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Zur Umsetzung der Verwahrungsinitiative

19.12.2013

Das Bundesgericht hat in seinem Urteil (BGE 140 IV 1) vom 22. November 2013 entschieden, dass nur lebenslänglich verwahrt werden dürfe, wer auch tatsächlich auf Lebzeiten keiner Behandlung zugänglich ist. Entgegen der Vorinstanz führt das Bundesgericht in überzeugender Weise aus, dass eine prognostizierte Untherapierbarkeit von zwanzig Jahren nicht genüge, da der Wortlaut und Sinn des Gesetzes (Art. 64 Ziff. 1bis lit. c StGB) klar von einer dauerhaften Untherapierbarkeit ausgehen. Für forensische Psychiater/innen ist es unmöglich eine Untherapierbarkeit bis ans Lebensende zu prognostizieren. Aus diesem Grund wird die lebenslange Verwahrung wohl nie angewendet werden und die Verwahrungsinitiative (Art. 123a BV) erweist sich als nicht umsetzbar.

Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung der Verwahrungsinitiative

Per 1. August 2008 trat die Gesetzesänderung im Zusammenhang mit der lebenslangen Verwahrung in Kraft. Die neuen Bestimmungen des Strafgesetzbuches setzen das Anliegen der Verwahrungsinitiative um, die Gesellschaft besser vor extrem gefährlichen Straftätern zu schützen. Eine Verordnung wird derzeit im Eidg. Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) erarbeitet.

Ein erster Verordnungsentwurf befindet sich bis Ende Januar 2013 im Anhörungsverfahren. Es soll eine Fachkommission zur Beurteilung der Behandelbarkeit lebenslänglich verwahrter Straftäter geschaffen werden.

Am 18. Dezember 2007 hatten die Eidg. Räte die Umsetzungsbestimmungen für die Verwahrungsinitiative in der Schlussabstimmung mit 128 gegen 59 Stimmen bei zwei Enthaltungen angenommen. Der Status von lebenslänglich verwahrten Straftätern wird mit Inkrafttreten der Gesetzesänderung nicht mehr regelmässig überprüft. Zu einer Überprüfung kommt es erst, wenn ein mehrstufiges Verfahrens dafür spricht: Eine Fachkommission muss entscheiden, ob neue wissenschaftliche Erkenntnisse eine Besserung durch Therapie des Täters erwarten lassen. Erst dann kann eine entsprechende Behandlung erfolgen und falls diese erfolgreich ist, kann ein Gericht die Verwahrung in eine gewöhnliche Verwahrung oder eine stationäre Behandlung umwandeln.

Nicht vereinbar mit internationalen Abkommen

Diese Regelung ist aus Sicht der Menschenrechte problematisch, obwohl der Bundesrat in seiner Medienmitteilung vom 18. Juni 2008 betont, die Gesetzesänderungen entsprächen den Grundsätzen der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Internationale Menschenrechtsabkommen fordern auch im Falle lebenslänglicher Verwahrung eine regelmässige gerichtliche Überprüfung. Die Beschränkung der Prüfung entsprechender Gesuche einzig, wenn «neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass der Täter so behandelt werden kann, dass er keine Gefahr für die Öffentlichkeit mehr darstellt» (siehe Art. 64c StGB) sind damit nicht vereinbar. Vielmehr verlangen die einschlägigen Bestimmungen der EMRK (Art. 5 Abs. 4), dass geprüft wird, ob die persönlichen Eigenschaften und Verhältnisse, welche den Freiheitsentzug begründeten, weiterhin bestehen oder entfallen sind. 

Debatten im Parlament

Aufgrund dieser Bedenken bezüglich der Menschenrechte wollte eine Mehrheit der Rechtskommission des Nationalrates in einer ersten Beratungsrunde im Herbst 2007 die Grosse Kammer dazu bewegen, für den im Jahre 2003 von der Bevölkerung angenommen Artikel der Bundesverfassung (123a BV) keine Umsetzungsbestimmungen aufzustellen. Dem folgte das Plenum des Nationalrates damals aber nicht. Nun stand in der Wintersession 2007 die Einzelberatung an, in welcher der Nationalrat die Regelungen des Ständerates übernahm. Er sei sehr gespannt, wie das in dieser Sache zu erwartende Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ausfalle, sagte Daniel Vischer (GP, ZH) im Verlaufe der Debatte.

Der Ständerat seinerseits hatte in der Sommersession 2006 als Erstrat der Umsetzung der Verwahrungsinitiative ohne Gegenstimme (bei zwei Enthaltungen) zugestimmt. Dabei war die kleine Kammer weitgehend den Vorschlägen des Bundesrates gefolgt. Während der Debatte bekundeten mehrere Ständerät/innen Mühe mit den Vorschlägen des Bundesrates. Selbst Justizminister Christoph Blocher - als Nationalrat noch ein wichtiger Unterstützer der Initiative - gestand ein, die Umsetzung sei «eine nicht ganz einfache Sache». Dennoch betonte er entgegen den zahlreichen Kritikern aus Menschenrechtskreisen nochmals, die vorgeschlagenen Änderungen des Strafgesetzbuches hielten den Menschenrechten stand.

Erste Neuerungen bereits seit einem Jahr in Kraft

Für Verwahrte gelten übrigens seit einem Jahr (Inkrafttreten des überarbeiteten Strafgesetzbuchs) einige weitere neue Regeln. So kann ein Gericht die lebenslängliche Verwahrung nach geltendem Strafgesetzbuch bereits heute nachträglich anordnen (Art 65 StGB). Des Weiteren ist die Verwahrung für Delikte mit einer angedrohten Höchststrafe von fünf Jahren (vorher 10 Jahre) möglich (Art. 64 StGB). Die kantonalen Instanzen haben zudem damit begonnen die nach altem Recht ausgesprochenen Verwahrungen zu überprüfen und in der Folge viele Verwahrungen in therapeutische Massnahmen umgewandelt. Ein Problem bleibt dabei, dass die Anforderungen an die Therapierbarkeit wissenschaftlich umstritten sind und daher Entscheide über eine Umwandlung in vielen Fällen schwer zu fällen sind (siehe hierzu den Artikel der NZZ am Sonntag vom 13. Januar 2008 ).

Probleme im Strafvollzug

Es bleibt offen, welche konkreten Auswirkungen die nun vom Parlament verabschiedete erneute Revision des Strafgesetzbuchs auf Verwahrte und verhaltensgestörte Gefangene haben wird. Auch weil die Strafvollzugsanstalten offenbar den schwer verhaltensgestörten Insassen generell nicht gerecht werden können, weil ihnen bisher dafür die geeigneten Räumlichkeiten und das qualifizierte Personal fehlten (siehe hierzu den Artikel Internationale Überprüfung von schweizerischen Gefängnissen).

Quellen des Artikels 

Artikel über die Debatte in der Herbstsession 2007 im Nationalrat

Ältere Artikel zur Revision des Strafgesetzbuchs

Vernehmlassungsantworten und Medienberichte dazu

Weiterführende Informationen