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CSR-Vorgaben der Europäischen Union

29.05.2007

Mit einem im Herbst 2011 veröffentlichten Strategiepapier schlägt die EU-Kommission bei der sozialen Verantwortung von Unternehmen einen neuen Weg ein: Sie setzt nicht mehr nur auf freiwillige Massnahmen der Unternehmen, sondern fordert die EU-Staaten auf, die UNO-Richtlinien über Wirtschaft und Menschenrechte (d.h. die «Guiding Principles» des UNO-Sonderbeauftragten John Ruggie) teilweise in verbindliches Recht umzusetzen. Damit geht die EU einen Schritt weiter als andere internationale Organisationen, welche bis anhin ausschliesslich auf die freiwillige Initiative von Unternehmen setzen.

Freiwilligkeit und Anreize

Die Debatte über die Verantwortung von Unternehmen wurde durch das Europäische Parlament initiiert, das bereits 1999 einen europäischen Verhaltenskodex («European Code of Conduct») für in Europa ansässige TNCs forderte. Darin sollten die in Entwicklungsländern tätigen Unternehmen gesetzlich verpflichtet werden, bestimmte soziale Mindeststandards einzuhalten sowie deren Einhaltung transparent zu überwachen.

Die Europäische Kommission lehnte dazumals das Konzept verbindlicher, gesetzlich durchsetzbarer Mindeststandards ab und verfolgte ein auf Freiwilligkeit der Unternehmen basierendes Konzept der «Corporate Social Responsibility (CSR)». Die Europäische Union vertrat dabei die Auffassung, dass Unternehmen ihre Handlungsfreiheit durch eine freiwillige Übernahme ausserrechtlicher Standards sowie einen Dialog mit Betroffenen dann einschränken sollten, wenn a) die Menschenrechte verletzt werden, b) nationale Rechtsordnungen keinen ausreichenden Schutz bieten und c) internationale Schutzmechanismen fehlen.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedsstaaten wollten positive Anreize gegenüber Unternehmen schaffen, indem aufgezeigt wurde, wie europäische Unternehmen zur Verwirklichung von Menschenrechten und Umweltstandards beitragen können.

Multi-Stakeholder-Forum

Aufbauend auf dem im Juli 2001 von der Kommission vorgelegtem Grünbuch «Europäische Rahmenbedingungen für die soziale Verantwortung der Unternehmen» wurde erkannt, «dass Gemeinschaftsmassnahmen im Bereich CSR als sinnvoll angesehen werden».

Im Gegensatz zur Forderung des Europäischen Parlaments nach verbindlichen Regeln sah die Kommission damals den Dialog mit der Wirtschaft als «sinnvolle Gemeinschaftsmassnahmen» und startete ein Multi-Stakeholder-Forum zu CSR, welches die Wirksamkeit und Glaubwürdigkeit bestehender Verhaltenskodizes diskutiert, Möglichkeiten zur Förderung der Konvergenz auf europäischer Ebene sucht sowie Leitlinien für Performance-Kriterien, Berichterstattung und Vertrauensbildung erarbeiten soll. Das Multi-Stakeholder-Forum wurde durch die Kommission um ein Netzwerk mit Industrieverbänden, die „European Alliance for Corporate Responsibiltiy“ erweitert. Für das Europäische Parlament war dies aber nicht genug. Es forderte in seiner Entschliessung vom März 2007 weiterhin verbindliche Standards und einen Wechsel von einer Debatte über Prozesse zu Ergebnissen.

Verbindliche Sanktionen

Die nun vorgelegte «Neue EU-Strategie (2011-14) für die soziale Verantwortung von Unternehmen (CSR)» bekennt sich zumindest teilweise zu solch verbindlichen Regelungen. Die neue Strategie, welche sich formell ans Europäische Parlament richtet, verbindet freiwillige und verbindliche Massnahmen und will mit einem Aktionsplan die EU-Kommission selbst, die Mitgliedstaaten sowie die Unternehmen aktiv werden lassen. Die Mitgliedstaaten werden aufgefordert, bis Ende 2012 konkrete Pläne vorzulegen, wie sie die so genannten «Ruggie-Guidelines» in nationales Recht umsetzen wollen. Auch in der EU tätige Schweizer Unternehmen dürften von der neuen EU-Strategie betroffen sein, so insbesondere bei Ausschreibungen im öffentlichen Beschaffungswesen.

Dass die Europäische Union ihre politischen Interessen auch durch wirtschaftlichen Druck und ein umfangreiches Investitions- und Handelsverbot zu bekräftigen imstande ist, zeigt im Übrigen auch der Fall des Militärregimes in Myanmar (Burma). Ab 2004 untersagte die Europäische Union den in ihren Mitgliedsländern ansässigen Firmen und Finanzinstitutionen, in Burma tätig zu sein, um so das Militärregime zu schwächen und den Weg zu einer Demokratisierung des Landes zu ebnen. Nach der Durchführung von Parlamentswahlen und Reformbemühungen des südostasiatischen Landes lockerte die EU im Frühjahr 2012 die Sanktionen wieder.

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