02.04.2020
Im Folgenden finden sich einige Eckpunkte für das Verständnis der im internationalen Recht und in der Bundesverfassung verankerten kulturellen Rechte. Die Angaben dienen einer Einführung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundgehalt
Kulturelle Rechte ermöglichen es jeder Person, am kulturellen Leben teilzunehmen, und schützt den Zugang zu und die Teilhabe an kulturellen Traditionen, Veranstaltungen und medialen Kulturprodukten aller Art. Geschützt sind alle denkbaren Formen des Kunstschaffens. Der Ausschuss für wirtschaftliche, kulturelle und soziale Rechte bezieht beispielsweise auch Riten, Sport oder Zubereitungsarten für Nahrungsmittel in dieses Grundrecht mit ein.
Die unterschiedlichen Teilgehalte dieses Menschenrechts stehen teilweise in einem engen Bezug zu diversen Freiheitsrechten und dem Recht auf freie Meinungsäusserung.
Rechtsquellen
Die kulturellen Rechte werden sowohl von zahlreichen internationalen Menschenrechtsverträgen, als auch auf nationaler Ebene garantiert.
Pflichten des Staates
Individuen oder Gruppen sind die Rechtsträger/innen von Menschenrechten. Demgegenüber fallen den Staaten drei Pflichten zu: Die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht.
Achtungspflichten
Der Staat und seine Organe haben nicht gerechtfertigte Eingriffe in die kulturellen Rechte zu unterlassen. So beispielsweise:
- Gezielte Behinderung oder Verbot künstlerischer Tätigkeiten
- Zensur künstlerischer Produkte aufgrund politischer Interessen
- Willkürliche Beschränkungen dieses Rechts für bestimmte Bevölkerungsgruppen
Schutzpflichten
Der Staat und seine Organe müssen Massnahmen gegen Verletzungen kultureller Rechte durch nicht-staatliche Dritte (Privatpersonen, Unternehmen etc.) ergreifen. So beispielsweise:
- Sicherstellung der öffentlichen Präsentation und Vermittlung von Kunst
- Schutz, damit entsprechende Aktivitäten von Dritten nicht verhindert werden
Gewährleistungspflichten
Der Staat und seine Organe müssen institutionelle und materielle Voraussetzungen schaffen, um die volle Realisierung dieses Rechts zu gewährleisten. Dazu zählt beispielsweise:
- Staatliche Kulturförderung
- Zugang und Erhaltung von Kulturgütern
- Wirksame Beschwerdemöglichkeiten gegen Verletzungen dieses Rechts
Kerngehalt
Jeder Eingriff in den Kerngehalt eines Menschenrechts ist verboten. Ein klarer Eingriff in den Kernbereich kultureller Rechte stellt beispielsweise die systematische präventive Zensur dar.
Legitime Einschränkungen
Kulturelle Rechte dürfen nur eingeschränkt werden, wenn die allgemeinen Bedingungen für Eingriffe in Grund- und Menschenrechte erfüllt sind. Dafür muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden und die Einschränkung notwendig und verhältnismässig sein, um die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Sittlichkeit sicherzustellen, oder die Grund- und Menschenrechte anderer zu wahren.
Beispiele für legitime Einschränkungen:
- Altersbeschränkung für den Besuch bestimmter kultureller Veranstaltungen aus Gründen des Jugendschutzes
- Beschlagnahmen von rassistischen Werken
- Verbot kulturell legitimierter Handlungen, welche gegen geltendes Recht verstossen, z.B. der Gebrauch von Drogen an einer Veranstaltung
Kontroverse Themen
- Affaire um den Roman «Die satanischen Verse» von Salman Rushdie
Kunstfreiheit und das Verbot des Beleidigens religiöser Gefühle: Wo liegt die Grenze?
Ausgewählte Rechtsprechung und Empfehlungen
- Zulässigkeit des Einzuges unzüchtiger Bilder
Müller u.a. gegen die Schweiz, Beschwerde-Nr. 10737/84, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 24. Mai 1988 (Englisch)
Online-Texte zur Vertiefung
- Mythos Kunstfreiheit
Zeit online, Januar 2018 - Right of everyone to take part in cultural life
Allgemeine Bemerkungen Nr. 21 des UNO-Sozialausschusses, 21. Dezember 2009 (Englisch, pdf, 18 S.) - Der Kunstbegriff des Rechts im Kontext der Gesellschaft
Christoph Beat Graber, erschienen in: Kunstfreiheit und Unabhängigkeit der Kunstschaffenden, Zürich 2004, S. 91–111 (pdf, 25 S.) - Der Kunstbegriff im Verfassungsstaat
Stefan Huster, Berlin, 2006 (pdf, 32 S.)
Inhaltlich verwandte Menschenrechte
- Meinungsäusserungs- und Informationsfreiheit
- Minderheitenrechte
- Religionsfreiheit
- Gedanken- und Gewissensfreiheit
- Wissenschaftsfreiheit