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Einschätzungen zum Schweizer OECD-Kontaktpunkt

11.10.2017

Die Arbeit des Schweizer OECD-Kontaktpunkts, der Beschwerden gegen multinationale Unternehmen bearbeitet und zur Streitschlichtung beitragen soll, wurde im Herbst 2016 im Rahmen einer «Peer Review» von einer Arbeitsgruppe der OECD überprüft. Der entsprechende Bericht wurde von der OECD im Frühling 2017 veröffentlicht. Dabei seien - entgegen der Einschätzung des SECO, das den Nationalen Kontaktpunkt betreibt  - einige markante Schwachpunkte aufgedeckt worden, wie Markus Mugglin in seiner kritischen Würdigung der «Peer Review» betont. Auch die NGO-Vertreter im Beirat des Nationalen Kontaktpunktes ziehen eine kritische Zwischenbilanz.

Hintergrund: Reorganisation 2013

Der Nationale OECD-Kontaktpunkt hat grundsätzlich die Aufgabe, Beschwerden wegen Verstössen von multinationalen Unternehmen mit Sitz in der Schweiz gegen die OECD-Leitlinien entgegenzunehmen und in einem Konsultations- und Vermittlungsverfahren so zu bearbeiten, dass Klarheit über die Fakten und wo nötig Korrekturen und Abhilfe in der Praxis geschaffen werden.

Der Bundesrat hatte am 1. Mai 2013 eine Verordnung gutgeheissen, mit welcher die Arbeitsweise des schweizerischen Kontaktpunktes für multinationale Unternehmen auf eine neue organisatorische Grundlage gestellt wurde. Das deklarierte Ziel war es, die Beschwerden wegen Verstössen gegen die OECD-Leitsätze wirkungsvoller zu bearbeiten.

Gleichzeitig hatte der Bundesrat eine Eidg. Kommission zur Beratung des Nationalen Kontaktpunkts einberufen, kurz NKP-Beirat genannt, in welchem der Bund, die Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbände, die Gewerkschaften, die Nichtregierungsorganisationen und die Wissenschaft vertreten sind. Mit diesem Schritt antwortete der Bundesrat sowohl auf die Überarbeitung der OECD-Leitsätze im Jahre 2011 wie auf die seit Jahren geäusserte Kritik schweizerischer NGOs an der wenig effizienten Funktionsweise des Nationalen Kontaktpunktes. Obwohl sich Alliance Sud von dieser Reform in einer ersten Reaktion nicht begeistert zeigte, hat ein Vertreter der entwicklungspolitischen Dachorganisation ebenso wie ein Vertreter der Gesellschaft für bedrohte Völker GfbV im NKP-Beirat Einsitz genommen.

Zwischenbilanz der im Beirat beteiligten NGO's

Christoph Wiedmer, Geschäftsleiter der Gesellschaft für bedrohte Völker, der als NGO-Vertreter im NKP-Beirat sitzt, attestiert dem Gremium auf Anfrage zum einen die Bereitschaft, die Schwachpunkte des Nationalen Kontaktpunktes angehen zu wollen. Allerdings fehle noch der Tatbeweis, dass die Verbesserungsvorschläge auch umgesetzt würden. Auch hätten nicht alle wichtigen Kritikpunkte, die während des Peer Reviews vorgebracht wurden, in die Umsetzungspläne Eingang gefunden. So etwa die Einführung eines Beschwerdeverfahrens, die institutionelle Unabhängigkeit des Nationalen Kontaktpunktes vom SECO oder die Unterstützung von lokalen Gemeinschaften zur Erarbeitung einer Beschwerde.

Zum andern betont Wiedmer auch die Grenzen des Nationalen Kontaktpunktes als solchem: Er biete zwar ein nützliches Verfahren, um konkrete Konfliktfälle zwischen transnationalen Unternehmen und lokalen Akteuren zu bearbeiten, gerade auch weil die Verhandlungsposition von letzteren gestärkt werde. Doch dieses Streitschlichtungsverfahren ersetze in keiner Weise rechtlich verbindliche Mechanismen zur Durchsetzung der menschenrechtlichen Verantwortung der Firmen. Zusätzlich zum Nationalen Kontaktpunkt brauche es eine gesetzlich verankerte Sorgfaltsprüfungs- und Haftungspflicht für transnationale Unternehmen.

Gewollte Schwachpunkte

Der zweite NGO-Vertreter im NKP-Beirat, Laurent Matile von Alliance Sud, hat in der Herbstausgabe 2017 von Global+ die Mängel und Schwächen des Nationalen Kontaktpunktes analysiert. Er stellt fest, dass der NKP darauf beschränkt sei, eine «Dialogplattform» für Parteien zu sein, die miteinander in einem Konflikt stehen. Dabei sei das Ziel, sich in einem Prozess «freiwilliger Mediation» aussergerichtlich zu einigen. Doch die Wirksamkeit dieses Instruments wird stark eingeschränkt durch verschiedene Umstände wie die fehlende institutionelle Unabhängigkeit des NKP, systematische Intransparenz zu den Entscheiden, fehlende Mittel, fehlendes Überwachungsorgan, keine Kompetenz für Sanktionen.

Alle diese Schwächen sind nicht zwingend, sondern vom Bundesrat so gewollt. Der nicht allzu smarte Mix aus Freiwilligkeit und Unverbindlichkeit, der den NKP kennzeichnet, vermag keineswegs einen verbindlichen Mechanismus der Wiedergutmachung für Opfer von wirtschaftlich bedingten Menschenrechtsverletzungen zu ersetzen.

Dokumentation

Reorganisation 2013

Peer Review 2017

Artikel von Alliance Sud