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Revision der OECD-Leitsätze: Erste kritische Einschätzung von NGOs

30.05.2011

Am 25. Mai 2011 hat die OECD-Ministerkonferenz in Paris die neuen Leitsätze für multinationale Unternehmen verabschiedet. Die Revision brachte in Bezug auf die Menschenrechte ein paar wichtige Verbesserungen. Völlig ungenügend sind nach Ansicht verschiedener NGOs hingegen die Bestimmungen zur Sicherstellung der konkreten Umsetzung. Dafür mitverantwortlich sei insbesondere auch die Schweiz.

Die Revision

Die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen sollen deren verantwortungsbewusstes soziales und ökologisches Verhalten fördern. Sie setzen einen Standard, sind aber nicht rechtsverbindlich. In jedem Vertragsstaat gibt es eine Nationale Kontaktstelle (NKS), an die Verstösse gegen die Leitsätze gemeldet werden können. Die auf das Jahr 1976 zurückgehenden Leitsätze sind zwischen Mai 2010 und Mai 2011 zum vierten Mal revidiert worden.

42 Staaten haben die neuen, erweiterten Standards für multinationale Unternehmen unterzeichnet: Die 34 OECD-Länder sowie Argentinien, Brasilien, Ägypten, Lettland, Litauen, Marokko, Peru und Rumänien.

Was ist neu?

Als wichtige Neuerung haben die Minister/-innen bei der neusten Revision explizit ein Kapitel zum Thema Menschenrechte in die Leitsätze integriert. Dieses stützt sich auf die Arbeiten von John Ruggie, dem UNO-Sonderbeauftragten für Wirtschaft und Menschenrechte. Darin werden multinationale Unternehmen und ihre Tochterfirmen aufgefordert, die Menschenrechte bei allen Operationen und Geschäftsbeziehungen und auch gegenüber Lieferanten und Vertragsunternehmen zu respektieren. Zudem sollen die Firmen die nötigen Schritte unternehmen, um ihrer Sorgfaltspflicht nachzukommen. Die unterzeichnenden Staaten müssen gemäss den neuen Leitsätzen unter anderem dafür sorgen, dass Unternehmen angemessene Löhne zahlen, die Korruption bekämpfen sowie nachhaltige Wertschöpfung fördern, wie die OECD mitteilt.

Was wird kritisiert?

Trotz dieser Fortschritte liest sich aus den ersten Reaktionen von Nichtregierungsorganisationen Enttäuschung. Als mangelhaft bezeichnet werden in einer Medienmitteilung der NGOs Alliance Sud, Amnesty International (AI), der Arbeitsgruppe Schweiz Kolumbien (ASK) und der Erklärung von Bern (EvB) vor allem die Massnahmen zur Umsetzung der Leitsätze. Beispielsweise sei der Versuch gescheitert, die Nationalen Kontaktpunkte zu stärken. «Die revidierten Leitsätze verpflichten die nationalen Stellen weder dazu, in Streitfällen klare Empfehlungen zu formulieren, noch allfällige Verstösse gegen die Leitsätze zu benennen oder sich einer externen Kontrolle zu unterziehen. Für Unternehmen, die gegen die Leitsätze verstossen oder sich weigern, mit den nationalen Kontaktpunkten zusammenzuarbeiten, sind keinerlei Sanktionen vorgesehen», schreiben die NGOs in ihrer Mitteilung.

Forderungen an die Schweiz

Die Organisationen kritisierten darüber hinaus die Rolle der Schweiz, welche sich während der Revisionsarbeiten vehement gegen verbindlichere Regeln gewehrt habe. Die Schweiz müsse nun ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen, indem sie die Trägerschaft des Nationalen Kontaktpunkts überprüfe und diesen unabhängiger, glaubwürdiger und politisch kohärenter gestalte.

Der Nationale Kontaktpunkt ist in der Schweiz beim Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) angesiedelt, welches nach Ansicht der NGOs der Privatwirtschaft zu nahe stehe. Die NGOs fordern deshalb, dass das Seco mehr Ressourcen und Knowhow einsetze, um den Zugang für die Opfer von Menschenrechts- und Umweltverstössen im Süden zu erleichtern.

Dokumentation