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Der gescheiterte Beitritt zur ILO-Konvention 169

06.11.2006

Bundesrat gegen Beitritt zu ILO 169

Der Bundesrat hat seinen Bericht zur Situation der Fahrenden in der Schweiz verabschiedet. Darin wird die Idee befürwortet, ehemalige Militärareale als Stand-, bzw. Durchgangsplätze für Fahrende umzunutzen, da immer noch Stand- und Durchgangsplätze fehlen. Zusätzliche Mittel will der Bundesrat dafür aber nicht sprechen. Dies wird von der Eidg. Kommission gegen Rassismus und der Stiftung Zukunft Fahrende als ungenügend taxiert. Ausserdem hat sich die Regierung gegen die Unterzeichnung der ILO-Konvention 169 ausgesprochen. Nichtregierungsorganisationen haben dies umgehend kritisiert. 

«Übertriebenes Bild»

Der Bericht zeichne ein völlig übertriebenes Bild der aus einer Ratifizierung der ILO-Konvention Nr. 169 der Schweiz angeblich erwachsenden finanziellen und rechtlichen Verpflichtungen. Dies schreibt die NGO-Koalition Swisspro-ILO 169. Damit lenke der Fahrendenbericht von der unbequemen Tatsache ab, dass die beschriebene missliche Situation der Fahrenden in der Schweiz auch ohne Ratifizierung der ILO 169 dringend behoben werden müsste.

Aussenpolitische Glaubwürdigkeit auf dem Spiel

Ins Feld geführt wird von der Koalition in diesem Zusammenhang auch die aussenpolitische Dimension einer Nichtunterzeichnung. Die ILO 169 stelle für die Schweiz im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit, der Friedensförderung und in bilateralen Wirtschaftsbeziehungen in vielen Fällen das einzige effektive Instrument zum Schutze Indigener und tribaler Völker dar. Nur eine Ratifizierung würde der Schweiz in dieser Sache die aussenpolitisch dringend benötigte Glaubwürdigkeit verschaffen.

Ungenügende Verbesserungsvorschläge

Die Stiftung "Zukunft für Schweizer Fahrende" und die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) sind der Ansicht, dass die im Bericht gemachten Vorschläge zur Verbesserung der Wohnsituation unbefriedigend sind. Sie forderten an einer Medienkonferenz am 2. November 2006, dass «ein Aktionsplan zur Beseitigung der Diskriminierung» ausgearbeitet werden muss, auf dessen Basis alle Kantone «Konzepte zur Schaffung von Stand- und Durchgangplätzen zu entwickeln» haben. Dadurch soll zumindest die Wohnsituation für Fahrende, die sich in den letzten Jahren noch weiter verschlechtert hat, entspannt werden. 

Swisspro ILO 169: «Die Schweiz muss Farbe bekennen!»

Artikel vom 10.08.2006

Die Schweiz soll die Konvention 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zum Schutz der indigenen Völker ratifizieren. Dies fordert am 9. August 2006, dem Internationalen Tag der Indigenen Völker, eine neu formierte Koalition von Menschenrechtsorganisationen, die auch von Humanrights.ch / MERS unterstützt wird.

Die Schweiz müsse endlich Farbe bekennen, schreibt Swisspro ILO 169 in einer Medienmitteilung. Die Koalition fordert eine kohärente Menschenrechtspolitik: Es gehe nicht an, dass die Schweiz aussenpolitisch den Schutz der indigenen Völker und den Schutz für Minderheiten propagiere, und sich innenpolitisch vor Verantwortung scheue.

Zur Bedeutung der ILO 169 für die Schweiz 

In der UNO-Menschenrechtsratssitzung vom 29. Juni 2006 hatte die Schweiz die Deklaration zum Schutz der indigenen Völker unterstützt. Diese Deklaration stellt vor allem ein politisches Zugeständnis dar. Im Gegensatz dazu wäre die Ratifizierung der ILO-Konvention 169 für den Schutz von indigenen Völkern rechtsverbindlich. Bisher zögert die offizielle Schweiz mit der Ratifizierung, weil sie zusätzliche Leistungsansprüche für Fahrende befürchtet. Allerdings hat sich die Schweiz mit der Ratifizierung des Rahmenübereinkommens des Europarates zum Schutz nationaler Minderheiten bereits 1999 verpflichtet, die Rechte der Fahrenden zu stärken. Die ILO-Konvention 169 mit ihrem flexiblen Anwendungscharakter biete der Schweiz primär einen grösseren programmatischen Rahmen zur Regelung der Rechte der Fahrenden, schreibt Swisspro ILO 169 dazu in ihrem Communiqué.

Die Ratifizierungsfrage wird voraussichtlich in der Herbstsession 2006 in den Ratskommissionen behandelt. Ausserdem wird sich der Bundesrat demnächst mit dem Bericht über die Fahrenden in der Schweiz beschäftigen müssen.

Vernehmlassung des Berichts über die Fahrenden abgeschlossen

(Artikel vom 16.03.2006)

Die Vernehmlassung zum Bericht über die «Situation der Fahrenden in der Schweiz» ist beendet. Bis zum 1. November 2005 haben zahlreiche Organisationen zur Frage der Ratifizierung des Übereinkommens 169 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO) und zur Standplatzproblematik Stellung genommen. Auch Humanrights.ch / MERS hat sich an der Vernehmlassung beteiligt.

«Nach unserer Meinung wäre die Ratifizierung zwingende Konsequenz einer kohärenten Menschenrechtspolitik.» Humanrights.ch / MERS schreibt in der Stellungnahme weiter, es sei nicht klar ersichtlich, weshalb der Bericht den Eindruck erwecke, eine Ratifikation wäre problematisch. Dass die Ratifizierung politische, finanzielle und legislative Folgen für die Schweiz hätte, liege in der Natur eines völkerrechtlichen Übereinkommens. Die Folgen seien aber verhältnismässig gering: die im Übereinkommen zugestandenen Rechte stünden den Fahrenden zu einem Teil schon nach geltendem nationalem und internationalem Recht zu; die finanziellen Lasten würden die vergangenen schweren Verletzungen nicht aufwiegen, allein das politische Bewusstsein scheine aufgrund der Vorlage ein Hindernis darzustellen. Letzteres sei aber nicht in Stein gemeisselt, denn bestehende Vorurteile könnten abgebaut werden.

Schweiz soll ILO-Konvention zum Schutz indigener Völker beitreten

Artikel vom 09.08.2005

Die Schweiz soll die Konvention zum Schutz indigener Völker von der Internationalen Arbeiterorganisation (ILO) unterzeichnen. Dies fordern verschiedene schweizerische Nichtregierungsorganisationen anlässlich des internationalen Tages der indigenen Völker vom 9. August 2005.

Die Unterzeichnung der Konvention 169 der ILO sei ein wichtiger Akt der Solidarität der Schweiz mit den indigenen Völkern auf der ganzen Welt, schreiben die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV), Incomindios, der Bruno-Manser-Fonds (BMF) und das Dokumentationszentrum doCip in einer gemeinsamen Medienmitteilung. Die Schweiz habe wiederholt bewiesen, dass sie sich für den Schutz der indigenen Völker engagiere. Diese Tradition solle sie nun konsequent weiterführen. Deshalb fordern die vier Nichtregierungsorganisationen die Schweiz auf, die Konvention nun rasch zu unterzeichnen und sich im Rahmen der 2. UNO-Dekade für indigene Völker verstärkt einzusetzen.

Der Nationalrat hatte sich 2001 für die Ratifizierung der Konvention ausgesprochen, der Ständerat lehnte dies jedoch ab, da er befürchtete, dass die Unterzeichnung Forderungen der Fahrenden in der Schweiz zur Folge haben könnte. Der Bundesrat, der dem Anliegen ebenfalls skeptisch gegenüber stand, gab schliesslich einen Bericht über die Situation der Fahrenden in der Schweiz in Auftrag. Ein Vorentwurf dieses Berichts wurde Ende Juni 2005 in die Vernehmlassung geschickt. Die Vernehmlassungsfrist ist Ende September 2005 abgelaufen.

  • Medienmitteilung von GfbV, Incomindios, BMF und doCip vom 8. August 2005 (online nicht mehr verfügbar)