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Die Empfehlungen von Durban I und die Antirassismuspolitik der Schweiz

Gemäss dem Beschluss der UNO-Generalversammlung von 2006 sollte die Nachfolgekonferenz zur Weltkonferenz gegen Rassismus dem Ziel gewidmet werden, die Umsetzung der 2001 in Durban gesetzten Ziele und Empfehlungen zu überprüfen, Fortschritte im Kampf gegen den Rassismus aufzuzeigen und durch die Identifizierung von konkreten Massnahmen und Initiativen ein Plattform zu bieten, um voneinander lernen zu können.

Der Ansatz war viel versprechend: Keine Gesellschaft und kein Staat kann von sich behaupten, vor Rassismus, insbesondere auch vor neuartigen Formen des Rassismus, gefeit zu sein. Gemeinsam wollte man in der Antirassismusarbeit weiterkommen. Die gesteckten Ziele der Konferenz – die Reflexion der eigenen Bemühungen zur Rassismusprävention – sind jedoch völlig aus dem Blickfeld verschwunden. Das wechselseitige «Shaming und Blaming» trat in den Vordergrund und die Konferenz wurde für politische Ziele instrumentalisiert. Das Ziel der Überprüfung des Erreichten geriet aus den Augen. Wir versuchen in der Folge, ein paar Hinweise zu geben, wie eine solche Überprüfung für die Schweiz ausfallen würde.

Eine Analyse der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus

In der Schweiz hat sich die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) die Mühe gemacht, an die Empfehlungen von Durban zu erinnern und die seither ergriffenen Massnahmen an diesen zu messen. Sie identifizierte neun positive Punkte vor allem im Bereich Sensibilisierung für das Thema Rassismus und dessen verschiedene Erscheinungsformen sowie im Bereich Prävention von Rassismus. Positiv vermerkt werden sodann die im übrigen längst fälligen und für eine effiziente Rassismusbekämpfung zwingend notwendigen «Bestrebungen des Bundes und Engagement der Nichtregierungsorganisationen, ein kontinuierliches Monitoring zu Rassismus und Rassendiskriminierung aufzubauen».

Bei den negativen Punkten wird an erster Stelle der bis heute fehlende nationale Aktionsplan gegen Rassismus erwähnt. Sodann werden vor allem Beispiele der mangelnden institutionellen Verankerung der Rassismusbekämpfung moniert: Fehlende beziehungsweise schwach ausgebildete Opferberatung bei Rassendiskriminierung; mangelhafte Antidiskriminierungsgesetzgebung, fehlende Mechanismen zur Verankerung der Rassismusbekämpfung in den föderalen Strukturen, die fehlende Menschenrechtsinstitution. Und schliesslich wird auf Probleme mit der Bereitstellung genügender Mittel hingewiesen: Keine Strukturfinanzierung für Antirassimus-NGO, keine finanzielle Stärkung der bestehenden nationalen Institutionen EKR und Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRB).

Die Kritik von NGO-Seite

Die von der EKR bilanzierten Probleme struktureller bzw. institutioneller Art werden seit Jahren von NGO-Seite kritisiert – zum Beispiel im NGO Schattenbericht im Rahmen des periodischen Staatenberichtsverfahren vom August 2008 vor dem Ausschuss gegen Rassendiskriminierung (CERD). Die Probleme spiegeln sich auch in den Empfehlungen des Ausschusses wider.

Der Bundesrat zu den Empfehlungen von Durban 2001

Dass der Bundesrat den Empfehlungen von Durban wenig oder keine wegweisende Bedeutung zumisst, ergibt sich aus eben diesem Staatenberichtsverfahren: Der Ausschuss gegen Rassendiskriminierung hatte 2002 die Schweiz um Informationen zu den Aktionsplänen und zu anderen getroffenen Massnahmen zur Umsetzung der Erklärung und des Aktionsprogramms von Durban auf nationaler Ebene gebeten (Ziff. 18 der Concluding Observation 2002). Der Bundesrat kam dieser Bitte nach und bilanzierte in seinem Staatenbericht, den er Ende 2006 an den CERD übermittelte, seine Tätigkeit im Gefolge der Durban Abschlussdokumente wie folgt:

«Die Schweiz hat sich aktiv und erfolgreich an der Vorbereitung und Durchführung der Weltkonferenz gegen Rassismus beteiligt. Die Teilnahme der Schweiz an der Weltkonferenz war weder Anfang noch Ende eines Prozesses, sondern ein Schritt unter vielen. Sie ist dabei, die Instrumente zum Schutz gegen Diskriminierung, Sensibilisierung und zur Prävention auszubauen. Die Umsetzung der Resultate der Weltkonferenz bedarf daher nicht eines neu zu konzipierenden Aktionsplanes. Es geht vielmehr darum, vor dem Hintergrund der Erfahrungen von Durban Bestehendes kritisch zu hinterfragen und entsprechend Prioritäten zu setzen.» (Ziff. 355)

An die Hand genommen hat der Bundesrat – wie der Bericht der EKR zeigt – vor allem die Sensibilisierung und Prävention. Die hier erzielten – zweifellos bedeutenden Fortschritte - verdanken sich teilweise der EKR selbst und vor allem auch der 2001 ins Leben gerufenen Fachstelle für Rassismusbekämpfung und deren Fonds «Projekte gegen Rassismus und für die Menschenrechte».

Mangelhafte Umsetzung in vielen Kantonen

Fast ausnahmslos fehlen allerdings Bemühungen auf der institutionellen Ebene: Vor allem die Kantone, in deren Kompetenz ein grosser Teil der Antirassismusarbeit fällt (Polizei, Bildung, Gesundheitswesen, Sozialhilfe), konnten bis heute nicht in die Pflicht genommen werden. Nur vereinzelt kommen diese zum Beispiel der Verpflichtung nach, professionelle Beratung für Rassismusopfer zur Verfügung zu stellen und adäquat zu finanzieren. Städtische oder kantonale Ombudsstellen, die bei rassistischer Diskriminierung durch Behörden tätig werden könnten, gibt es gerade mal 8 in der Schweiz; die meisten haben im Zeitpunkt von Durban 2001 bereits bestanden. Auch haben die wenigsten Kantone unabhängige Beschwerdeverfahren für Opfer von Polizeigewalt geschaffen.

Eine unabhängige Menschenrechtsinstitution, die zu schaffen die Schweiz immer und immer wieder von den verschiedenen Menschenrechtsorganen der UNO und des Europarates aufgefordert wird, konnte bis heute nicht verwirklicht werden und scheitert dem Vernehmen nach ebenfalls am Desinteresse der Kantone. Schliesslich gibt es bezüglich der ebenfalls regelmässig kritisierten mangelhaften und wenig effektiven Antidiskriminierungsgesetzgebung in der Schweiz seit 2001 keinen Schritt nach vorn zu vermelden.