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Rassistisches Profiling: Empfehlungen und Forderungen

06.06.2016

Aus dem vorliegenden Themendossier ergeben sich folgende Forderungen, deren Realisierung teilweise Gesetzesänderungen oder institutionelle Änderungen auf der Ebene der einzelnen Polizeikorps voraussetzen:

Auf die Personenkontrollen bezogene Massnahmen:

  • Verdachtsunabhängige Personenkontrollen müssen gesetzlich verboten werden.
  • Personenkontrollen wegen Verdachts auf illegalen Aufenthalt müssen sich immer auf objektive Verdachtsgründe stützen; die äussere Erscheinung ist kein Verdachtsgrund.
  • Personenkontrollen wegen Verdachts auf Drogenhandels müssen sich immer auf beobachtetes Verhalten stützen. Die äussere Erscheinung kann in bestimmten Situationen ein untergeordneter Grund sein, darf aber niemals der Hauptgrund sein.
  • Personenkontrollen müssen von den Polizeibeamten/-innen mit einem gesamtschweizerisch-standardisierten Formular dokumentiert werden. Dieses dient auch dazu, eine Kontrollquittung auszustellen, welche den Grund und die Ergebnisse der Kontrolle festhält.

Weitere institutionelle Massnahmen

  • Das Thema «Rassistisches Profiling» soll explizit ins Lehrmittel für die polizeiliche Grundlagenausbildung aufgenommen werden.
  • Das Thema «Rassistisches Profiling» soll in der Weiterbildung anhand konkreter Beispiele behandelt werden.
  • Anhand des Beispiels der Stadt Lausanne (vgl. unseren Artikel «Positive Entwicklungen in einzelnen Kantonen») sollen die einzelnen Polizeikorps organisatorische Massnahmen ergreifen, um den Dialog und die Reflexion innerhalb der Institution zu fördern und so die Polizeikultur positiv zu beeinflussen.
  • Durch Dialog und vertrauensbildende Massnahmen soll das Vertrauen zwischen der Polizei und Minderheiten gestärkt werden (Community Policing).
  • Alle Kantone sollten unabhängige Ombudsstellen einrichten, welche auch für mutmassliches Fehlverhalten seitens der Polizei zuständig sind.
  • Um den diskriminierungsfreien Zugang zur Justiz sicherzustellen, bedarf es einer Beweislastumkehr in Diskriminierungsfällen (vgl. Erläuterungen unten).
  • Auf der Grundlage der standardisierten Formulare für Personenkontrolle wird eine gesamtschweizerische Statistik geführt.
  • Die Rekrutierung von ausländischen Staatsangehörigen zum Polizeiberuf soll ermöglicht und die Rekrutierung von Secondos speziell gefördert werden.

Umkehr der Beweislast

Der Nachweis des rassistischen Profilings stellt regelmässig ein verfahrensrechtliches Problem dar, da die inneren Beweggründe der Polizeibeamten dem Beweis kaum zugänglich sind. Deshalb bedarf es einer Reduktion des Beweismasses auf Glaubhaftmachung mit anschliessender Beweislastumkehr. Es wird also gefordert, dass die Polizeibeamten-/innen nachweisen müssen, nicht diskriminierend kontrolliert zu haben, wenn ein Verdacht glaubhaft gemacht werden kann, dass eine Kontrolle aufgrund der Hautfarbe vorgenommen worden ist. Dies ergibt sich aus Artikel 8 Abs. 2 BV in Verbindung mit der Verpflichtung gem. Art. 35 BV, den Diskriminierungsschutz wirksam auszugestalten und nicht ins Leere laufen zu lassen. Diese Umkehr der Beweislast wurde in grundsätzlicher Weise im BGE 129 I 217 sowie in der jüngeren Lehre hergeleitet.

Auch das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte hat sich in der Studie «Zugang zur Justiz in Diskriminierungsfällen» ausdrücklich für eine Beweislasterleichterung mit anschliessender Beweislastumkehr ausgesprochen. Die Beweislastumkehr ist auch gemäss der EU-Studie «Comparative study on access to justice in gender equality and anti-discrimination law» eine «wesentliche Errungenschaft in der Unterstützung von Opfern von Diskriminierung [und] das entscheidende Merkmal, das Diskriminierungsfälle von anderen unterscheidet.» International hat sich der EGMR im Urteil D.H. und weitere gegen Tschechische Republik dahingehend geäussert, dass in Diskriminierungsfällen eine Glaubhaftmachung der Diskriminierung durch die betroffene Person zu einer Umkehr der Beweislast führt (vgl. «Internationales Recht»).

Vor dem Hintergrund dieser internationalen Rechtspraxis und der jüngsten Schweizer Rechtspraxis ist es unverständlich, dass der Bundesrat die Beweislasterleichterung in seinem Bericht vom Juni 2016 zum Postulat Naef als unrealistisch abgelehnt hat.