08.10.2018
Im Folgenden werden einige Eckpunkte für das Verständnis des im internationalen Recht und in der Bundesverfassung verankerten Menschenrechts auf Schutz der Familie dargelegt. Die Angaben dienen einer Einführung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundgehalt
Das Menschenrecht auf Schutz der Familie schützt das Zusammenleben des Menschen mit seiner Familie. Unter den Begriff «Familie» fallen die Beziehungen zwischen Personen, die in der jeweiligen Gesellschaft als Familie betrachtet werden. Der Schutzbereich ist folglich vom jeweiligen Kontext abhängig. Der Schutz der Familie erfasst umfasst unter anderem folgende Aspekte:
- Die Zusammenführung und das Zusammenbleiben von Mitgliedern einer Familie
- Der Kontakt von Eltern zu ihren Kindern nach einer Scheidung
- Die Gewährleistung des Kontakts zu einem ausserhalb der Ehe geborenen Kind
Rechtsquellen
Der Schutz der Familie wird sowohl von zahlreichen internationalen Menschenrechtsverträgen, als auch auf nationaler Ebene garantiert.
Pflichten des Staates
Individuen oder Gruppen sind die Rechtsträger/innen von Menschenrechten. Demgegenüber fallen den Staaten drei Pflichten zu: Die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht.
Achtungspflichten
Der Staat und seine Organe haben nicht gerechtfertigte Eingriffe in das Recht auf den Schutz der Familie zu unterlassen. So beispielsweise:
- die Trennung von Eltern und Kindern ohne zureichenden Grund
- das Verhindern von Kontakten zwischen Inhaftierten und ihren Angehörigen
Schutzpflichten
Der Staat und seine Organe müssen Massnahmen gegen Verletzungen der Rechts auf den Schutz der Familie durch nicht-staatliche Dritte (Privatpersonen, Unternehmen etc.) ergreifen. So beispielsweise:
- Sicherstellen des Kontakts eines Kindes zum obhuts- oder besuchsberechtigten Elternteil
- Massnahmen zur Verhinderung von Kindsentführungen durch einen Elternteil
Gewährleistungspflichten
Der Staat und seine Organe müssen institutionelle und materielle Voraussetzungen schaffen, um die volle Realisierung dieses Rechts zu gewährleisten. Dazu zählt beispielsweise:
- wirksame Beschwerdemöglichkeiten gegen Verletzungen des Rechts auf Schutz des Familienlebens
- der Familiennachzug im Asyl- und Ausländerrecht
- die Gewährlsitung des Kontakt der Kinder zu beiden Elternteilen im Scheidungsrecht
Legitime Einschränkungen
Das Recht auf Schutz der Familie darf nur eingeschränkt werden, wenn die allgemeinen Bedingungen für Eingriffe in Grund- und Menschenrechte erfüllt sind. Dafür muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden und die Einschränkung notwendig und verhältnismässig sein, um die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Sittlichkeit sicherzustellen, oder die Grund- und Menschenrechte anderer zu wahren.
Beispiele für legitime Einschränkungen:
- Kinderschutzmassnahmen wie zum Beispiel die Trennung eines Kindes von seinen Eltern zum Wohl des Kindes
- Ausweisung eines delinquenten ausländischen Familienangehörigen zum Schutz der öffentlichen Ordnung und zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen
- Altersbeschränkung für Familiennachzug
Kontroverse Themen
- Empfehlungen des Menschenrechtskommissars zur Familienzusammenführung
Familiennachzug für Flüchtlinge?
Artikel auf humanrights.ch, 30. Januar 2018 - Bleiberecht für eine Mutter aufgrund des schweizerischen Bürgerrechts ihres Kindes? Zwei Einzelfälle, zwei Entscheide
Bleiberecht für Familienangehörige
Artikel auf humanrights.ch, 22. Mai 2018 - Strenge Voraussetzungen und Diskriminierungen beim Familiennachzug
An welche Voraussetzungen darf der Familiennachzug geknüpft werden?
Artikel auf humanrights.ch, 15. Mai 2012
Ausgewählte Rechtsprechung und Empfehlungen
- Schweizer Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte – Artikel 8 EMRK
Dokumentation auf humanrights.ch - Elternrechte
Informationsblatt zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (pdf, 19 S.) - Internationale Kindsentführung
Informationsblatt zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (pdf, 10 S.) - Leihmutterschaft: Kehrtwende der Grossen Kammer des Europäischen Gerichtshofes
Paradiso und Campanelli gegen Italien, Beschwerde-Nr. 25358/12, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 24. Januar 2017 - Italien muss die gleichgeschlechtliche Partnerschaft einführen
Enrico Oliari und weitere gegen Italien, Beschwerde-Nrn. 18766/11 und Nr. 36030/11, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 21. Juli 2015 - EGMR zu Ausschaffungsfall: Recht auf Familienleben geht vor
Udeh gegen die Schweiz, Beschwerde-Nr. 12020/09, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 16. April 2013 - EGMR verurteilt Diskriminierung von Vätern nichtehelicher Kinder
Zaunegger gegen Deutschland, Beschwerde-Nr. 22028/04, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 3. Dezember 2009 - Besuchsrecht eines getrennt lebenden Vaters
L.P. gegen die Tschechische Republik, Beschwerde-Nr. 946/2000, Entscheid des UNO-Menschenrechtsausschusses, 19. August 2002 - Pass-Konfiszierung
El Dernawi gegen Libyen, Beschwerde-Nr. 1143/2002, Entscheid des UNO-Menschenrechtsausschusses, 15. August 2002
Online-Texte zur Vertiefung
- Schutz der Familie, Recht auf Ehe und Gleichheit von Ehepartner/innen (Protection of the Family, the Right to Marriage and Equality of the Spouses)
Allgemeine Bemerkungen Nr. 19 des UNO-Menschenrechtsausschusses, 27. Juli 1990 (Englisch) - Gleichheit in Ehe und Familienbeziehungen (Equality in Marriage and Family Relations)
Allgemeine Bemerkungen Nr. 21 des UNO-Ausschusses gegen die Diskriminierung der Frau, 1994 (Englisch)