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Rückschaffungen nach Italien sind problematisch

29.10.2013

Die Schweiz schafft regelmässig Asylsuchende nach Italien zurück. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sogar mit Abstand am meisten: Acht von zehn sogenannten Rücküberstellungen im Rahmen des Dublin-Abkommens stammen aus der Schweiz. Die Rückführungen sind gemäss Schengen-Dublin-Abkommen rechtmässig. Allerdings sind die Verhältnisse in Italien für Asylsuchende äusserst prekär, wie Schweizer NGOs mehrfach berichteten. Ein solcher Bericht stammt von der Schweizerischen Beobachtungsstelle für Asyl- und Ausländerrecht vom November 2009. Der Fokus dieses Berichts liegt grösstenteils auf Rom, Grundlage sind Recherchen vor Ort sowie Gespräche mit Flüchtlingen und diversen Organisationen in Rom und Turin.

Die Mehrheit ist obdachlos

Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge erhalten keine garantierte Unterkunft, schreibt die Beobachtungsstelle in ihrem Bericht, der die Situation von Asylsuchenden darlegt, die von der Schweiz nach Italien zurückgeschafft werden. Die Überlebensbedingungen seien äusserst prekär, weil die Institutionen in Italien völlig überlastet sind. Viele Asylsuchende sind laut dem Bericht nach ihrer Rückführung obdachlos und ohne gesicherten Zugang zu Nahrung. Die Betroffenen übernachten demnach in Parks, leer stehenden Häusern und überleben dank der Hilfe von karitativen Organisationen.

«Die dramatische Situation betrifft auch die zahlreichen Flüchtlinge, die eine subsidiäre Aufnahme erhalten haben und gemäss dem Refoulement-Verbot nicht abgeschoben werden dürfen. Eine Grosszahl dieser Flüchtlinge ist obdachlos. Neben den ungenügenden staatlich finanzierten Strukturen bieten private, meist kirchliche Organisationen Integrationsprojekte, Unterkunft und Mittagstische an. Auch diese reichen aber bei weitem nicht aus, um die obdachlosen Migranten/-innen aufzunehmen. Die Mittagstische werden derweil rege genutzt: Die Tausenden Flüchtlinge, die in Pärken und leer stehenden Häusern übernachten, ernähren sich mit der Hilfe privater Organisationen», ist im Bericht weiter zu lesen.

Auch verletzliche Personen ungeschützt

Nach Informationen von Caritas Rom gelten die prekären Bedingungen selbst für besonders verletzliche Personen wie Minderjährige, Schwangere und Traumatisierte. Zwar steht ihnen gemäss den italienischen Gesetzen eine besondere Behandlung zu. Das heisst, sie sollten, wenn sie nach Rom ausgeschafft werden, im Flughafen Fiumicino in Empfang genommen und in Zentren gebracht werden. Jedoch bestehe auch für verletzliche Personen ein Platzproblem, obwohl sie bevorzugt behandelt werden. «Unbegleitete Minderjährige haben zwar ein Recht, von der Gemeinde beherbergt zu werden, jedoch darf bezweifelt werden, dass es immer eingehalten wird. Insbesondere in Rom ist die diesbezügliche Situation laut Caritas Rom prekär, da die Warteliste sehr lang ist», schreibt die Beobachtungsstelle.

Dennoch zwingt die Schweiz weiterhin auch Personen, welche eines besonderen Schutzes bedürfen, zur Ausreise nach Italien (siehe Schweiz schafft einen Minderjährigen aus). Angesichts der Zustände in Italien sind solche Entscheide der Schweizer Behörden aus menschenrechtlicher Sicht äusserst problematisch.

Asylstatistik 2009

Gemäss Angaben des Bundesamts für Migration (BFM) kam es 2009 aufgrund der Dublin-II-Verordnung zu einer markanten Zunahme der Nichteintretensentscheide: Es wurden insgesamt 7'678 Nichteintretensentscheide gefällt, was im Vergleich zum Vorjahr einer Zunahme von 149.9 Prozent entspricht, wie die Beobachtungsstelle festhält. Der Statistik des BFM ist leider nicht zu entnehmen, wieviele Personen 2009 zwangsweise nach Italien ausreisten. Es ist allerdings die Rede von rund 4'500 Personen, bei welchen die Ausreise stattgefunden habe oder in die Wege geleitet ist. Es ist anzunehmen, dass ein grosser Anteil davon nach Italien ausgeführt wird, bzw. wurde.

Dokumentation

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