29.12.2023
Unser neuer Podcast «Artikel Sieben» rückt die Menschenrechte in der Schweiz ins Zentrum. Einzelne Fälle machen gravierende Lücken im Menschenrechtsschutz sichtbar. In der vierten Folge geht es um die Rechte von nicht binären Menschen. Wir sprachen mit Alecs Recher. Alecs Recher hat den Verein Transgender Network Switzerland gegründet und war seit Anbeginn in der Advocacy-Arbeit und der Rechtsberatung tätig.
In den Schweizer Registern wird jede Person zwangsweise als weiblichen oder männlichen Geschlechts geführt. Während der EGMR und die Schweiz längst das Recht von trans Menschen anerkennen, innerhalb dieses binären Systems ihren Geschlechtseintrag ändern zu können, wird nicht binären Menschen dieses Recht auf Achtung des Privatlebens (Art. 8 EMRK) respektive der persönlichen Freiheit (Art. 10 BV) abgesprochen. Denn es gibt in der Schweiz keine Möglichkeit, mit einem anderen oder keinem Geschlecht staatlich erfasst zu sein.
Anders präsentiert sich die Situation in Staaten wie Deutschland oder Österreich, in denen das jeweilige Verfassungsgericht das Recht nicht binärer Menschen auf Anerkennung ihrer Geschlechtsidentität bejaht hat. Diesen unterschiedlichen Rechtslagen entspringt der Fall von Julian P.: Julian liess in Deutschland den Geschlechtseintrag streichen und wollte diese Streichung vom Heimatstaat Schweiz anerkennen lassen. Doch im Juni 2023 urteilte das Bundesgericht, dass diese Streichung des Geschlechtseintrags von der Schweiz nicht übernommen werden darf. Denn dies sei nicht mit den Grundsätzen der Registerführung vereinbar, und über diesen Willen des Gesetzgebers dürfe sich das Bundesgericht nicht hinwegsetzen – auch wenn die Situation tatsächlich unbefriedigend sei.
In der vierten Folge des Podcasts wird dieser Entscheid aus rechtlicher Perspektive besprochen und in die vielschichtigen gesellschaftlichen und politischen Diskurse eingeordnet. Denn im Schweizer Alltag – von Werbetexten, über Sprachleitfäden bis zu Restauranttoiletten – werden nicht binäre Menschen zunehmend mehr anerkannt, und im September beauftragte der Nationalrat den Bundesrat, Massnahmen zur Verbesserung der Situation von nicht binären Personen aufzuzeigen. Doch gleichzeitig nehmen die Angriffe beispielsweise in den Medien zu. Nachgegangen wird deshalb auch der Frage, was diese unterschiedlichen Diskurse und Entwicklungen für die Menschen, um die es geht, bedeuten. Menschen, deren Geschlechtsidentität heute staatlich abgewertet wird, und die der gesellschaftspolitisch trägen Schweizer Politik gegenüberstehen, in der sie bislang nicht vertreten sind.
«Artikel Sieben» wird herausgegeben von humanrights.ch und produziert von podcastlab.ch. Die einzelnen Folgen sind in allen Podcastkanälen zu hören oder können auf dieser Seite direkt abgespielt werden.
