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Jeremy Fatton: Art. 59

13.06.2017

Jeremy Fatton war 2014 wegen Körperverletzung zu dieser Massnahme verurteilt worden. Er hatte einen Unbekannten angegriffen und massiv auf ihn eingeschlagen. Fatton sagt heute, er habe dem Mann einen Ring stehlen wollen. Die Gewalt, die er angewendet habe, sei auf seine Diabeteserkrankung zurückzuführen. Er sei unterzuckert gewesen, was bei ihm zu Kontrollverlust und erhöhter Aggressivität führe. Ein psychiatrisch-medizinisches Gutachten attestierte Fatton jedoch, er habe zum Tatzeitpunkt unter Verfolgungswahn gelitten und sei schuldunfähig. Deshalb wurde eine stationäre therapeutische Massnahme angeordnet.

Fatton durchlebte anschliessend eine Odyssee durch verschiedene Gefängnisse, psychiatrische Kliniken und weiteren Institutionen. Er blieb jeweils nur wenige Monate an einem Ort, bevor er wieder verlegt wurde. Weshalb er wann wohin versetzt wurde, war ihm jeweils unklar. Die Antwort einer psychiatrischen Klinik auf unsere Nachfrage war, dass es schlicht monatelang vergessen gegangen war, Fatton aufzunehmen. Ein Jahr nach dem Urteil - Anfang 2017 - kam Fatton schliesslich in die geschlossene Spezialstation einer psychiatrischen Klinik. Dort wehrte er sich erfolglos gegen die Zwangsmedikation. Fatton beklagte, dass ihn niemand über seine Rechte und mögliche Nebenwirkungen der Medikamente aufgeklärt habe.

In dieser Zeit kontaktiere Fattons Mutter die Beratungsstelle Freiheitsentzug von humanrights.ch und bat um Unterstützung. Hier wurde die Geschichte ihres Sohnes aufgearbeitet und ein spezialisierter Anwalt eingesetzt. Dieser bemängelte gegenüber den Behörden, dass sich sein Klient seit Ende 2015 in ungeeigneten Einrichtungen befinde und ihm unter Zwang und ohne rechtliche Verfügung Medikamente verabreicht würden. Aufgrund der Intervention des Anwalts wurde Fatton in eine grosse psychiatrische Klinik verlegt.

Besonders problematisch am Fall Fatton ist, dass für ihn nie ein Vollzugsplan erstellt worden war. Dies ist gesetzeswidrig und wurde bereits von der Kommission zur Verhütung von Folter grundsätzlich kritisiert. So fordert auch Fattons Anwalt, dass die Massnahme nach Art. 59 aufgrund des fehlenden Vollzugsplans aufzuheben und eine ambulante Therapie vorzusehen sei. Zudem soll auch die Diagnose Fatton’s nochmals überprüft werden: Die Möglichkeit, dass seine Tat mit seiner Diabetes-Erkrankung und gar nicht mit dem diagnostizierten Verfolgungswahn in Zusammenhang gestanden hat, wurde im medizinischen Gutachten offengelassen und nicht weiterverfolgt. Sollte dies jedoch zutreffen, wäre die verordnete Massnahme gänzlich ungeeignet.  

Ganze Geschichte in der Zeitschrift Neue Wege 12/17 lesen

kontakt

Livia Schmid
Leiterin Beratungsstelle Freiheitsentzug

livia.schmid@humanrights.ch
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Bürozeiten: Di/Do/Fr