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Podcast «Artikel Sieben» - #3: Für immer weggesperrt

27.11.2023

Unser neuer Podcast «Artikel Sieben» rückt die Menschenrechte in der Schweiz ins Zentrum. Einzelne Fälle machen gravierende Lücken im Menschenrechtsschutz sichtbar. In der dritten Folge geht es um die Verwahrung. Gesprächspartner ist Stephan Bernard, Rechtsanwalt in Zürich.

Jeder Freiheitsentzug greift tief in zahlreiche Individualrechte der Betroffenen ein. Keine andere staatliche Massnahme beschneidet in unserer Rechtsordnung den Gestaltungsspielraum der Einzelnen so stark. Während Freiheitsstrafen zeitlich limitiert sind, sind sogenannte Verwahrungen zeitlich unlimitiert. Sie dauern so lange bis rechtskräftig entschieden wird, dass sie nicht mehr notwendig sind. In der Schweiz sind derzeit rund 150 Menschen verwahrt. Begründet wird ihr Freiheitsentzug mit einer grossen Gefahr für Rechtsgüter der Allgemeinheit, die sich nicht in absehbarer Zeit therapeutisch bannen lässt. Der Freiheitsentzug in einer Verwahrung dauert meist weit länger als die schuldangemessene Strafe. Denn in der heutigen Sicherheits- und Kontrolllogik wird kaum mehr jemand aus der Verwahrung entlassen, auch wenn dies an sich rechtlich möglich wäre.

Die von einer Verwahrung Betroffenen verbüssen damit nicht eine Strafe für vergangenes Unrecht, sondern sind weggesperrt, um potentiell künftige Delinquenz von ihnen zu verhindern. Sie erbringen damit ein enormes persönliches Sonderopfer für die Allgemeinheit. Trotzdem verbringt der grösste Teil von ihnen ihren Freiheitsentzug unter nahezu identischen Bedingungen wie Gefangene im Normalvollzug. Ein strategischer Prozess will dies nun ändern.

Die dritte Folge des Podcasts beschäftigt sich im Kern mit der Frage, ob der Verwahrungsvollzug menschenrechtskonform ist bzw. wie der Verwahrungsvollzug menschenrechtskonform(er) ausgestaltet werden könnte. Dabei wird ein Blick in andere Länder und in ein Solothurner Pilotprojekt mit je weit besseren Inhaftierungsbedingungen geworfen. Erörtert wird - von einem paradigmatischen Einzelfall ausgehend - insbesondere auch, ob das Recht auf persönliche Freiheit gemäss EMRK durch die gängige Praxis verletzt ist. Besprochen wird, ob der hiesige Verwahrungsvollzug derzeit ausreichend auf Resozialisierung ausgerichtet ist. Das Gespräch ordnet überdies Entscheide des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, einen Bericht der Nationalen Kommission zur Verhütung von Folter und aktuelle Tendenzen des Massnahmenvollzugs ein. Die dritte Folge des Podcast bringt damit Licht in eine dunkle menschenrechtliche Situation, die in der Öffentlichkeit viel zu selten beleuchtet wird.

humanrights.ch hat vor knapp zehn Jahren erkannt, dass die Betroffenen im Straf- und Massnahmenvollzug bezüglich ihrer Menschenrechte sich in einer ganz besonders vulnerablen Position befinden und ihr Zugang zum Recht oft massiv ungenügend gewährleistet wird. Aus dem Grund betreibt humanrights.ch zum grössten Teil auf Spendenbasis eine Beratungsstelle für Menschen im Freiheitsentzug, die niederschwellig und unentgeltlich einen ersten Zugang zu kundiger Hilfe gewährleistet.

«Artikel Sieben» wird herausgegeben von humanrights.ch und produziert von podcastlab.ch. Die einzelnen Folgen sind in allen Podcastkanälen zu hören oder können auf dieser Seite direkt abgespielt werden.