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Datenerhebung zu rassistischen und diskriminierenden Tendenzen in der Schweiz

26.02.2015

Jede vierte Person in der Schweiz hat eine fremdenfeindliche und jede zehnte Person eine rassistische Einstellung. Dies zeigt eine Studie des Forschungsinstitut gfs.bern, die im Auftrag des Bundes erstellt wurde. Die Muslimfeindlichkeit ist demnach 2014 im Vergleich zu 2010 stark zurückgegangen, sie liegt aber noch immer deutlich höher als Judenfeindlichkeit/Antisemitismus.

Die Umfragen wurden 2007 vom Bundesrat bei der Fachstelle für Rassismusbekämpfung (FRV) in Auftrag gegeben und vom Forschungsinstitut gfs.bern durchgeführt.

Die Studie

Das Forschungsinstitut gfs.bern hat in den Jahren 2010, 2012 und 2014 mit je 1000 Schweizern/-innen und 700 Ausländern/-innen einstündige persönliche Interviews zu rassistischen, fremdenfeindlichen, muslimfeindlichen und judenfeindlichen Einstellungen durchgeführt.

Die Einstellungen wurden nicht mit einer einzigen Frage gemessen, sondern mit Gruppen von Fragen. Erst wenn eine Person mehrmals und übereinstimmend beispielsweise rassistische Aussagen machte, wurde sie schlussendlich als Rassist/in eingestuft.

Die Antworten selbst fassten die Forscher/innen in Indexwerten zusammen.  Die Interviewten mussten beispielsweise die Frage beantworten, ob es für sie eine Rolle spielen würde, welche Nationalität, Religion oder Hautfarbe ihre Nachbarn/-innen haben und welche Sprache sie sprächen. Oder sie wurden gefragt, ob sie die Anwesenheit von Personen mit einer gewissen Hautfarbe, Sprache, Religion oder Nationalität als störend empfinden.

Die Studie ist ein Pilotprojekt zur Entwicklung eines Monitoring-Instrumentes zum Zusammenleben in der Schweiz. Mit dem Monitoring will der Bund herauszufinden, ob und in welchem Ausmass die Einwohnerinnen und Einwohner der Schweiz rassistisch eingestellt sind und wie sich diese Einstellungen im Laufe der Zeit verändern. Zudem sollen mit Hilfe des Monitorings die Ursachen für rassistische Einstellungen und Tendenzen ermittelt werden. Der Bundesrat hat im Februar 2015 beschlossen, dieses Monitoring zum Zusammenleben künftig im Rahmen der Volkszählung alle zwei Jahre weiterzuführen.

Die Resultate

Rassismus ist unter den Schweizer Einwohner/innen ein selteneres Phänomen (10 Prozent) als allgemeine Fremdenfeindlichkeit (25 Prozent) und Muslimfeindlichkeit (20 Prozent). Antisemitische Einstellungen sind ebenfalls bei rund 10 Prozent der Bevölkerung aufzufinden. Antisemitische und rassistische Einstellungen sind im Gegensatz zu Fremden- und Muslimfeindlichkeit relativ stabil.  Die Studie hält deshalb fest, dass antisemitische und rassistische Einstellungen gefestigte kritische Potentiale im gesellschaftlichen Zusammenleben darstellten.

Demgegenüber schwanken die Werte, die in den drei Erhebungen zu fremdenfeindlichen und muslimfeindlichen Einstellungen festgestellt wurden, stark. Die Muslimfeindlichkeit nahm während dem Untersuchungszeitraum von 45 auf 19 Prozent ab. Das gfs.bern erklärt dies mit den öffentlichen Diskussionen rund um die Minarettinitiative vom November 2009. Ein bemerkenswerter Befund in diesem Zusammenhang ist unter anderem, dass stereotype oder islamskeptische Einstellungen abgenommen haben, während negative Einstellungen gegenüber Muslimen/-innen leicht angestiegen sind.

Auch im Zusammenhang mit der Fremdenfeindlichkeit sind die Ergebnisse nicht ohne Widerspruch. Einerseits stellt die Studie im Zusammenhang mit dem Rückgang der Muslimfeindlichkeit auch bei der Fremdenfeindlichkeit einen leichten Rückgang fest. Die Studie macht anderseits auf ein beachtliches Phänomen aufmerksam: Die Fremdenfeindlichkeit am Arbeitsplatz nimmt zu.

Eine Mehrheit der Befragten gibt im Übrigen an, dass sie Rassismus als ein ernstes gesellschaftliches Problem einstufen und bejaht die gesellschaftspolitischen Massnahmen der Gemeinden, der Kantone und des Bundes gegen Rassismus und Diskriminierung. Ein weiterer Befund der Studie lautet: Fast die Hälfte der Befragten fand 2014, dass die Schweiz zu wenig tue, um die Ausländer/innen über die Anliegen der Schweizer/innen aufzuklären. Umgekehrt sind es 29 Prozent.

Gründe für rassistische Einstellungen

Die Studie dokumentiert vier Gründe für rassistische Einstellungen. Dazu gehört die Ablehnung bestimmter Menschengruppen am Arbeitsplatz, wobei nicht Menschen aus den Nachbarländern sondern solche mit einer asiatischen, arabischen oder afrikanischen Herkunft im Zentrum stehen. Ferner seien weitere Ursachen für rassistische Einstellungen eine systematisch negative Einstellung zu Muslimen oder selbst erlebte Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen. Ein letzter Grund stellt demnach eine subjektiv negative Wahrnehmung der behördlichen Ausländer- und Migrationspolitik dar.

Kritik an der Studie

Die Wochenzeitung (WOZ) und die Organisation CRAN – Carrefour de Réflexion et d'Action Contre le Racisme Anti-Noir äusserten sich kritisch gegenüber der Studie. Die WOZ beanstandete in ihrer Ausgabe vom 19. Februar 2015 die Unterscheidung zwischen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit und bemerkte, dass die Definition von Fremdenfeindlichkeit sehr diffus sei. Zudem würde die Studie nur individuelle Einstellungen abdecken und vernachlässige die Ebene der rassistischen Strukturen in der Gesellschaft. Daher schlägt die WOZ eine ergänzende Studie vor, welche beispielsweise das Ausmass von diskriminierenden Polizeikontrollen untersucht.

Die Organisation CRAN wendete sich mit einem offenen Brief am 20. Februar 2015 an den Bundesrat Alain Berset. Darin kritisiert sie, dass die Studie den Rassismus gegen den dunkelhäutigen Bevölkerungsanteil in der Schweiz nicht speziell untersuchte, gleichzeitig aber ein besonderes Augenmerk auf Antisemitismus sowie Islam- und Muslimfeindlichkeit legte. Diese Nichtbeachtung stelle in sich eine Diskriminierung gegen alle dunkelhäutigen Menschen in der Schweiz dar. Zudem sei es inakzeptabel, dass die Wissenschaftler/innen nicht auf die Expertise von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen, welche sich schon lange mit den Themen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in der Schweiz befassen würden, zurückgegriffen haben.

Dokumentation