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Gaslieferungsvertrag mit Iran - und die Menschenrechte?

31.03.2008

Die Schweiz, genauer die Elektrizitäts-Gesellschaft Laufenburg (EGL), hat mit der Islamischen Republik Iran einen Vertrag über die Lieferung von 5,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas jährlich abgeschlossen. Bundesrätin Micheline Calmy-Rey reiste zur Vertragsunterzeichnung nach Teheran und zeigte sich dort mit einem Kopftuch verhüllt den internationalen Medien. Sowohl der Vertragsabschluss wie auch die Reise der Aussenministerin gaben in den Schweizer Medien viel zu reden, wobei das Kopftuch fast mehr im Vordergrund stand als der Besuch an sich. Dabei ist die Kopftuchfrage eigentlich gar keine Frage: das Kopftuch für Frauen ist im iranischen Strafgesetz zwingend vorgeschrieben, und daran müssen sich selbstverständlich auch weibliche ausländische Staatsgäste halten. Dass ihnen dies nicht besonders viel Spass macht, ist anzunehmen und trifft sicher auch im Fall von Micheline Calmy-Rey zu; um so berechtigter ist die Frage, was sie dazu bewogen hat, Teheran trotzdem mit einem Besuch zu beehren?

Kein Staatsvertrag

Denn bei dem Gaslieferungsvertrag handelt es sich nicht um einen Staatsvertrag, sondern um ein Abkommen zwischen der Elektrizitäts- Gesellschaft Laufenburg und der iranischen Gasexportgesellschaft Nigec. Zwar gehört die EGL zur axpo und steht damit im Besitz der Ostschweizer Kantone, doch es ist nicht Sache des Bundes, solche Verträge abzuschliessen. Schweizerisch-föderalistische Feinheiten mögen für die zentralistisch und staatsmonopolistisch organisierten Iraner unverständlich sein, und vielleicht wünschten sie sich deshalb die Anwesenheit einer hohen Regierungsvertreterin bei der Vertragsunterzeichnung. Ein anderer Beweggrund wird aber schwerer gewogen haben: Das iranische Regime weiss sehr wohl, dass es um sein Ansehen in der Welt miserabel bestellt ist, und nimmt jede Gelegenheit für positive Propaganda eifrig wahr – was kommt da gelegener als der Besuch der Aussenministerin der wohlangesehenen Schweiz, die unter Anderem auch als eine Art Gütesiegel in den Bereichen Demokratie und Menschenrechte gilt?

Zweifellos ist dies in Micheline Calmy-Reys Departement hinlänglich bekannt. Es kann nur darüber spekuliert werden, warum der Besuch trotzdem stattgefunden hat: Wurde die Schweiz sachte erpresst («ohne Bundesrätin kein Vertrag»), oder wollte die Landesregierung im Interesse der Versorgungssicherheit dem Vertrag mehr offizielles Gewicht verleihen? Hoffte das EDA, mit dem Besuch könne dem Menschenrechtsdialog mit Iran, um den es in letzter Zeit eher still geworden war, ein neuer Auftrieb verschafft werden?

Dies leitet über zur zweiten wichtigen Frage, die die Schweizer Presse wie auch das Ausland nach Calmy-Reys Reise beschäftigte und die gerade vom Menschenrechtsstandpunkt her einiges bedeutender ist als das Kopftuch der Aussenministerin: Ist es überhaupt vertretbar, mit Iran Geschäfte abzuschliessen, einem Land, welches nach wie vor die Menschenrechte mit Füssen tritt und von der UNO wegen seinem Atomprogramm mit Sanktionen belegt wurde?

Scheinargumente

Leider zeigt sich bei einer etwas genaueren Untersuchung dieser Frage, dass sie zwar wichtig und berechtigt ist, gleichzeitig aber auch ein gehöriges Mass an Heuchelei enthält. So sind z.B. die UNO-Sanktionen, die am 3. März 2008 zum zweiten Mal verschärft wurden, immer noch ziemlich zahnlos und beschränken sich auf den Verkehr von Personen, Gütern und Finanzen, von denen vermutet wird, dass sie mit dem iranischen Atomprogramm in direkter Verbindung stehen. Die Ölindustrie ist von den Sanktionen nicht betroffen. Eine Kritik am schweizerisch-iranischen Gasliefervertrag unter Verweis auf die UNO-Sanktionen hätte also nur dann einen Sinn, wenn gleichzeitig auch die Sanktionen selbst kritisch beleuchtet würden.

Soll aber die Schweiz sozusagen in Eigenregie weiter gehen als die UNO und deren Sanktionen übertreffen? Sollte sie aus Bedenken über die Menschenrechtslage in Iran dieses Land wirtschaftlich boykottieren? Die Frage muss gestellt werden - obwohl sich in der jüngeren Geschichte kaum Beispiele finden lassen, die der Methode «Sanktionen für die Verbesserung der Menschenrechtslage» konkrete Erfolge bescheinigen würden; im Normalfall wird die Zivilbevölkerung leiden und das Regime sich in Märtyrerpose weiter festigen.

Erdöl aus Schurkenstaaten

Trotzdem ist die Frage die Diskussion wert – aber besser nicht nur in Bezug auf den aktuellen Gasliefervertrag, denn dies wäre ebenfalls ziemlich sinnlos: Die Schweiz konsumiert bereits jetzt Erdöl bzw. Erdölprodukte sowohl aus Iran als auch aus anderen sogenannten Schurkenstaaten. Allen voran ist hier Saudi-Arabien zu nennen, das im Menschenrechtsbereich einen miserablen Leistungsausweis hat, aber als Verbündeter der USA kaum je internationaler Kritik ausgesetzt ist. Zwar importiert die Schweiz nur in bescheidenem Masse Rohöl, welches in den Raffinerien zu Cressier und Collombey weiterverarbeitet wird. Die internationalen Erdölfirmen jedoch, welche z.B. ihr Benzin an Schweizer Tankstellen verkaufen, richten sich bei der Auswahl ihrer Fördergebiete nicht nach Menschenrechtskriterien. Trotzdem würde es niemandem einfallen, eine bestimmte solche Firma zu boykottieren, weil sie dem Diktator x oder dem Schurkenstaat y sein Öl abkauft. Es ist eine Tatsache, dass auch die westlichen Länder auf die Ölreserven des Nahen und Mittleren Ostens angewiesen sind, und offensichtlich sind Kompromisse hinsichtlich der Menschenrechte dabei nicht zu umgehen. Angesichts der komplexen Verflechtungen im internationalen Geschäft mit Erdöl und Erdgas ist die Unterscheidung zwischen der Schweiz als Direktimporteurin von iranischem Gas und der Schweiz als Land, welches internationalen Treibstoffkonzernen gestattet, in der Schweiz ihre Erdölprodukte zu verkaufen, haarspalterisch und irrelevant.

... und der schweizerisch-iranische Menschenrechtsdialog

Kehren wir zur Frage zurück, ob der Gasliefervertrag und die Reise Micheline Calmy-Reys nach Teheran auf den schweizerisch-iranischen Menschenrechtsdialog bzw. die Menschenrechtslage in Iran positive Auswirkunge zeitigen könnte? Hier ist Skepsis angebracht. Sicher kommt es der iranischen Bevölkerung kurzfristig zugute, dass die Islamische Republik weiterhin ihre Bodenschätze ins Ausland verkaufen kann; denn ansonsten würde die staatlich dominierte iranische Wirtschaft vollends zusammenbrechen. Gleichzeitig erlaubt es das Einkommen aus dem Verkauf von Rohstoffen dem Regime, bis auf absehbare Zeit fest und unabhängig vom Volkswillen im Sattel zu bleiben – und weiterhin nach Lust und Laune die Menschenrechte zu verletzen. Es ist möglich, aber nicht zwingend, dass die Schweiz dank des Gasvertrages als Gesprächspartner wieder (oder noch) ernster genommen wird, und vielleicht kann der Menschenrechtsdialog, dessen letzte Runde im Februar 2007 stattgefunden hat, wieder neu angekurbelt werden. Ob und wie wirksam dieser Dialog aber ist, und ob und welchen Einfluss der Gasvertrag auf ihn haben kann, wird sich aber erst noch weisen müssen.