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Konzernverantwortungsinitiative

Zwei indirekte Gegenvorschläge zur Konzernverantwortungsinitiative

27.01.2020

Die im Oktober 2016 eingereichte Volksinitiative „Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt“ (Konzernverantwortungsinitiative) fordert verbindliche Regeln, um sicherzustellen, dass Unternehmen für Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft gezogen werden können. Im Zentrum einer intensiven politischen Debatte hat sie zu nicht weniger als zwei indirekten Gegenvorschlägen geführt. 

Die Initiative «Für verantwortungsvolle Unternehmen – zum Schutz von Mensch und Umwelt» soll einen strengeren Rahmen für die Auslandsaktivitäten von in der Schweiz ansässigen multinationalen Unternehmen schaffen. Nachdem weder der Nationalrat noch der Ständerat anfänglich einen Gegenvorschlag ausarbeiten wollten, stehen nun zwei in grundsätzlicher Weise abgeschwächte indirekte Gegenentwürfe (Entwurf 2) zur Debatte. Eine Übersicht zu den Entwicklungen dieser Gegenvorschläge ist in unserer Chronologie abgebildet.

Der Gegenvorschlag des Nationalrats enthält eine abgeschwächte Konzernhaftung...

Der indirekte Gegenvorschlag des Nationalrats sieht vor, dass lediglich jene Menschenrechte und Umweltstandards von einer Sorgfaltsprüfungspflicht erfasst werden, die von der Schweiz im massgeblichen Verfahren ratifiziert worden sind. Zudem schreibt er nur dann eine Haftung vor, wenn das kontrollierte Unternehmen Tochtergesellschaft einer Schweizer Konzernmutter ist und als solche auch tatsächlich beeinflusst werden kann. Eine Haftung ist darüber hinaus nur bei gravierenden Schäden an «Leib, Leben oder Eigentum» vorgesehen und sofern die Sorgfaltsprüfungspflicht verletzt wurde. Damit wird das von der Initiative geforderte Haftungsregime entscheidend abgeschwächt. 

...beschränkt auf Unternehmen mit hohem Umsatz

Im vom Nationalrat vorgebrachten Gegenvorschlag wird die Anzahl der betroffenen Unternehmen stark eingeschränkt. Er sieht drei Schwellenwerte vor: eine Bilanzsumme von CHF 40 Millionen, einen Umsatzerlös von CHF 80 Millionen und 500 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt. Damit ein Unternehmen der Sorgfaltsprüfungspflicht unterstellt wird, muss es in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren mindestens zwei dieser drei Werte überschreiten, sei es allein oder gemeinsam mit von ihm kontrollierten Unternehmen im In- oder Ausland. Zusätzlich verpflichtet werden jene Unternehmen, die ein erhöhtes Risiko für die Verletzung der Menschenrechte oder Umweltstandards im Ausland aufweisen, während Unternehmen mit besonders geringem Risiko nicht erfasst werden (Aktiengesellschaften, aber auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften und Vereine). Der Bundesrat wäre verpflichtet hierzu genaue Ausführungsbestimmungen zu erlassen. 

Der Ständerat will keine Pflichten für Schweizer Unternehmen...

Nachdem in der Herbstsession 2019 aufgrund des Ordnungsantrags von Ständerat Ruedi Noser (FDP/ZH) eine Entscheidung hinausgezögert wurde, hat sich der Ständerat am 18. Dezember 2019 für einen massiv abgeschwächten Gegenvorschlag ausgesprochen. Dieser sieht abgesehen von einer jährlichen Berichterstattung keinerlei verbindliche Verpflichtungen für Unternehmen vor. Die Kontrolle der Einhaltung von Menschenrechten und Umweltschutzstandards würde sich damit einzig auf eine jährliche Broschüre stützen, welche von den Unternehmen selbst verfasst würde.

Nach dem Willen des  Ständerats soll die Berichterstattungspflicht für grosse Unternehmen, analog der EU-Richtlinie 2014/95, eingeführt werden. Die Schwellenwerte sind dabei deutlich niedriger als es der indirekte Gegenvorschlag des Nationalrats vorsieht und das Initiativkomitee fordert. Es werden lediglich Gesellschaften des öffentlichen Interesses umfasst, die entweder in zwei aufeinanderfolgenden Jahren eine Bilanzsumme von CHF 20 Millionen oder einen Umsatzerlös von CHF 40 Millionen erzielen. Weiter ist bei höheren Unternehmensrisiken keine Verschärfung der Berichterstattungspflicht vorgesehen.

...und konzentriert sich nur auf zwei Problembereiche

Daneben sieht der Gegenvorschlag des Ständerates, welcher weitgehend den Vorschlägen des Bundesrates entspricht, eine Sorgfaltsprüfungspflicht für Unternehmen nur in den Bereichen Konfliktmineralien (in vergleichbarer Weise wie die entsprechende EU Verordnung 2017/821) und Kinderarbeit (in Anlehnung an die Child Labor Due Diligence der Niederlande) vor. Was vielversprechend klingt, verfehlt auf den zweiten Blick seine Wirkung. Wie eine Studie von Brot für alle und Fastenopfer zeigt, kommen Menschenrechtsverletzungen von Schweizer Unternehmen im Bereich der Konfliktmineralien sowie der Kinderarbeit nur selten vor. Deutlich häufiger geraten ihre unternehmerischen Tätigkeiten in Konflikt mit dem Arbeits- oder Umweltrecht, für welche der Gegenvorschlag des Ständerats keine Sorgfaltsprüfungspflicht vorsieht.

Letztlich haben sowohl eine Untersuchung der EU-Kommission wie auch eine wissenschaftliche Studie aufgezeigt, dass Berichterstattungspflichten wenig bringen, wenn es um die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards geht. Die Untersuchung weist darauf hin, dass die regelmässige Berichterstattung nur Wirkung zeigt, wenn sie auch einer externen Prüfung unterzogen wird. Doch gerade dieses Element sieht der Gegenvorschlag des Ständerates nicht vor.

Was das Initiativkomitee dazu zu sagen hat

Der verabschiedete Gegenvorschlag des Ständerates kann auch gemäss dem Initiativkomitee keineswegs als adäquate Alternative zur Volksinitiative oder dem aktuellen Gegenvorschlag des Nationalrates angesehen werden, da er keinerlei verpflichtende Elemente enthält und Schweizer Unternehmen für begangene Menschenrechtsverletzungen auch zukünftig nicht geradestehen müssen.

Obwohl der momentane nationalrätliche Vorschlag schmerzhafte Abstriche gegenüber der Volksinitiative enthält, hat das Initiativkomitee verkündet, bei Verabschiedung des Gegenvorschlages seine Initiative zurückzuziehen. Die gewichtigen inhaltlichen Abstriche werden durch die Tatsache wettgemacht, dass anhand des Gegenvorschlages gesetzliche Massnahmen schneller in Kraft treten können, als mittels einer Verfassungsänderung durch die Volksinitiative.

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