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NGOs fordern: Weiterhin keine Rückschaffungen nach Sri Lanka

05.06.2014

267 Tamilen/-innen sind ab 2011 von den Schweizer Behörden nach Sri Lanka ausgeschafft worden. 2013 deckte die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf, dass einige Rückkehrer nach der Ankunft von srilankischen Ordnungskräften verhaftet und teilweise gefoltert wurden. Eine Koalition von Schweizer NGOs forderte darauf mit einer Petition den sofortigen Stopp der Rückführungen. Im August 2013 berichteten Schweizer Medien über zwei Tamilen, die sofort nach der Rückschaffung durch das Bundesamt für Migration (BFM) in Sri Lanka inhaftiert wurden. Sie sind noch heute in Haft. Im September 2013 sistierte das BFM die Rückschaffungen. Nun zeigen unabhängige Gutachten, dass das BFM die Lage und das Risiko für die Rückkehrer ab 2011 falsch eingeschätzt hatte.

Mehrere Mängel im BFM

Das BFM hat das individuelle Risiko einer Gefährdung in Sri Lanka nicht richtig einschätzt, stellen zwei unabhängige Gutachten fest, die das BFM nach den Verhaftungen in Sri Lanka 2013 in Auftrag gegeben hatte. Die Gutachten stammen von Rechtsprofessor Walter Kälin (Leiter des Schweizerischen Kompetenzzentrums für Menschenrechte) sowie vom UNO-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR). Die Resultate der externen Untersuchung fördern mehrere Mängel im BFM zu Tage.

Zum einen war die lange Dauer der Verfahren von vier Jahren ein Problem, da sich in dieser Zeitspanne die Lage in Sri Lanka dramatisch veränderte. Die beiden Asylsuchenden reichten ihre Gesuche 2009 ein. Zu diesem Zeitpunkt war der Krieg in Sri Lanka beendet und es herrschte die Hoffnung auf Versöhnung. Diese Hoffnungen blieben unerfüllt. Stattdessen agierten die srilankischen Streitkräfte und Behörden auch nach Kriegsende mit rigorosen Massnahmen gegen vermeintliche Sympathisanten der Rebellen, wodurch der Druck auf die tamilischen Vertriebenen anstieg.

Zum andern ist dem Gutachten zu entnehmen, dass innerhalb des BFM mehrere Personen die Dossiers der zwei betroffenen Asylsuchenden bearbeitet haben. Das heisst, eine Person führte die Befragungen durch, eine andere fällte schliesslich den Asylentscheid. Die Untersuchung zeigt ausserdem, dass durch die Reorganisation des BFM die Führung und fachliche Begleitung der Mitarbeitenden mangelhaft war. Nicht zuletzt zeigen die Gutachen, dass in beiden Verfahren die Anhörungen in unzureichendem Ausmass stattfanden. Sie gingen zu wenig in die Tiefe, eine Nachbearbeitung, im Sinne von notwendigen weiteren Abklärungen ist nicht gemacht worden.

BFM hebt Wegweisungsstopp auf

Das BFM schreibt, die notwendigen Massnahmen würden nun intern angegangen. Gleichzeitig unterrichtet das BFM in einer Medienmitteilung die Öffentlichkeit, dass der Wegweisungsstopp für Sri Lanka aufgehoben wird. Bei allen abgewiesenen Asylsuchenden aus Sri Lanka erfolge nun eine erneute Prüfung ihrer Gefährdung anhand aktualisierter Kriterien. Die Aufhebung des Wegweisungsstopps beunruhigt zahlreiche NGOs, darunter auch humanrights.ch.

Die Organisationen, die 2013 die Kampagne «Aufklärung und Gerechtigkeit in Sri Lanka» organisiert und den Wegweisungstopp gefordert hatten, begrüssen, dass das BFM – erstmals überhaupt – eine Qualitätsprüfung des Asylverfahrens durch unabhängige externe Akteure durchführen liess. In ihrer Medienerklärung vom 26. Mai 2014 kritisieren sie aber das Bundesverwaltungsgericht, welches dafür sorgen müsse, dass die Asylentscheide gestützt auf die Untersuchungsmaxime vollumfänglich beurteilt werden, insbesondere aber im Hinblick auf die Risiko-Beurteilung bei Rückschaffungen durch das BFM. «Es darf nicht sein, dass das BVG zur simplen Erfüllungsgehilfin des BFM wird», halten sie fest.

Aufgrund der sich weiter deutlich verschlechterten Menschenrechtslage in Sri Lanka verlangt die NGO-Koalition eine Weiterführung des Wegweisungs-Stopps. Die Rückkehr nach Sri Lanka dürfe nur auf freiwilliger Basis erfolgen.

Gefahr in Sri Lanka

Im März 2014 hat die Regierung Sri Lankas eine Terroristenliste erlassen und erklärt, alle Personen, die Kontakt mit einer der auf der Liste aufgeführten Organisationen (oder deren Mitglieder) haben oder hatten, würden als Terroristen betrachtet werden. Die Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht in der Westschweiz (ODAE) schätzt, dass Personen, die in die Schweiz geflüchtet sind, generell verdächtigt werden könnten, einer der aufgeführten Organisationen anzugehören.

Deshalb beharren Schweizer NGOs (unter ihnen auch humanrights.ch) auf der Ansicht, dass die zwangsweise Rückführung von srilankischen Staatsangehörigen gegen das Non-Refoulement-Prinzip verstösst, wonach keine Personen in einen Staat verbracht werden dürfen, in dem ihnen Folter droht. Dass die Ordnungskräfte in Sri Lanka systematisch zu Foltermethoden greifen, sehen internationale NGOs wie Amnesty International als erwiesen an. Der Bericht «Bei Ankunft Folter» der Gesellschaft für bedrohte Völker vom September 2013 hält die Aussagen von mehreren Rückkehrenden aus der Schweiz fest, die bei ihrer Ankunft festgenommen und gefoltert wurden.

Petition der NGO-Koalition 2013

2013 hatte sich eine Koalition von Schweizer NGOs gebildet, die in einer Petition den Wegweisungsstopp von srilankischen Staatsangehörigen gefordert hatte. Ausserdem forderte die Petition den Bundesrat auf, sich international noch stärker dafür einzusetzen, dass eine glaubwürdige, unabhängige und internationale Untersuchung über mutmassliche Kriegsverbrechen der Armee sowie der Tamil-Tiger (LTTE) in Sri Lanka durchgeführt wird.

In der Schweiz leben heute rund 50‘000 Tamilen; dies ist eine der weltweit grössten Tamilen-Diasporagemeinschaften. Deshalb hat die Schweiz eine besondere Verantwortung gegenüber Schutzsuchenden aus Sri Lanka.

Dokumentation

Informationen zur Petition

Weiterführende Informationen