28.09.2018
Im Folgenden finden sich einige Eckpunkte für das Verständnis des im internationalen Recht und in der Bundesverfassung verankerten Menschenrechts auf Schutz der Privatsphäre. Die Angaben dienen einer Einführung und erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit.
Grundgehalt
Der Schutz der Privatsphäre soll die freien Entwicklung und Entfaltung der Inviiduen ermöglichen. Unter anderem sind folgende Aspekte durch die Privatsphäre erfasst:
- Die Freiheit von staatlicher Überwachung der privaten Umgebung
- Der Anspruch auf Achtung zwischenmenschlicher Beziehungen, z.B. das Recht auf sexuelle Beziehungen
- Die physische und psychische Integrität, etwa Schutz vor Handgreiflichkeiten und anderen Übergriffen
- Das Verfügungsrecht über den eigenen Körper
- Die Speicherung, Verwendung und Verwertung privater Daten (Datenschutz)
- Die persönliche Identität, wozu der Namen, die Bekleidung, die Haartracht, usw. gehören
- Die Kenntnis der eigenen familiären Herkunft (biologische Elternschaft)
- Das soziale Ansehen, d.h. die Ehre und der gute Ruf einer Person
- Die Freiheit von schädlichen Immissionen, etwa durch Umweltverschmutzung oder Fluglärm
Rechtsquellen
Die Privatsphäre wird sowohl von zahlreichen internationalen Menschenrechtsverträgen, als auch auf nationaler Ebene garantiert.
Pflichten des Staates
Individuen oder Gruppen sind die Rechtsträger/innen von Menschenrechten. Demgegenüber fallen den Staaten drei Pflichten zu: Die Achtungs-, Schutz- und Gewährleistungspflicht.
Achtungspflichten
Der Staat und seine Organe haben nicht gerechtfertigte Eingriffe in die Privatsphäre zu unterlassen. So beispielsweise:
- die willkürliche Überwachung von Individuen in Privatwohnungen
- das Abhören von Telefongesprächen ohne richterlichen Beschluss
Schutzpflichten
Der Staat und seine Organe müssen Massnahmen gegen Verletzungen der Privatsphäre durch nicht-staatliche Dritte (Privatpersonen, Unternehmen etc.) ergreifen. So beispielsweise:
- Schutz vor physischen Übergriffen durch Dritte
Gewährleistungspflichten
Der Staat und seine Organe müssen institutionelle und materielle Voraussetzungen schaffen, um die volle Realisierung dieses Rechts zu gewährleisten. Dazu zählt beispielsweise:
- wirksame Beschwerdemöglichkeiten gegen Verletzungen des Rechts auf Schutz der Privatsphäre
- Schutz von Daten
Kernbereich
Jeder Eingriff in den Kernbereich eines Menschenrechts ist verboten. Der Kernberereich der Privatsphäre ist unter anderem durch die Gedanken- und Gewissensfreiheit geschützt. Diese darf unter keinen Umständen eingeschränkt werden.
Legitime Einschränkungen
Die Privatsphäre darf nur eingeschränkt werden, wenn die allgemeinen Bedingungen für Eingriffe in Grund- und Menschenrechte erfüllt sind. Dafür muss eine gesetzliche Grundlage vorhanden und die Einschränkung notwendig und verhältnismässig sein, um die öffentliche Ordnung, Sicherheit oder Sittlichkeit sicherzustellen, oder die Grund- und Menschenrechte anderer zu wahren.
Beispiele für legitime Einschränkungen:
- Erkennungsdienstliche und andere Massnahmen der Polizei zur Aufklärung von Straftaten, insbesondere gerichtlich angeordnete Zwangsmassnahmen wie z.B. die Überwachung der Briefpost und der elektronischen Kommunikation oder eine Hausdurchsuchung
- Lebenserhaltende medizinische Behandlung von Kindern gegen den Willen der Eltern, medizinische Untersuchungen durch den Schularzt sowie Impfzwang
Kontroverse Themen
- Kantonales Bedrohungsmanagement - eine gefährliche Entwicklung
Wird die Privatsphäre zugunsten der Sicherheit geopfert?
Artikel auf humanrights.ch, 1. Mai 2018 - Google Street View tangiert die Privatsphäre
Ist der Schutz der Privatsphäre im Zeitalter des Internets möglich?
Artikel auf humanrights.ch, 22. Juni 2012 - Private Videoüberwachung im öffentlichen Raum - ein Beweisstück?
Dürfen private Überwachungsvideos als Beweisstück herangezogen werden?
Artikel auf humanrights.ch, 18. September 2018 - Grundrechtsprobleme im Umgang mit gewalttätigen Hooligans
Dürfen Besuchende einer Sportveranstaltung präventiv durch private Sicherheitsunternehmen einer Leibesvisitation unterzogen werden?
Artikel auf humanrights.ch, 17. Januar 2014 - Observation von Sozialversicherten: Referendum gegen ein massloses Gesetz
Einsatz von Privatdetektiven durch Sozialversicherungen: Was dürfen diese beobachten?
Artikel auf humanrights.ch, 5. April 2018
Ausgewählte Rechtsprechung und Empfehlungen
- Datenschutz
Informationsblatt zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (pdf, 7 S.) - Recht am eigenen Bild
Informationsblatt zur Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (pdf, 3 S.) - Verletzung von Art. 8 EMRK wegen unzureichender rechtlicher Grundlage für Überwachungsmassnahmen durch eine Versicherung
Vukota Bojic gegen die Schweiz, Beschwerde-Nr. 61838/10, Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, 18. Oktober 2016 - Der Staat darf das soziale Ansehen nicht untergraben
Birindwa and Tshisekedi gegen Zaire, Beschwerde-Nrn. 241 und 242/1987, Entscheid des UNO-Menschenrechtsausschusses, 2. November 1989 (Englisch, pdf, 9. S.)
Online-Texte zur Vertiefung
- Recht auf Privatsphäre (Right to Privacy)
Allgemeine Bemerkungen Nr. 16 des UNO-Menschenrechtsausschusses, 28. September 1998 (Englisch) - Überwachung
Dossier von Amnesty International