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Erstes Individualbeschwerdeverfahren gegen die Schweiz vor dem UN-Kinderrechtsausschuss

22.06.2018

Der UN-Kinderrechtssausschuss hat die Ausweisung einer kurdisch-jesidischen Familie aus der Schweiz nach Griechenland vorerst ausgesetzt. Der Vorwurf, eine Rückführung verstosse gegen die UN-Kinderrechtskonvention, müsse überprüft werden.

Überstellung einer Familie nach Griechenland ausgesetzt

Die Familie mit drei minderjährigen und zwei volljährigen Kindern sollte nach Griechenland überstellt werden, wo sie in einem Schnellverfahren Asyl erhalten hatte. Griechenland wird von den Schweizer Behörden als sogenannt «sicherer Drittstaat» eingestuft. Dies, obwohl die Schweiz aufgrund der prekären Situation im Rahmen des Dublin-Verfahrens grundsätzlich keine Personen nach Griechenland überstellt.

Der UN-Kinderrechtsausschuss hat nun die Überstellung gestoppt. Er verlangt, dass die Schweizer Asylbehörden zu den erhobenen Vorwürfen Stellung nehmen, eine Ausweisung verletze die UN-Kinderrechtskonvention.

Amnesty International Schweiz, die gemeinsam mit den Anwältinnen Immacolata Iglio Rezzonico und Paolo Bernasconi die Familie juristisch unterstützt, hält in einer Medienmitteilung fest: «Die Rückkehr nach Griechenland, einem Land dessen wirtschaftliche Probleme wohlbekannt sind, würde unmittelbar und ernsthaft das Recht auf Gesundheit und Bildung der minderjährigen Kinder der Familie verletzen, sowie sie der Gefahr wirtschaftlicher Ausbeutung und unmenschlicher und erniedrigender Behandlung aussetzen». Das Wohl des Kindes sei im Entscheid nicht berücksichtigt worden. So habe das Bundesverwaltungsgericht die schlechte psychische Verfassung des Vaters und der beiden jüngsten Kinder in seinem Urteil nicht überprüft.

Weiteres Verfahren

Die Schweiz hat nun sechs Monate Zeit, zu den erhobenen Vorwürfen Stellung zu nehmen. Der UN-Kinderrechtsausschuss wird diese Ausführungen in einer geschlossenen Sitzung erwägen und daraus Empfehlungen zuhanden der Schweizer Behörden erlassen.

Bedeutung für die Schweiz

Die Schweiz hat das Fakultativprotokoll zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend ein Mitteilungsverfahren am 24. April 2017 ratifiziert. Somit haben Personen die Möglichkeit, beim UN-Kinderrechtsausschuss Beschwerde über mutmassliche Verletzungen ihrer im Übereinkommen verbrieften Rechte einzureichen. Zum ersten Mal überhaupt hat sich der Ausschuss nun eines Falles gegen die Schweiz angenommen.