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Das neue Kinder- und Erwachsenenschutzrecht tritt definitiv 2013 in Kraft

30.11.2012

Der Bundesrat hat am 7. November 2012 die Ausführungsbestimmungen zum neuen Erwachsenenschutzrecht erlassen. National- und Ständerat hatten sich in der Wintersession klar für die neuen Bestimmungen im Zivilgesetzbuch zum Erwachsenenschutz, Personenrecht und Kindesrecht ausgesprochen (Nationalrat: 191 gegen 2 Stimmen; Ständerat: einstimmig). Damit wird das fast 90jährige Vormundschaftsrecht abgelöst durch einige wichtige neue Bestimmungen. Bereits nach den Erstberatungen im Parlament waren die bedeutungsvollsten Entscheide gefallen. Die Differenzen, die es in der Wintersession noch zu beheben galt, waren gering.

Besserer Schutz für urteilsunfähige Personen

Die nun verabschiedete Revision geht grundsätzlich in die richtige Richtung, weil die bisher geltenden kantonal unterschiedlichen vormundschaftlichen Massnahmen vereinheitlicht, mehr Transparenz geschafft und die Rechtsstaatlichkeit und Professionalität gewährleistet werden. Zu den zentralen Errungenschaften der nun verabschiedeten Gesetzesänderungen gehört etwa der sogenannte Vorsorgeauftrag, mit dem eine Person rechtzeitig bestimmen kann, wie sie sich betreuen lassen will oder wer die rechtlchen Angelegenheiten besorgen soll, sollte sie einmal urteilsunfähig werden. Zugleich wird die Möglichkeit eine Patientenverfügung aufzustellen, eingeführt.

Angehörigen einer urteilsunfähigen Person wird es durch die neuen Bestimmungen ausserdem leichter gemacht, diese bei alltäglichen Geschäften zu vertreten. Weiter werden die bisherigen Formen der Vormundschaft abgelöst durch eine Beistandschaft, welche je nach Bedürfnis unterschiedlich ausgestaltet sein kann und urteilsunfähige Personen, die in Heimen betreut werden, werden besser geschützt. Nicht zuletzt sieht das Gesetz vor, dass über Vormundschaftsfälle nur noch Fachgremien entscheiden dürfen.

Dennoch ist zu erwähnen, dass einige wichtige Forderungen von Fachorganisationen in den Räten leider keine Berücksichtigung fanden. Am bedauerlichsten ist wohl, dass das neue Gesetz leider keine verbindliche Regelung für einen Kinderanwalt bei Kindesschutzverfahren vorsieht. 

Weiterführende Informationen

    Die Beratungen im Nationalrat

    Der Ständerat hatte das Geschäft als Erstrat bereits im September 2007 behandelt und wichtigen Erneuerungen zugestimmt. Er überging jedoch mehrere Anliegen von Fachorganisationen wie Egalité Handicap oder Kinderschutz Schweiz. Diese hofften nun auf Korrekturen durch den Nationalrat in der Herbstsession 2008. Hier zeigte sich in der Eintretensdebatte, dass der Bedarf für eine Revision bei allen Parteien unbestritten ist. Dennoch wollten Vertreter/innen der SVP das Geschäft an den Bundesrat zurückweisen, unter anderem weil sie durch die vorgesehenen neuen Bestimmungen Mehrkosten für die Kantone befürchten. Dieser Antrag wie auch entsprechende Abänderungsanträge der SVP fanden im Nationalrat keine Mehrheit.

    Doch auch die wichtigen Verbesserungsvorschläge der Fachorganisationen hatten keine Chance. Nur eine Minderheit untersützte etwa den Einzelantrag von Jacqueline Fehr (SP, ZH) nach einer verbindlichen Regelung der unabhängigen Verfahrensvertretung für Kinder (Art. 314abis Abs. 2). Das Netzwerk Kinderrechte, juristische Fachpersonen und die Eidgenössischen Kommission für Kinder- und Jugendfragen (EKKJ) hatten im Vorfeld der Beratungen im Nationalrat nochmals darauf hingewiesen, wie wichtig eine möglichst verbindliche Regelung für den Kindesschutz ist. Sie argumentierten, dass den betroffenen Erwachsenen bei Verfahren, in denen es um die Unterbringung des Kindes oder um die Regelung der elterlichen Sorge geht, häufig der Blick auf die Kinderinteressen verstellt ist. Mit der nun beschlossenen Regelung, obliegt es einzig dem Ermessen der Behörden, unabhängige Kindesvertretungen in Kindesschutzverfahren einzusetzen. Die Bestimmung droht damit gemäss dem Verein Kinderanwaltschaft Schweiz zum «nutzlosen Papiertiger» zu werden.

    Auch die Behindertenfachorganisationen scheiterten mit mehreren menschenrechtsrelevanten Verbesserungsanliegen, welche mittels Minderheitenanträge in die Debatte über den Erwachsenenschutz einflossen (Art. 387 Abs. 2, Art. 427, Art. 437 Abs 3, Art. 441a neu). Zwei wichtige Verbesserungen erzielten sie dennoch. So strich der Nationalrat etwa die Einweisung bei besonderer Dringlichkeit durch den Arzt ohne Untersuchung und Anhörung (Art. 430 Abs. 6) und fügte eine Frist von fünf Arbeitstagen für den Entscheid des Gerichts über eine fürsorgerische Unterbringung ein (Art. 450e Abs. 5).