark enervierte, dass er Theo die Ecke eines Zahns ausschlug. Theo begann, Drohungen auszusprechen und auch an Bekannte zu schreiben, abzusenden, um die Nachrichten aber sofort wieder zu löschen. Er sagte immer wieder, dass er es nicht ernst meinte, man keine Angst haben müsse.
- Der Versuch, ihn nach Hause zu holen, scheiterte.
- Auf die Bitten der Mutter, die Medikamente abzusetzen, wurde nicht eingegangen.
4. Eintritt in die Erwachsenenstation (November 2020)
- Von der Kinderpsychiatrie wurde er schliesslich am 18. November 2020 in einer spontanen Aktion nach einem Vorfall (Theo schubste seine Mutter) in die Erwachsenenabteilung verlegt. Dies weil er vermehrt meist verbal-aggressives Verhalten zeigte und man in der KJP mit seinem Verhalten überfordert war. Dieser Wechsel erfolgte für Theo als Person mit Asperger-Syndrom unvorbereitet und zu schnell. Er vermisste die bekannten Pflegerinnen und Jugendlichen. In der Nacht der Verlegung kam Theo nicht zur Ruhe und die Situation eskalierte, weil er zurück auf die gewohnte Station wollte.
- Auf die Frage der Mutter an Theo, warum er diese inakzeptablen Verhaltensweisen zeigen müsse, meinte dieser mehrmals, er fühle durch die Medikamente nichts mehr und das sei so schlimm, dass er versuche, wieder Angst zu bekommen.
- Im Pflegbericht steht am 26.11.2020, dass das Pflegepersonal und Patient*innen gesehen haben, wie Theo den Kopf gegen die Wand schlägt.
5. Isolationszimmer (29. November 2020 – 30. Dezember 2020)
- Theo wurde am 29.11.2020 auf ein Isolationszimmer verlegt.
- Die neue Umgebung war für ihn als Person mit Asperger-Syndrom sehr schwierig zu akzeptieren. Er war durch die fremden Pfleger*innen und Mitpatient*innen gestresst. In der Isolation nässte er sich ein und musste Windeln tragen. Die Toilette und das Bad wurden mehrmals abgeschlossen oder das Wasser abgestellt, weil er einen Duschzwang entwickelt hatte. Nach Tagen der Isolation begann er, Kot zu verschmieren.
- Am 05.12.2020 steht im Pflegebericht, dass das Klingelsystem defekt zu sein schien und nicht eruiert werden konnte, ob Theo in der Nacht geklingelt hatte. Am 6.12.2020 hingegen steht im Pflegebericht: «Konnte nicht umsetzen, dass er davor klingelt, und dann zur Toilette kann.»
- Er machte plötzlich Äusserungen mit sexualisiertem Inhalt und Dinge, die laut der Mutter völlig atypisch für ihn waren.
- Das Isolationszimmer hatte ein Milchglasfenster, das den Blick nach draussen verhinderte. Nach einer Woche Isolation entwickelte Theo eine seltene Essstörung mit Kot, namens Pica Syndrom.
- Den Eltern wurde mitgeteilt, dass sich Theo von den Eltern «abnabeln» müsse. Weil er sich aufregen würde, wenn die Eltern kämen, würden Besuche nur noch 1-mal pro Woche für 30 Minuten gewährt. Später wurden die Besuche aufgrund der Massnahmen während der Corona-Pandemie eine Zeit lang gänzlich untersagt. Auch telefonieren durften die Eltern nur noch selten mit Theo. Bei einem Anruf der Eltern wurde Theo das Telefon nicht ins Zimmer gebracht. Es hiess, er müsse von sich aus zurückrufen. Damals hatte Theo kein Handy mehr und auch kaum die Energie, um ausserhalb seines Zimmers telefonieren zu gehen.
- Trotz den gut erforschten, krank machenden Auswirkungen einer solchen langzeitigen Isolation, war Theo über 30 Tage lang in Isolation.
6. Verlängerung der Fürsorgerischen Unterbringung und Selbstverletzungen (Dezember 2020)
- Am 22.12.2020 wurde die Fürsorgerische Unterbringung verlängert, ohne dass die Eltern in diesen Entscheid eingebunden gewesen wären und obwohl Theo seine Eltern schriftlich als Vertrauenspersonen eingesetzt hatte.
- Ebenfalls am 22.12.2020 steht im Arztjournal: «Pat. weist geschwollene Füsse und zahlreiche Hämatome an Gesäss, Bein und Arm auf. Auf den ersten Blick scheint nichts gebrochen zu sein (…) Auf Nachfragen (…) bestätigt der Pat., sich Verletzungen selbst zugefügt zu haben (Sprung aufs WC)».
- Theo fügte sich immer mehr Selbstverletzungen zu, die auch in den Akten erfasst wurden. Er liess sich immer wieder selbst auf den Boden oder auf die Toilette und von der Bettkante fallen. Er wurde trotz Kopfverletzungen und zahlreichen Hämatomen am ganzen Körper nicht ins Spital eingeliefert.
- Am 27.12.2020 steht in einem Bericht: «Auf PP wirkt Pat. motorisch stark verlangsamt und scheint auch Mühe mit der Körperhaltung zu haben. Pat. geht mit gebeugter Haltung auf Station. […] Pat. lässt sich im Zimmer weiterhin auf den Boden fallen und schlägt mehrmals den Kopf an. Äussert auf Nachfrage, dass er PP nicht sagen möchte, weshalb er das mache. Fragt jedesmal beim Kontakt, ob er nun ins Spital müsse. Patient wirkt sehr leidend auf PP.»
- Am 29.12.2020 steht im Pflegeverlaufsbericht: «Patient wurde dann 15 Minuten über das Guckloch 1:1 betreut und liess sich neun Mal fallen. Dreimal aus der Hocke und sechsmal von der Bettkante aus. Pat. Wurde dann probeweise wiederkehrend aus der Isolation genommen und auf der ABtl. Von PP begleitet. (…) Pat. fällt dann im Verlauf innerhalb zwei Stunden ca. minütlich bis halb minütlich (…). Das Temporärbüro kann kein Personal zum Einsatz schicken und das Stammteam kann keine 1:1 Betreuung gewährleisten mit dem Arbeitsaufwand. Pat. wird ca. alle 5-10 Minuten überwacht.»
7. Theo wird bewusstlos aufgefunden (30.12.2020)
- Theo wirft sich laut Pflegeberichten weiterhin ständig zu Boden. Er klagt über Schmerzen am ganzen Körper. Gemäss Bericht äussert sich Theo sich zu seinem Verhalten, dass er sich leer fühlen würde, wenn er sich nicht von dem Bett stürzte. Es wird beobachtet, dass Theo weder innerlich noch motorisch zur Ruhe kommen kann und gesamthaft leidend wirkt.
- Als die Pflegeperson gegen 14:40 Uhr erneut das Zimmer betritt, liegt Theo bewusstlos im Isolationszimmer am Boden. Das Stationsteam wird alarmiert und Theo wird in eine stabile Seitenlage positioniert. Theo wird intubiert und per Helikopter ins Universitätsspital Zürich geflogen. Die Ärzt*innen teilten den Eltern mit, dass der Zustand von Theos Gehirn bedeuten würde, dass er keine Chance auf ein Leben mehr hätte.
8. Theo verstirbt (02.01.2021)
- Am 2. Januar verstarb Theo an seinen Hirnverletzungen.
9. Verfahren gegen die PDAG
- Die Eltern meldeten im April 2021 den Tod ihres Sohnes beim Departement für Gesundheit des Kantons Aargau. Dieses hat ein Aufsichtsverfahren gegen die PDAG eingeleitet - sowohl zur Organisation als auch zum Fall ihres Sohnes. Die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen vorsätzlicher Tötung nach Artikel 111 STGB gegen die Oberärztin und den leitenden Arzt eröffnet.
- Der Menschenrechtsanwalt Philip Stolkin unterstützt die Eltern und führt das Verfahren. Laut Stolkin war es die Lieblosigkeit im Umgang mit Theo, die menschenverachtende Arroganz, die Isolation und die Selbstgerechtigkeit der Ärzt*innen, die Theo das Leben gekostet haben.
10. Anklageerhebung (23.04.2025)
- Bezüglich des Falles von Theo wurde am 23. April 2025 das Untersuchungsverfahren abgeschlossen und die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben.
- Sie klagt eine Oberärztin und den leitenden Oberarzt wegen vorsätzlicher und fahrlässiger Tötung durch Unterlassung an.
- Gefordert wird eine unbedingte Freiheitsstrafe von sechs Jahren gegen die Oberärztin und eine bedingte Freiheitsstrafe von zwei Jahren gegen den leitenden Oberarzt.