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Bevorzugung von Frauen, um Gleichstellung zu erreichen

04.06.2010

 

Die Redaktion von humanrights.ch hat die NGO-Koordination post Beijing Schweiz gebeten, ein wichtiges ungelöstes Menschenrechtsproblem in der Schweiz aus ihrer Sicht darzustellen. Der nachstehende Text wurde von Vivian Fankhauser-Feitknecht verfasst.

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Schon 1995 in Beijing wurde festgehalten, dass Frauenrechte Menschenrechte sind. Nach wie vor erhalten Verletzungen von Frauenrechten aber nicht dieselbe Aufmerksamkeit wie andere Menschenrechtsverletzungen, die offensichtlicher als solche wahrgenommen werden. In der Schweiz am augenscheinlichsten sind die Verletzungen im Bereich der massiven Lohnungleichheit sowie der Überpräsenz von Männern in Entscheidpositionen in Politik und Wirtschaft. Eine wesentliche Möglichkeit dagegen vorzugehen bleibt ungenutzt.

Die Frauenkonvention CEDAW geht weiter als die Bundesverfassung, indem ihre Bestimmungen nur für Frauen gelten. Sie will nicht nur Chancengleichheit, sondern, dass Frauen auch im Ergebnis Gleichheit erhalten. Art. 4 Abs. 1 CEDAW sieht ausdrücklich vor, dass so genannte zeitweilige Sondermassnahmen zur beschleunigten Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung nicht als Diskriminierung gelten. Dies bedeutet, dass durchaus Frauen den Männern bei der Besetzung von Stellen vorgezogen werden sollen.

Der CEDAW-Ausschuss zeigt sich deshalb besorgt, dass Frauenquoten vom Bundesgericht abgelehnt worden sind, obwohl die Frauen noch massiv untervertreten sind. Bisher hat sich das Bundesgericht erst ein einziges Mal mit Art. 4 Abs. 1 CEDAW auseinander gesetzt, obwohl das Gericht das Recht zu kennen und anzuwenden hat, auch wenn die RechtsvertreterInnen sich nicht darauf berufen.

Es ist an der Zeit, dass die Gerichte auch CEDAW mit der gleichen Selbstverständlichkeit berücksichtigen wie die Kinderrechtskonvention und die EMRK. Die Gerichte sind aufgerufen, der tatsächlichen Gleichstellung nicht Steine in den Weg zu legen, sondern sie endlich im Interesse aller Wirklichkeit werden zu lassen.