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Rassismus-Länderberichte des Europarats über die Schweiz

24.09.2014

Diese Seite dient als chronologisches Archiv von älteren Artikeln auf humanrights.ch zu den Rassismus-Länderberichten des Europarats über die Schweiz.

Europarat publiziert fünften Rassismus-Länderbericht über die Schweiz

(Artikel vom 24.09.2014)

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) hat am 16. September 2014 ihren fünften Rassismus-Länderbericht über die Schweiz veröffentlicht. Sie anerkennt einige Fortschritte der Schweiz in der Bekämpfung von Rassismus und lobt dabei mitunter, dass die Kantone verpflichtet wurden, allen Opfern rassistischer Diskriminierung Beratungsangebote bereit zu stellen.

Kritik übt die ECRI vornehmlich am teilweise fremdenfeindlichen, homophoben und transphoben politischen Diskurs. Zum wiederholten Male bedauert sie die ungenügende Antidiskriminierungsgesetzgebung der Schweiz. Im Speziellen erwähnt die Kommission die stellenweise ungenügende Unterstützung der Migrantinnen und Migranten hinsichtlich ihrer Integrationsbemühungen sowie eine fehlende Angebotsstruktur für Lesben, Schwule, Bisexuellen und Transgender (LGBT)-Personen.

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) wurde 1993 durch die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten des Europarats eingesetzt. Jeder Europaratsstaat entsendet ein Mitglied als unabhängige/r Experte/-in in die Kommission (für die Schweiz: Daniel Thürer, em. Prof. der Universität Zürich). Die Kommission verfasst in einem Fünfjahrezyklus Länderberichte, in welchen einerseits überprüft wird, ob die in früheren Berichten abgegebenen Empfehlungen umgesetzt wurden und in welchen andererseits neue Empfehlungen verabschiedet werden.

Der diesjährige Länderbericht basiert auf der Analyse verschiedener Dokumente und dem Besuch einer Delegation vor Ort. Die Visite fand im Oktober 2013 statt und die Delegierten der ECRI führten Gespräche mit Vertreterinnen und Vertreter von Bundesämtern, der interkantonalen Konferenzen, der Kantone und der Stadt Genf sowie mit Vertretungen der ausserparlamentarischer Kommissionen und Nichtregierungs-Organisationen.

Die ECRI attestiert der Schweiz einige Fortschritte

Neben den lobenden Worten für den Abschluss der Kantonalen Integrationsprogramme (KIP) anerkennt die Kommission im Speziellen die Gründung neuer Stellen zur Bekämpfung von Rassismus und Intoleranz. So befürwortet sie ausdrücklich das von einigen Kantonen und Städten geschaffene Amt der Bürger/innenbeauftragten (Ombudsstellen) sowie das seit 2010 existierende Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR). Ferner würdigt die ECRI die Selbstregulierungsmassnahmen gewisser Medien zur Bekämpfung von Hassreden. Diese reichen von der Abschaffung der Anonymität der Beitragsverfasser bis zu einer automatischen Schliessung der Konten von sich rassistisch äussernden Personen.

Des Weiteren begrüsst die ECRI die Bestrebungen der Kantone, das schulpflichtige Alter auf vier Jahre hinunterzusetzen und attestiert der Schweiz Förderungsbemühungen zur Integration von Migrantinnen und Migranten in den Arbeitsmarkt.

Als besonders positiv erwähnt die Kommission die Aufklärungsarbeit der Zürcher Ombudsfrau über den Begriff des Racial Profilings. Damit verbunden würdigt sie die Verbesserungen der Ausbildung für Polizeianwärter im menschenrechtlichen Bereich.

Die ECRI hat aber auch viele Mängel und Baustellen festgestellt.

Mangelhafte Gesetze gegen Rassismus und rassistischen Diskriminierungen

Die ECRI kritisiert zum wiederholten Male die Tatsache, dass die Schweiz nach wie vor das Zusatzprotokoll Nr. 12 zur Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), das ein umfassendes Diskriminierungsverbot festschreibt, weder ratifiziert noch unterschrieben hat. Während die Kommission die breite Akzeptanz gegenüber Artikel 261bis Strafgesetzbuch wohlwollend zu Kenntnis nimmt, vermerkt sie bedauernd, dass die Motive rassistische Zuschreibungen, ethnische Abstammung und Religion oftmals zu eng ausgelegt würden und fordert zugleich eine Erweiterung der Strafrechtsbestimmung durch die Gründe Hautfarbe, Sprache und Nationalität. Damit verbunden empfiehlt sie der Schweiz erneut, ihren zivil- und verfassungsrechtlichen Schutz für Opfer von rassistischen Diskriminierungen durch die Annahme einer umfassenden Gesetzgebung auszuweiten.

Die ECRI beanstandet unmissverständlich Artikel 86 des Asylgesetzes, welcher Asylsuchenden und schutzbedürftigen Personen ohne Niederlassungsbewilligung, die einer bezahlten Arbeit nachgehen, für maximal zehn Jahre eine Sondersteuer von 10% ihres Einkommens auferlegt. Der Artikel verstosse gegen Artikel 29 der Konvention über die Rechtsstellung von Flüchtlingen vom 28. Juli 1951.

Problematische Abhängigkeit der EKR

In Bezug auf die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) bemängelt die ECRI, dass die Einrichtung weder eine völlige Unabhängigkeit geniesse noch über die nötige Kompetenz verfüge, individuelle Beschwerden entgegenzunehmen, Beweise zu sichern und in Gerichtsverfahren einzugreifen.

Rassismus in der öffentlichen Debatte

Aufs Neue drückt die ECRI ihre Besorgnis gegenüber den rassistischen Tendenzen im öffentlichen politischen Diskurs aus. Hassreden verschärften die Lebensbedingungen von Muslimen, dunkelhäutigen Menschen, Jenischen, Roma-Gruppen, Flüchtlingen, Wanderarbeiter/innen und LGBT-Personen. Insbesondere sollten die Staatsanwaltschaften gegenüber rassistischen Äusserungen von Politikern/-innen eine Nulltoleranz walten lassen. Ferner beanstandet sie das fehlende Bewusstsein bei Medienschaffenden bezüglich einer potentiell stigmatisierenden Wirkung ihrer Beiträge. Bestehende Routinen und Reflexe führten vermehrt zu einer unausgewogenen Berichterstattung.

In Zusammenhang damit stehe auch die aktuelle Methodik der statistischen Ämter zur Darstellung ihrer Daten über Asyl und Straftaten von Ausländer/innen. Diese fördere populistische Theorien und erwecke schnell einen falschen Eindruck.

Fehlende politische Massnahmen zur Integration nationaler- und LGBT Minderheiten

Zudem beanstandet die ECRI die Schweizer Integrationspolitik gegenüber der nationalen Minderheit der Jenischen. Der Bedarf an Stellplätzen sei bei weitem nicht erfüllt und es werden Projekte benötigt, welche die Bildung der Kinder gewährleisten, ohne dass die Lebensweise der Familien zu fest eingeschränkt werde.

Bezüglich LGBT-Personen kritisiert die Kommission die fehlende Gesetzgebung gegen Diskriminierung aufgrund von sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität. Hinzukommend mangle es an flächendeckenden Unterstützungsangeboten sowie unabhängigen Stellen, welche eine aktive Akzeptanzförderung betreiben. Allgemein hätte die Schweizer Bevölkerung das Ausmass der konkreten Probleme, mit welchen sich LGBT-Personen konfrontiert sähen, noch nicht erfasst.

Erneute Kritik am Racial Profiling

Schon der dritte Länderbericht machte auf die Gefahr von Racial Profiling aufmerksam. Die ECRI begrüsst Massnahmen, welche von den Kantonen in diesem Bereich unternommen werden, merkt aber gleichzeitig kritisierend an, dass dunkelhäutige Menschen in konstanter Angst lebten, aufgrund von Racial Profiling Opfer von Polizeikontrollen zu werden.

Die ECRI verabschiedet 21 Empfehlungen an die Schweiz

Der fünfte Rassismus-Länderbericht schliesst mit 21 Empfehlungen an die Schweiz. Ein spezielles Augenmerk liegt auf den folgenden Anregungen: Die Schweiz solle die Rolle der EKR stärken wie auch unabhängige Stellen mit der Akzeptanzförderung von LGBT-Personen beauftragen. Diese zwei Empfehlungen werden spätestens zwei Jahre nach dem Erscheinen des Berichts einer Zwischenprüfung unterzogen.

Dokumentation

Vierter Länderbericht: Lob und Tadel vom Europarats-Gremium ECRI

(Artikel vom 15.09.2009)

Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) attestiert der Schweiz Fortschritte in der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund. Sie kritisiert gleichzeitig Lücken im Rassismus-Strafgesetz sowie eine zunehmende Polarisierung im politischen Diskurs. ECRIs Hauptkritik gilt den Verunglimpfungen von Zugewanderten und religiösen Minderheiten sowie dem ungenügenden Diskriminierungsschutz. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) teilt derweil mit, dass sie diese Einschätzung teile und Ende 2009 eine Studie und Empfehlungen zum Ausbau des rechtlichen Schutzes publizieren werde.

Fortschritte

Die ECRI begrüsst, dass die Schweiz seit dem letzten Bericht aus dem Jahre 2004 die Ausländerintegration auf eine breitere gesetzliche Basis gestellt und konkretisiert hat. Die Wirkung von Integrationsvereinbarungen stellt die Kommission allerdings in Frage. Als positive Entwicklung nennt die Kommission zudem das Rekursrecht im Einbürgerungsverfahren, Bemühungen zugunsten von Immigrantenkindern in der Schule, das Forschungsprogramm über Rechtsextremismus, Vorbeugungsmassnahmen gegen rassistisch gefärbte Übergriffe durch die Polizei sowie die Bemühungen im Bereich Überwachung von rassistischen Vorfällen. Letztere werden unter anderem von Humanrights.ch/MERS forciert, mit dem Projekt Netzwerk der Beratungsstellen im Bereich Rassismus. Eine Fortführung und Intensivierung der Überwachung hält die ECRI im übrigen für notwendig.

Mängel

Ihre zentrale Kritik richtet die ECRI auf den Umstand, dass die Schweiz kein Gesetz kennt, welches die rassistische Diskriminierung umfassend, also auch im nichtstaatlichen Bereich, verbietet. Probleme ortet die Kommission auf dem Arbeits-, dem Wohnungs- und dem Dienstleistungsmarkt zum Nachteil von Personen aus dem Balkan, der Türkei und Afrika sowie von Muslimen. Konkret beanstandet die Kommission des weiteren den härteren Ton der politischen Diskussion. Programm und Propaganda der SVP würden von allen Experten der Rassismusbekämpfung als xenophob und rassistisch beschrieben. Die Kommission spricht sich in diesem Zusammenhang dafür aus, dass die Behörden, den Kampf gegen Rassismus im öffentlichen Diskurs verstärken und die entsprechende Strafnorm strikter anwenden und erweitern. Als Verbesserungsmassnahme schlägt die ECRI die Sensibilisierung von Polizei, Strafvollzugsbehörden, Anwälten und Richtern vor.

Dokumentation

Weitere Informationen

Dritter Länderbericht: Europarats-Bericht zu Rassismus in der Schweiz

(Artikel vom 29.01.2004)

Der Europarat hat am 27. Januar 2004 den dritten Bericht der Europäischen Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) über die Schweiz veröffentlicht.

Der Bericht basiert auf einem Besuch einer ECRI-Delegation im Mai 2003 in der Schweiz. Im Bericht werden einige Fortschritte gewürdigt, die in der Schweiz in den letzten Jahren gemacht wurden.

Der Bericht enthält aber auch kritische Punkten, zum Beispiel:

  • das Fehlen eines allgemeinen, auf Gesetzesstufe verankerten Diskriminierungsverbots;
  • der Mangel an niederschwelligen Beratungs- und Ombudsstellen für Opfer rassistischer Diskriminierung;
  • Polizeiübergriffe gegenüber Ausländern, vor allem Menschen afrikanischer Herkunft;
  • das duale Zulassungssystem für Ausländer, das Personen aus dem EU-Raum bevorzugt behandelt;

Dokumente

Reaktionen

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