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Strafvollzug: (Menschen-) rechtliche Leitlinien

25.08.2010

Der Schweizer Strafvollzug orientiert sich an verschiedenen rechtlichen Leitlinien. Dieser Artikel bietet – ausgehend von den menschenrechtlichen Vorgaben - eine grobe Übersicht über die wichtigsten internationalen, nationalen und kantonalen Rechtssätze und deren Implementierung in der Schweiz.

Richtlinien der UNO

UNO-Pakt II

Der UNO-Pakt II über bürgerliche und politische Rechte spricht die Rechte inhaftierter Personen nur sehr allgemein an. Das Verbot der Folter und unmenschlicher Behandlung, die spezifische Garantie auf menschenwürdige Haftbedingungen und das Recht auf Nahrung und Gesundheit können in diesem Zusammenhang erwähnt werden.

UNO-Konvention gegen Folter

Die Antifolterkonvention der UNO verpflichtet die Staaten, geeignete Massnahmen zur Verhinderung von Folter zu ergreifen. Im speziellen Fall von inhaftierten Personen sollen diese insbesondere den Schutz der körperlichen und seelischen Integrität garantieren.
Die Schweiz hat die Konvention vollumfänglich ratifiziert. Sie unterliegt somit sowohl dem Staaten- als auch dem Individualbeschwerdeverfahren. Vom Individualbeschwerderecht wurde bislang mehrere Male mit Bezug auf das Non-Refoulement-Prinzip Gebrauch gemacht.

Die UNO-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen («Nelson Mandela Rules»)

Im Dezember 2015 hat die UN-Generalversammlung die revidierte Fassung der «UN-Mindestgrundsätze für die Behandlung der Gefangenen» verabschiedet. Es handelt sich um international anerkannte Mindeststandards für menschenwürdige Haftbedingungen, welche den Gefängnisverwaltungen als Handlungsrichtlinie dienen sollten.

Weitere Regelwerke der UNO

Zur Sicherung der Rechte inhaftierter Personen sind im Laufe der Jahre von der Uno verschiedene Empfehlungen und Richtlinien ausgearbeitet worden. Eine Auflistung dieser Instrumente zu Rechten inhaftierter Personen befindet sich auf der Internetseite des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte (UNHCHR).

Europäische Instrumente und Richtlinien

Europäische Menschenrechtskonvention

Wie auch der UNO-Pakt II regelt die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) den Strafvollzug nicht explizit. Folgende Artikel der EMRK sind für den Strafvollzug aber von Relevanz: Das Verbot der Folter oder unmenschlicher und erniedrigender Strafe oder Behandlung (Art. 3 EMRK), die Garantie der persönlichen Freiheit (Art. 5 EMRK) und das Recht der Gefangenen auf Kontakt mit der Aussenwelt (Art. 8 EMRK).

Europäische Konvention gegen Folter

Zur Verhütung von Folter ist 1989 das Europäische Übereinkommen zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe von 1987 in Kraft getreten. Das Hauptziel dieser Konvention besteht in der Prävention von Folter gemäss Art. 3 EMRK. Zur Kontrolle besucht ein Ausschuss von Experten/-innen in den Mitgliedstaaten Anstalten, in welchen Personen von Behörden festgehalten werden. Zu den geprüften Einrichtungen gehören nebst Gefängnissen auch Jugendheime, psychiatrische Kliniken und militärische Institutionen. Per 1. Februar 1989 ist auch die Schweiz dem Übereinkommen beigetreten. Der Europäische Ausschuss für Folterprävention (CPT) hat die Schweiz bislang fünf Mal besucht. Die Ergebnisse und die Empfehlungen des CPT zu den Besuchen in der Schweiz sind auf der Website des Bundesamtes für Justiz publiziert.

Europäische Strafvollzugsgrundsätze

Das Europaparlament hat sich im Jahr 2001 gegen die Einführung einer rechtlich verbindlichen Europäischen Strafvollzugskonvention ausgesprochen. Für die Mitgliedstaaten gelten jedoch verschiedene Grundsatzempfehlungen des Europarates zum Thema Strafvollzug. Denn obwohl lediglich soft law, wird ihnen in der innerstaatlichen Gesetzgebung und Rechtsprechung eine starke Stellung zugeschrieben, da für die Staaten ein starker politischer und moralischer Druck zur Beachtung dieser Richtlinien besteht. Auch der Europäische Ausschuss zur Verhütung von Folter (CPT) setzt die Grundsatzempfehlungen als Massstab für die Beurteilung nationalen Rechts ein.
Bereits 1976 hat das schweizerische Bundesgericht in einem Entscheid festgehalten, die Empfehlungen des europäischen Ministerkomitees seien in der Gesetzgebung zu berücksichtigen. Das am 1. Januar 2007 in Kraft getretene revidierte Strafgesetzbuch der Schweiz berücksichtigt denn auch die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.

Die Justizdepartemente Deutschlands, Österreichs und der Schweiz haben die Empfehlungen des Europarats gemeinsam ins Deutsche übersetzt.

Ministerkomitees des Europarates

Das Ministerkomitee des Europarates hat Empfehlungen zu gefährlichen Tätern erlassen.

    Nationales und kantonales Recht

    Auf Bundesebene besteht in der Schweiz kein Strafvollzugsgesetz. In der Bundesverfassung sind zwar grobe Regeln zum Freiheitsentzug festgehalten, jedoch fehlen Bestimmungen zu den Haftbedingungen gänzlich. Auch bei der Revision des schweizerischen Strafgesetzbuchs ist die Regulierung des Vollzugs freiheitsentziehender Massnahmen auf nationaler Ebene unterlassen worden. Daher ist und bleibt das Strafvollzugsrecht vorläufig in kantonaler Hand.

    Auf Kantonsebene herrschen sowohl auf inhaltlicher als auch auf formeller Ebene grosse Unterschiede. So existiert in manchen Gebieten keine klare kantonale Regelsetzung. In solchen Fällen ist meist die Hausordnung der jeweiligen Vollzugsanstalt massgebend. Zur verstärkten gemeinsamen Regelung und Organisation von Strafvollzugsfragen haben sich die Kantone in drei Konkordate zusammengeschlossen: Ostschweiz, Nordwest- und Innerschweiz sowie Romandie und Tessin.

    Nationale Kommission zur Verhütung von Folter

    Zur Verhütung von Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und Bestrafung von Gefangenen sieht das Fakultativprotokoll zur UNO-Antifolterkonvention ein präventives Besuchssystem in den Gefängnissen vor. Diese verstärkte Kontrolle ist mit Inkrafttreten des Protokolls am 24. Oktober 2009 auch in der Schweiz in die Wege geleitet worden. Die neu gegründete nationalen Kommission zur Verhütung von Folter (NKVF) führt sowohl regelmässige als auch unangemeldete Besuche in Schweizer Gefängnissen durch und unterbreitet Lösungsvorschläge zur Behebung von Missständen.