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Menschenrechte schützen: KI regulieren

10.06.2025

Die Schweiz hat den Regulierungsbedarf in Bezug auf Künstliche Intelligenz anerkannt. Der Bundesrat hat die KI-Konvention des Europarats unterzeichnet und das Bundesamt für Justiz beauftragt, bis Ende 2026 Gesetzesentwürfe zur Ratifizierung der Konvention auszuarbeiten. Der Bundesrat müsste jedoch entschiedener vorgehen um Menschen- und Grundrechte im Umgang mit KI umfassend zu schützen.

Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) werden immer mehr eingesetzt – und oft wird über ihre möglichen Chancen und Risiken in der Zukunft spekuliert. Die Entwicklung und der Einsatz der Systeme wirken sich aber schon heute und tatsächlich auf Mensch und Gesellschaft aus. Zum Beispiel, wenn Menschen beim Zugang zu Sozialleistungen von KI-Systemen diskriminiert werden, wie in den Niederlanden geschehen, oder wenn generative KI-Systeme in Suchmaschinen integriert werden und unzuverlässige Inhalte ausspucken, wie etwa eine Recherche von AlgorithmWatch CH im Vorfeld der letzten eidgenössischen Wahlen gezeigt hat.

Richtige Richtung, aber drohende Schutzlücken und fehlende Vision

Der Bundesrat hat in seinem Grundsatzentscheid zur Regulierung von KI vom 12. Februar 2025 anerkannt, dass KI zum Schutz der Grundrechte reguliert werden muss. Entsprechend hat er die KI-Konvention des Europarates unterzeichnet und das Bundesamt für Justiz beauftragt, bis Ende 2026 Gesetzesentwürfe zur Ratifizierung der Konvention auszuarbeiten. Dies ist ein wichtiges Signal, dass Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit im Umgang mit KI geschützt und gefördert werden müssen.

Allerdings ist zu befürchten, dass die Schweiz nur eine zaghafte Umsetzung der Konvention anstrebt und etwa Pflichten für private Akteure auf ein Minimum beschränkt. Damit drohen wesentliche Lücken, wenn es um den Schutz unserer Grundrechte geht, etwa vor Diskriminierung im Recruiting und am Arbeitsplatz, bei Versicherungen oder bei Bonitätsprüfungen.

Nur wenn die Schweiz die KI-Konvention entschlossen und ambitioniert umsetzt, können die Grundrechte ausreichend geschützt werden. Für die Entwicklung und den Einsatz von algorithmischen und KI-Systemen müssen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Bereich verbindliche Massnahmen getroffen werden, etwa wenn es um den Schutz vor Diskriminierung bei automatisierten Entscheiden geht.

Schäden verhindern und Nutzen für alle ermöglichen

Wenn die Schweiz sicherstellen will, dass KI allen Menschen zugutekommt, müssen wir die gesellschaftlichen Herausforderungen ernsthaft annehmen, mit denen die Technologie einhergeht. Was es dafür braucht, ist eine ganzheitliche Strategie, die den grösseren Kontext und die politische Ökonomie hinter KI nicht verkennt. Diese muss einerseits die negativen Auswirkungen der Technologie adressieren und andererseits Innovationen fördern, die dem Gemeinwohl dienen. Dazu gehören etwa auch die Regulierung von Online-Plattformen wie Social Media und Suchmaschinen, die der Bundesrat schon längst in die Vernehmlassung schicken sollte, sowie Massnahmen, die der Konzentration von Markt- und Meinungsmacht bei den grossen KI-Unternehmen begegnen.

Um gemeinwohlorientierte, demokratieförderliche und nachhaltige KI zu realisieren, brauchen wir Alternativen – und dafür müssen Infrastrukturen bereitgestellt und interdisziplinäre Forschung im öffentlichen Interesse, vielfältiger Journalismus, Bildung und Demokratiekompetenz gefördert werden. Wie diese Massnahmen aussehen können, zeigt AlgorithmWatch CH in seinem Positionspapier «Welche KI wollen wir? Rahmenbedingungen für Algorithmen & KI» auf.

KI muss so entwickelt und eingesetzt werden, dass sie tatsächlich allen Menschen nützt und nicht nur den Interessen einiger weniger dient. Wir müssen Verantwortung übernehmen und sinnvolle Rahmenbedingungen gestalten, um dafür zu sorgen, dass Technologie Grundrechte, Demokratie, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit tatsächlich befördert, statt sie zu schwächen.

Dr. Angela Müller und Estelle Pannatier, AlgorithmWatch CH