26.07.2016
Die These ist nicht von der Hand zu weisen, dass ein rechtlicher Minderheitenschutz die Nebenwirkung hat, Ethnizität politisch aufzuladen. Es wird befürchtet, dass Minderheitenrechte diejenigen Handlungsoptionen stärken, welche sich an einer kollektiven Identitätsplitik ausrichten, mit erhöhtem Risiko, den Akzent der Politik auf Gemeinschaftsgefühle und kollektive Ab- und Ausgrenzungen zu setzen. Deshalb seien Minderheitenrechte kontraproduktiv oder gar als gefährlich einzustufen und aus gesellschaftspolitischen Gründen abzulehnen.
Dem ist entgegen zu halten: Minderheitenrechte sind als Schutz für gesellschaftlich unterdrückte ethnische, religiöse und sprachliche Minderheiten vor einer Zwangsassimilation an die Mehrheitsgesellschaft konzipiert. Wenn eine Minderheit unterdrückt wird, so ist davon auszugehen, dass das Verhältnis zwischen Minderheit und Mehrheit bereits stark ethnisiert ist und die Einführung von Minderheitenrechten diesbezüglich nicht viel Schaden anrichten kann.
Rechtstheoretisch wird den obigen Befürchtungen der Wind aus den Segeln genommen, wenn Minderheitenrechte konzeptuell nicht mehr auf der Idee der kulturellen Identität einer Minderheitengruppe aufbauen, sondern auf der Idee eines gerechten Ausgleichs von kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen und politischen Nachteilen, welche die Angehörigen von Minderheitengruppen erleiden. Letztere kommt ohne den Fetisch der kollektiven Identität aus; sie orientiert sich vielmehr am Ideal einer Verteilungsgerechtigkeit von Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten.
- Ausgleich statt Anerkennung. Zur Begründung von Sonderrechten für Angehörige kultureller Minderheiten (pdf, 19 S.)
Alex Sutter, Manuskript, Bern 2001