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Petition fordert Tatbestand der Folter im Strafrecht

26.06.2015

Am 26. Juni 2015, dem Internationalen Tag der Vereinten Nationen zur Unterstützung der Folteropfer, haben ACAT (Aktion der Christen für die Abschaffung der Folter), TRIAL (Track Impunity Always) und Humanrights.ch dem Bundesrat eine Petition mit 7000 Unterschriften überreicht. Darin wird die Schweizer Regierung aufgefordert, den Tatbestand der Folter ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Bis jetzt kommt die Schweiz ihren Verpflichtungen aus der UNO-Konvention gegen Folter nur ungenügend nach.

Fehlendes allgemeines Folterverbot

Seit 1987 ist die Schweiz Vertragsstaat des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter, die den Begriff der Folter definiert und Massnahmen zu ihrer Verhinderung, Verfolgung und Bestrafung regelt. Dennoch kennt das Schweizer Strafrecht bis auf den heutigen Tag kein allgemeines Folterverbot. Es stellt ausschliesslich Folterhandlungen unter Strafe, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder schwere Verletzungen der Genfer Konventionen gelten. Folter, die in anderen Kontexten ausgeübt wird, ist darin nicht definiert und stellt folglich keinen Straftatbestand dar. Die in unserem Strafgesetz definierten Handlungen gegen Leib und Leben, die Freiheit und die sexuelle Integrität können zwar zum Tatbestand der Folter gehören, doch da sie weder die qualifizierenden Elemente der Folter enthalten noch deren vollen Unrechtsgehalt wiedergeben, ist das für sie vorgesehene Strafmass im Zusammenhang mit Folter zu gering und vermag keine abschreckende Wirkung zu entfalten. Die Einführung eines allgemeinen Foltertatbestands würde es der Schweiz ermöglichen, auch Folterhandlungen zu verfolgen, die vom geltenden Strafrecht nicht erfasst sind, unabhängig davon, ob sie im In  oder Ausland begangen worden sind und ungeachtet der Nationalität von Tätern und Opfern.

Besserer Schutz vor Folter ist notwendig

Im April dieses Jahres hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) Italien wegen Verstosses gegen das Folterverbot nach Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) verurteilt. Der Beschwerdeführer, Arnaldo Cestaro, wurde 2001 im Rahmen eines Polizeieinsatzes gegen Globalisierungsgegner am Rande des G8-Gipfels von Genua Opfer exzessiver Polizeigewalt. Das Gericht kam zum Schluss, dass durch die unbegründete und unverhältnismässige Zufügung von schweren Verletzungen der Tatbestand der Folter erfüllt ist. Diese Übergriffe seien jedoch straffrei geblieben, weil das italienische Strafgesetz dafür weder einen Tatbestand noch eine Strafandrohung kenne. In ihrem wegweisenden Urteil vom 7. April 2015 befanden die Richterinnen und Richter in Strassburg, dass Italien Art. 3 EMRK verletzt hatte. Dies nicht nur wegen der groben Misshandlungen, die Arnaldo Cestaro erlitten hatte, sondern auch, weil unter dem geltenden italienischen Strafrecht Tatbestände, die unter das Folterverbot fallen, nicht ausreichend untersucht und bestraft werden können.

Auch die Schweiz, die bisher als «Musterschülerin» der EMRK gilt, könnte wegen dem Fehlen eines Folterverbots im Strafgesetz verurteilt werden. Will sie ihrer Rolle als Vorreiterin in Sachen Demokratie gerecht werden, muss sie den Foltertatbestand in ihr Strafgesetz aufnehmen und dafür angemessene Strafen vorsehen.

Empfehlung des Ausschusses gegen Folter

Ausserdem überprüft Ende Juli der UNO-Ausschuss gegen Folter den siebten periodischen Staatenbericht der Schweiz. Er wird der Schweiz zum wiederholten Mal empfehlen, eine umfassende Definition der Folter in ihr Strafgesetzbuch aufzunehmen, und sie wird wiederum dazu Stellung nehmen müssen.

Dokumentation