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Schutz für private Hausangestellte von Diplomaten

17.08.2011

Seit dem 1. Juli 2011 ist eine neue Verordnung des Bundesrates über die privaten Hausangestellten von Diplomaten (PHV) in Kraft. Diese regelt die Einreise-, Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen der privaten Hausangestellten von Personen, die in der Schweiz politische Immunität geniessen. Obwohl die Verordnung viele Empfehlungen einer eben erschienenen Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte erfüllt, steht insbesondere die Höhe des neu eingeführten Minimallohns in der Kritik. Im übrigen sind die nicht angemeldeten Hausangestellten weiterhin der Willkür ihrer Diplomaten-Arbeitgeber ausgeliefert.

Diplomatische Immunität

Die neue Verordnung des Bundesrates regelt die Einreise-, Aufenthalts- und Arbeitsbedingungen für die privaten Hausangestellten des Personals von diplomatischen Missionen, ständigen Missionen, konsularischen Posten und internationalen Organisationen. Die Verordnung betrifft eine in ihren Rechten besonders verletzliche Personengruppe, deren Vorgesetzte aufgrund ihrer Funktion Vorrechte, Erleichterungen und Immunitäten geniessen und somit in der Schweiz vor strafrechtlicher, zivilrechtlicher oder administrativer Verfolgung geschützt sind.

Die Neuerungen der Verordnung

Durch die neue Verordnung sind Arbeitgeber/-innen und Arbeitnehmer/-innen neu dazu verpflichtet, einen schriftlichen Arbeitsvertrag nach Vorlage des EDA abzuschliessen. Der auszuzahlende Anteil am Lohn beträgt netto mindestens 1200 Franken im Monat und muss in Schweizerfranken auf ein Bank- oder Postkonto in der Schweiz überwiesen werden, das ausschliesslich auf den Namen der oder des betreffenden Hausangestellten lautet.

Die Arbeitgeber müssen als Lohnbestandteil zudem eine angemessene Unterkunft und Verpflegung gewährleisten sowie verschiedene Vergütungen, beispielsweise alle Beiträge an Sozialversicherungen und die Prämien der Kranken- und Unfallversicherung, übernehmen. 

Weiter verpflichtet die Verordnung beispielsweise zur Einhaltung der vorgegebenen Arbeitszeiten, zum Ausgleich von Überzeitarbeit sowie zur Einhaltung der täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten, der Ferien und der Feiertage. Die privaten Hausangestellten müssen sich in ihrer Freizeit frei bewegen können und Zugriff auf ihre Personaldokumente wie Pass, EDA-Legitimationskarte oder Bankkarten haben.

Ausserdem werden künftig sämtliche privaten Hausangestellten bei der Ausstellung ihres Visums auf der Schweizer Auslandvertretung persönlich darüber informiert, an wen sie sich bei auftretenden Schwierigkeiten wenden können.

Kritik an der neuen PHV

Kritisiert wird an der neuen Verordnung insbesondere die Höhe des festgesetzten Minimallohns. Laut einem Artikel des Le Courrier monierte Luis Cid, der Gründer der Gewerkschaft ohne Grenzen (Syndicat sans Frontières, SSF), 1200 Franken im Monat grenzten an Sklaverei. Die neue Verordnung sei «ein Schritt zurück»,  sei für Hausangestellte doch bereits im Jahre 1981 ein Mindestlohn von monatlich 1650 Franken empfohlen worden. Luis Cid will deshalb Rekurs gegen die Verordnung einlegen. Weiter kritisierte er, der Schweizer Gesetzgeber verstosse gegen die Menschenrechte, wenn inländische Hausangestellte für dieselbe Arbeit einen höheren Lohn erhielten als ausländische Arbeitskräfte.

Normalarbeitsvertrag für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft

Damit spielt die Gewerkschaft ohne Grenzen unter anderem auf den Gesamtarbeitsvertrag (NAV Hauswirtschaft) an, den der Bundesrat am 20. Oktober 2010 für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Hauswirtschaft verabschiedet hat. Dieser garantiert  ungelernten Angestellten ohne Berufserfahrung einen Brutto-Mindestlohn von 18.70 Franken,  ungelernten Angestellten mit mehr als vier Jahren Berufserfahrung in der Hauswirtschaft 20.00 Franken und gelernten Hausangestellten mit einem Eidgenössischen Fähigkeitszeugnis (EFZ) 22.00 Franken pro Stunde. Die genannten Mindestlöhne sind für sämtliche Hausangestellte in privaten Haushalten bei einem Mindestbeschäftigungsgrad  von mehr als fünf Stunden pro Woche verbindlich. Einzig der Kanton Genf ist vom Geltungsbereich des NAV Hauswirtschaft des Bundesrates ausgenommen, weil er bereits einen Mindestlohn für Hausangestellte eingeführt hat. In allen anderen Kantonen gilt der NAV Hauswirtschaft vom 1. Jan. 2011 bis 31. Dez. 2013.

Verteidigung der neuen PHV

Wird das Mindestlohnniveau des Diplomaten-Personales mit jenem des NAV Hauswirtschaft verglichen, so bleibt auch unter Anrechnung von Kost und Logis sowie der übrigen Vergütungen für erstere eine Mindestlohndifferenz zugunsten der «gewöhnlichen» Hausangestellten gegenüber jenen in diplomatischen Haushalten.

Würde der Mindestlohn der privaten Hausangestellten ausländischer Diplomaten allerdings dem Niveau des NAV Hauswirtschaft angepasst, verdienten diese in einigen Fällen mehr als ihre Arbeitgeber, wird Martine Brunschwig Graf, Ombudsfrau für Streitfragen zwischen privaten Hausangestellten und Diplomaten in Genf, im Le Courrier zitiert. Brunschwig Graf verteidigt deshalb den in der neuen Verordnung festgelegten Mindestlohn von 1200 Franken monatlich. Da sämtliche Auslagen zum Lebensunterhalt übernommen würden, sei der Lohn akzeptabel. Eine Unterscheidung zwischen einheimischem Personal und Angestellten, welche anschliessend in ihr Heimatland zurückkehrten, in welchem der gleiche Betrag ein Vielfaches Wert sei, betrachtet Brunschwig Graf als legitim.

Die Nationalrätin Martine Brunschwig Graf nimmt eine in Genf im Jahre 1996 geschaffene Mediationsstelle («amiable compositeur») zur Beilegung von Streitfällen zwischen Hausangestellten und Diplomaten ein.

Neue Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte

Dass die neue Verordnung ein wichtiger und nötiger Schritt ist, zeigt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte zur Situation der Hausangestellten von Diplomaten. Für diese wurden Daten aus Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, England und der Schweiz erhoben. Das Spektrum der gemeldeten Vorfälle privater Hausangestellter von Personen  mit diplomatischer Immunität reicht von nicht ausbezahlten Überstunden bis hin zu sklavenähnlichen Verhältnissen, bei welchen die Hausangestellten auf dem Boden übernachten mussten, nicht ausreichend Nahrung bekamen, gar keinen Lohn erhielten oder das Haus nicht ohne Begleitung verlassen durften.

In der Studie wird die neue Verordnung der Schweiz als relativ fortschrittlich eingestuft. Als positiv gewertet werden insbesondere die zwingende Bezahlung der obligatorischen Versicherungen, das persönliche Informieren der Hausangestellten über ihre Rechte und Pflichten auf der amtlichen Anmeldestelle sowie die Durchsetzung eines landesweiten Mindestlohns.

Die Studie endet mit einer langen Reihe von Empfehlungen für die Gastgeberstaaten von Diplomaten, welche das Ziel haben, die Situation der privaten Hausangestellten zu verbessern. Ein guter Teil dieser Empfehlungen wird von der neuen schweizerischen Verordnung wenigstens auf formeller Ebene erfüllt.

Viele unangemeldete Hausangestellte

Einschränkend bleibt zu erwähnen, dass nach wie vor viele Hausangestellte gerade auch von Diplomaten illegal arbeiten und/oder gar keine Aufenthaltspapiere besitzen. Wegen der fehlenden Anmeldung beim schweizerischen diplomatischen und konsularischen Dienst sind all diese Personen auch durch die neue Verordnung nicht geschützt. In einem Artikel von swissinfo.ch ist zu lesen, dass die Zahl der nicht gemeldeten Angestellten in Privathaushalten in der Schweiz bei etwa 50'000 liege, Schätzungen von Experten zufolge könnten es allerdings auch doppelt so viele sein. Laut der neuen Studie des Deutschen Instituts für Menschenrechte waren im Oktober 2010 in Genf und Bern gerade einmal 533 Angestellte in diplomatischen Haushalten angemeldet.

Neue ILO-Konvention zum Schutz der Rechte von Hausangestellten

Am 16. Juni 2011 hat die Internationale Arbeits-Organisation (ILO) in Genf eine Konvention verabschiedet, welche die Rechte von Millionen von Hausangestellten weltweit stärken soll. Sie sieht unter anderem Mindestlöhne, geregelte Arbeitszeiten, Ferien und Anrecht auf Mutterschaftsurlaub vor und kann nun von den 182 Mitgliedstaaten ratifiziert werden. Allerdings wird die Frage der Hausangestellten von Personen mit diplomatischer Immunität, also zum Beispiel des internationalen Personals der ILO, im Rahmen dieser Konvention nicht behandelt.