15.09.2022
Der gesetzliche Schutz von Mensch und Umwelt hat mit der wirtschaftlichen Globalisierung nicht Schritt gehalten. Auch Unternehmen mit Sitz in der Schweiz sind in Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung weltweit verwickelt. Die Konzernverantwortungsinitiative fordert deshalb, dass Unternehmen Massnahmen zur Vermeidung von Menschenrechts- und Umweltverletzungen verbindlich in sämtliche Geschäftsabläufe einbauen und für Verletzungen dieser Rechte haftbar gemacht werden können.
Im Folgenden bietet humanrights.ch einen chronologischen Überblick über die wichtigsten Etappen der Initiative.
29. November 2023 – Eine neue Volksinitiative wird lanciert
Die Koalition für Konzernverantwortung kündigt eine neue Volksinitiative an, um die Schweizer Gesetzgebung an die in Vorbereitung befindliche EU-Richtlinie anzupassen.
7. September – Rechtskommission will Sorgfaltspflicht auf Zwangsarbeit ausweiten
Die Kommission für Rechtsfragen des Ständerates nimmt mit 8 zu 5 Stimmen eine parlamentarischen Initiative an, welche den Geltungsbereich des indirekten Gegenvorschlags zur Konzernverantwortungsinitiative um das Verbot der Zwangsarbeit ergänzen will.
3. Dezember 2021 – Verabschiedung der Umsetzungsverordnung
Der Bundesrat verabschiedet die Verordnung über den Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative. Die neuen Bestimmungen werden am 1. Januar 2022 in Kraft treten und im Geschäftsjahr 2023 Anwendung finden. Der Verein Konzernverantwortungsinitiative zeigt sich mit Blick auf die zahlreichen kritischen Vernehmlassungseingaben sehr enttäuscht über die rein «kosmetischen Anpassungen» am Verordnungstext. Durch die zahlreichen Ausnahmeregelungen verkomme die Regulierung zu einer Alibi-Übung.
14. Juli 2021 – Ende der Vernehmlassung
Im Rahmen der Vernehmlassung zur Verordnung über den Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative gehen bis zum 14. Juli 2021 ganze 20'737 Stellungnahmen ein. Der Verordnungsentwurf wird im Wesentlichen vom Verein Konzernverantwortungsinitiative, der Grünen Partei, der SP, der GLP und der EVP stark kritisiert. Die Mitte Partei, die FDP, die Wirtschaftsverbände sowie die Mehrheit der Kantone begrüssen die Vorlage.
14. April 2021 – Start der Vernehmlassung
Die neuen Gesetzesbestimmungen für einen besseren Schutz von Mensch und Umwelt erfordern eine teilweise Umsetzung auf Verordnungsstufe. Der Bundesrat schickt die entsprechenden Ausführungsbestimmungen zu den neuen Sorgfaltspflichten von Unternehmen in die Vernehmlassung. Diese dauert bis am 14. Juli 2021.
8. April 2021 – Bundesgericht schreibt Beschwerden ab
Vor dem Abstimmungstermin gingen fünf Beschwerden beim Bundesgericht ein, weil die Landeskirchen und Kirchgemeinden sich am Abstimmungskampf beteiligt hatten. Zwei weitere Beschwerden wurden nach der Abstimmung erhoben: Die Ablehnung der Konzernverantwortungsinitiative aufgrund des Ständemehrs verstosse gegen die Grundprinzipien der Demokratie und gegen den Grundsatz der formellen Gleichbehandlung aller Stimmen. Das Bundesgericht kommuniziert, dass es die 5 Beschwerden als Gegenstandslos abschreibt und auf die 2 letzteren nicht eintritt.
17. Dezember 2020 – Neue Regeln für Schweizer Unternehmen
Das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte veröffentlicht den Artikel «Neue Regeln für Schweizer Unternehmen: Berichterstattung und themenspezifische Sorgfaltspflicht», in welchem es den beschlossenen indirekten Gegenvorschlag des Parlaments erklärt.
29. November 2020 – Initiative abgelehnt
Die Konzernverantwortungsinitiative erreicht aufgrund der Unterstützung aus der Westschweiz und den Städten Zürich, Basel und Bern ein Volksmehr von 50,7 Prozent, scheitert jedoch aufgrund des Widerstandes aus ländlichen Gebieten und kleinen Kantonen mit 8,5 gegen 14,5 Standesstimmen am Ständemehr. Nun rückt die Umsetzung des vom Parlament beschlossenen Gegenvorschlags in den Fokus.
19. Juni 2020 – Das Parlament verabschiedet den indirekten Gegenvorschlag
In der Schlussabstimmung vom 19. Juni 2020 nimmt das Parlament mit 98 zu 88 Stimmen bei 12 Enthaltungen (Nationalrat) und 29 zu 14 Stimmen bei 2 Enthaltungen (Ständerat) den indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative definitiv an. Die Änderungen im Obligationenrecht verpflichten Unternehmen zu Berichterstattungs- und zusätzlich Sorgfaltprüfungspflichten in Sachen Kinderarbeit und Konfliktmineralien.
9. Juni 2020 – Der Ständerat schliesst das Geschäft ab
Nachdem der Nationalrat den indirekten Gegenvorschlag der Einigungskonferent angenommen hat, unterstützt auch der Ständerat mit 28 zu 14 Stimmen die erarbeitete Vorlage. Sie ist nun bereit zur Schlussabstimmung. Mit diesem Entscheid wird das Initiativkomitee die Konzernverantwortungsinitiative endgültig vors Stimmvolk bringen.
8. Juni 2020 – Der Nationalrat nimmt den Gegenvorschlag an
Die grosse Kammer unterstützt mit 99 zu 91 Stimmen bei 7 Enthaltungen den Gegenvorschlag der Einigungskonferenz, der die Haftung der Muttergesellschaft für im Ausland kontrollierte Unternehmen nicht ausdrücklich regelt.
16. März 2020 – Abbruch der Parlamentssession beendet die Debatte
Die Frühjahrssession wird aufgrund der Corona-Pandemie abgebrochen und die Diskussion um die Konzernverantwortungsinitiative sowie beide Gegenvorschläge verschoben.
11. März 2020 – Der Nationalrat will eine Haftungsregelung
Der Nationalrat beschliesst mit 97 gegen 92 Stimmen und 7 Enthaltungen an seinem Gegenvorschlag festzuhalten. Dessen Annahme würde zu einem Rückzug der Initiative führen. Mit 100 gegen 70 Stimmen und 26 Enthaltungen verwirft der Rat zudem einen von der SVP unterstützten Vorstoss, beide Gegenvorschläge abzulehnen.
9. März 2020 – Der Ständerat bleibt dabei
Der Ständerat hält an seinem Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative fest.
31. Januar 2020 – Die Rechtskommission des Nationalrates hält an der Haftungsregelung fest
Im Rahmen der Differenzbereinigung beantragt die vorberatende Kommission dem Nationalrat mit 14 zu 5 Stimmen, an seinem eigenen indirekten Gegenvorschlag festzuhalten. Sie erachtet das Konzept des Ständerates aufgrund grosser Rechtsunsicherheit als problematisch.
18. Dezember 2019 – Der Ständerat spricht sich gegen Haftungsregeln für Schweizer Unternehmen aus
Mit einer Mehrheit von 24 zu 19 Stimmen hat sich der Ständerat gegen den indirekten Gegenvorschlag des Nationalrates, sondern für den stark abgeschwächten Vorschlag der Kommissionsminderheit ausgesprochen. Dieser enspricht grundsätzlich dem Vorschlag des Bundesrates und sieht keinerlei Haftungsbestimmungen vor. Das Initiativkomitee hat den ständerätlichen Entscheid deshalb heftig kritisiert. Damit geht das Geschäft zurück an den Nationalrat.
26. September 2019 – Der Ständerat stimmt dem Ordnungsantrag von Ständerat Noser zu
Mit einer Mehrheit von 24 zu 20 Stimmen stimmt der Ständerat dafür, die Vorlage im Lichte des bundesrätlichen Vorschlags vom 14. August 2019 nochmals in der Rechtskommission zu beraten. Damit wird die Diskussion über den indirekten Gegenvorschlag erst nach den eidgenössischen Wahlen stattfinden.
10. September 2019 – Initiativkomitee: Rückzug der Volksinitiative bei Annahme des indirekten Gegenvorschlags
Die Initianten/-innen erklären sich bereit, die Initiative zurückzuziehen, sofern der Gegenvorschlag in der Fassung der Rechtskommission des Ständerates vom 3. September 2019 oder in jener des Nationalrates vom 14. Juni 2018 endgültig verabschiedet würde.
3. September 2019 – Rechtskommission des Ständerates schwächt den Gegenvorschlag weiter ab
Die Kommission empfiehlt zwar dem Ständerat die Annahme des indirekten Gegenvorschlags, gleichzeitig schwächt sie ihn jedoch weiter ab. So soll eine Klage erst möglich sein, wenn ein Sonderschlichtungsverfahren durch den Nationalen Kontaktpunkt des SECO scheitert.
14. August 2019 – Rechtskommission des Ständerates macht sich erneut für den indirekten Gegenvorschlag stark
Die Rechtskommission beantragt mit 7 zu 4 Stimmen bei 1 Enthaltung erneut, dass der Ständerat auf den indirekten Gegenvorschlag eintritt.
14. August 2019 – Kehrtwende des Bundesrates: Berichterstattungspflicht für Unternehmen
Der Bundesrat möchte einführen, dass Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitenden zukünftig Bericht darüber ablegen müssen, wie sie die Menschenrechte und Umweltstandards im Ausland einhalten. Sollte der Ständerat den indirekten Gegenvorschlag ablehnen, würde das EJPD eine entsprechende Vernehmlassungsvorlage, analog zur EU-Richtlinie 2014/95, ausarbeiten.
13. Juni 2019 – Nationalrat tritt zum zweiten Mal auf den indirekten Gegenvorschlag ein
Mit 109 zu 69 Stimmen bei 7 Enthaltungen spricht sich der Nationalrat erneut für den indirekten Gegenvorschlag zur Volksinitiative aus. Die Mehrheit der SVP- sowie der FDP-Fraktionen stellt sich dagegen.
5. April 2019 – Rechtskommission des Nationalrates hält am indirekten Gegenvorschlag fest
Die Kommission entscheidet mit 15 zu 10 Stimmen, den indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative weiterzuverfolgen. Sie spricht sich zudem mit 14 zu 7 Stimmen bei 2 Enthaltungen dafür aus, die Initiative selbst zur Ablehnung zu empfehlen.
April 2019 – ETH Studie zum Thema Unternehmensverantwortung zeigt Zustimmung zur Konzernverantwortungsinitiative
Die ETH publiziert eine Studie zum Thema «Die Einstellung der Schweizer Bevölkerung zum Thema Unternehmensverantwortung im Ausland». Darin zeigt sich, dass rund 60 Prozent der Befragten die Volksinitiative annehmen und 18 Prozent ablehnen würden. 22 Prozent der Befragten waren noch unentschlossen.
12. März 2019 – Ständerat: Kein Eintreten auf den indirekten Gegenvorschlag
Der Ständerat entscheidet mit 22 zu 20 Stimmen, nicht auf den indirekten Gegenvorschlag im Rahmen der Aktienrechtsrevision einzutreten.
19. Februar 2019 – Die Rechtskommission des Ständerats schwächt den indirekten Gegenvorschlag weiter ab
Mit 7 zu 6 Stimmen stimmt die Kommission einer Subsidiaritätsregelung zu. Diese sieht vor, dass ein/e Kläger/in – sofern es zumutbar ist – zuerst rechtliche Schritte im Ausland einleiten muss, bevor er/sie an ein Gericht in der Schweiz gelangen kann.
Die Initiative selbst empfiehlt die Kommission mit 7 zu 5 Stimmen bei 1 Enthaltung zur Ablehnung.
17. Oktober 2018 – Auch die Rechtskommission des Ständerates tritt auf den indirekten Gegenvorschlag ein
Nun folgt die Rechtskommission des Ständerates ihrer Schwesterkommission und tritt mit 9 zu 2 Stimmen bei 1 Enthaltung auf den indirekten Gegenvorschlag ein.
August 2018 – Nach wie vor hohe Zustimmung
Eine im Auftrag der Initianten/-innen durchgeführte Umfrage ergibt bei den Befragten eine Zustimmung zur Konzernverantwortungsinitiative von 74 Prozent. 12 Prozent lehnen die Initiative ab, 14 Prozent sind noch unentschlossen.
14. Juni 2018 – Nationalrat nimmt Gegenvorschlag an
Am 14. Juni 2018 stimmt der Nationalrat mit 121 zu 73 Stimmen bei 2 Enthaltungen einem indirekten Gegenvorschlag im Rahmen der Aktienrechtsrevision zu.
11. Juni 2018 – Initiativkomitee signalisiert Bereitschaft die Initiative zurückzuziehen
Das Initiativkomitee erklärt sich bereit, seine Volksinitiative zurückziehen, sofern der Gegenvorschlag in seiner bestehenden Form angenommen wird und die Referendumsfrist ungenutzt verstreicht.
18. Mai 2018 – Erläuternder Bericht zum indirekten Gegenvorschlag
Die Rechtskommission des Nationalrates verabschiedet einen erläuternden Bericht zuhanden des Nationalrates, der die Anträge der Kommission für den indirekten Gegenvorschlag zur Konzernverantwortungsinitiative enthält.
4. Mai 2018 – Die Rechtskommission des Nationalrates spricht sich für einen indirekten Gegenvorschlag aus
Die Kommission spricht sich mit 14 zu 10 Stimmen bei 1 Enthaltung für einen indirekten Gegenvorschlag (im Rahmen der Aktienrechtsrevision) aus und schliesst damit die Beratung über die inhaltlichen Bestimmungen dieses Gegenvorschlags ab. Dieser ist, im Vergleich zur Konzernverantwortungsinitiative, deutlich abgeschwächt.
16. Januar 2018 – Die Rechtskommission des Ständerates will die Aktienrechtsrevision des NR abwarten
Die Kommission beschliesst mit 10 zu 1 Stimmen, die Aktienrechtsrevision der zuständigen Nationalratskommission abzuwarten, bevor sie über die Abstimmungsempfehlung des Bundesrates zur Volksinitiative und ihren indirekten Gegenvorschlag einen Beschluss fassen will.
11. Dezember 2017 – Die Rechtskommission des Nationalrates spricht sich gegen einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative aus
Auch die Kommission des Nationalrates wünscht keine verbindlichen Vorschriften für Unternehmen (14 zu 11 Stimmen).
13. November 2017 – Die Rechtskommission des Ständerates entscheidet sich für einen indirekten Gegenvorschlag
Die Kommission stimmt mit 8 zu 1 Stimmen bei 1 Enthaltung dere Ausarbeitung eines indirekten Gegenvorschlags zu.
Oktober 2017 – Grosse Zustimmung in der Bevölkerung
Gemäss einer repräsentativen Umfrage des Forschungsinstituts GFS Zürich erfährt die Initiative mit 77 Prozent eine grosse Zustimmung in der Bevölkerung.
15. September 2017 – Bundesrat legt die Botschaft zur Konzernverantwortungsinitiative vor
Der Bundesrat lehnt die Volksinitiative ab und beantragt sie dem Parlament, ohne Gegenvorschlag, zur Ablehnung. Zwar werden die grundsätzlichen Anliegen der Initianten/-innen im Kern unterstützt, die vorgesehenen Haftungsregelungen und die Sorgfaltspflichtprüfung jedoch als zu weitgehend betrachtet.
9. Dezember 2016 – Bundesrat verabschiedet NAP
Fünf Jahre nach der Verabschiedung der Ruggie-Leitlinien lanciert der Bundesrat einen «Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte». Die darin enthaltenen 50 Politikinstrumente basieren auf dem Prinzip der Freiwilligkeit, auf verbindliche Instrumente wird verzichtet.
10. Oktober 2016 – Einreichung der Konzernverantwortungsinitiative
Die Volksinitiative wird mit über 120‘000 gültigen Unterschriften eingereicht.
21. April 2015 – Lancierung der Konzernverantwortungsinitiative
Das Initiativkomitee beginnt mit der Unterschriftensammlung.
2015 – Gründung des Vereins Konzernverantwortungsinitiative
Da die eingereichte Petition von Recht ohne Grenzen keine Wirkung zeigte, wird der Verein Konzernverantwortungsinitiative gegründet. Dem Verein gehören zu diesem Zeitpunkt 66 Organisationen an.
11. März 2015 – Nationalrat lehnt Motion zur Einführung einer Sorgfaltsprüfung ab
Nachdem der Nationalrat der Motion der Aussenpolitischen Kommission des Nationalrates zunächst zustimmt, lehnt er sie nur wenige Stunden später ab. Die CVP hatte auf Druck diverser Wirtschaftsverbände einen Rückkommensantrag gestellt.
2011-2012 – Kampagne «Recht ohne Grenzen»
Eine Koalition aus 50 NGOs lanciert die Kampagne «Recht ohne Grenzen». Im Juni 2012 reicht sie eine Petition mit 135'285 Unterschriften ein. Sie fordert den Bundesrat und das Parlament auf, sicherzustellen, dass Unternehmen sowohl die Menschenrechte als auch die Umwelt respektieren.
Juni 2011 – UNO-Leitlinien für Wirtschaft und Menschenrechte
Der UNO-Menschenrechtsrat verabschiedet die sogenannten «Ruggie-Leitlinien». Diese Leitlinien verankern den Schutz vor Menschenrechtsverletzungen durch Unternehmen in drei Säulen: Schutz, Achtung und Abhilfe.
25. Mai 2011 – OECD Leitsätze für multinationale Unternehmen
Der Minister/innen-Rat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) stimmt den revidierten OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen zu (erstmalige Verabschiedung der Leitsätze 1976).