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Internationale Standards für Rechte von Minderheiten und indigenen Völkern

27.07.2016

In diesem Artikel finden sich Hinweise auf internationale Rechtsquellen zum Schutz der Rechte von Minderheiten und indigenen Völkern.

UNO-Deklaration über die Rechte indigener Völker

Die von der UNO-Generalversammlung an der 61. Session im September 2007 verabschiedete Deklaration beinhaltet einen menschenrechtlich inspirierten Katalog der besonderen Rechte der indigenen Völker.

Durch die Annahme der Deklaration an der Generalversammlung gingen die UNO-Mitgliedstaaten keine rechtlich verbindlichen Verpflichtungen ein. Trotzdem stellt die Deklaration ein wichtiges Instrument im Kampf um die Verwirklichung der Rechte der indigenen Völker dar und definiert einen internationalen Standard zum Schutz ihrer Rechte. Die Deklaration stellt die indigenen Völker mit allen andern Völkern auf die gleiche Ebene. Sie anerkennt das Recht der Indigenen auf die Erhaltung und Entwicklung ihrer Institutionen, Traditionen, Kulturen und Identitäten und verbietet Diskriminierung und Marginalisierung. Ausserdem anerkannt sie das Recht auf Selbstbestimmung, auf die Kontrolle über die natürlichen Ressourcen in ihren Gebieten sowie auf Entschädigung für Ländereien, Territorien und Ressourcen, die ihnen ohne ihre freie Zustimmung weggenommen, besetzt oder beschädigt wurden.

Text der Deklaration:
deutsch (pdf, 10 S.) / französisch (pdf, 20 S.) / englisch (pdf, 18 S.)

Zur Geschichte der Deklaration

Die Deklaration ist das Resultat eines über 20 Jahre dauernden Entstehungsprozesses. Ab 1985 arbeitete die «Arbeitsgruppe zu den indigenen Bevölkerungsgruppen» an einem Deklarationsentwurf. Nachdem sie ihre Arbeit 1993 mit dem Vorschlag eines Entwurfs beendet hatte, wurde dieser von der Menschenrechtskommission 1995 an eine weitere, eigens für die Ausarbeitung eines Deklarationsentwurfs eingerichtete Arbeitsgruppe weitergegeben.

Im Juni 2006 hat der Menschenrechtsrat den Entwurf dieser Arbeitsgruppe mit 30 gegen 2 Stimmen bei 12 Enthaltungen und 3 Abwesenden gutgeheissen und an die UNO-Generalversammlung überwiesen. Die Generalversammlung hat an ihrer 61. Session am 28. November 2006 mit 83 gegen 67 Stimmen bei 25 Enthaltungen eine Resolution verabschiedet, in der gefordert wurde, dass die Entscheidung über die Erklärung verschoben wird.

Erst am 13. Sept. 2007 wurde die Resolution von der UNO-Generalversammlung mit 144 gegen 4 Stimmen bei 11 Enthaltungen gutgeheissen.

Umstrittene Elemente

Die Deklaration war von zwei Mitgliedern des Menschenrechtsrates abgelehnt worden (Kanada und Russland). Die USA, Neuseeland und Australien haben sich ebenfalls gegen den Deklarationsentwurf ausgesprochen und verlangten eine Abschwächung der Bestimmungen. Sorge bereiteten den Mitgliedstaaten einige Kernbestimmungen der Deklaration, namentlich das Selbstbestimmungsrecht der indigenen Völker und die Kontrolle über die in ihren traditionellen Ländern existierenden natürlichen Ressourcen.

Indigene Bevölkerungsgruppen oder Völker?

In den Verhandlungen über die UNO-Deklaration der Rechte von Indigenen wurde ein zentraler Streitpunkt durch ein «s» symbolisiert, nämlich in der Frage, ob es sich bei den Indigenen um «people» (Leute, Bevölkerung) oder «peoples» (Völker) handle.

Die Vertreter/innen der Indigenen beharrten darauf, «Völker» zu vertreten, was im UNO-Jargon das Recht auf Selbstbestimmung impliziert, im Extremfall bis hin zum Recht auf einen eigenen Staat.

Die Vertreter/innen der Staaten wiesen diesen Anspruch vehement zurück, da sie allfällige separatistische Tendenzen auf keinen Fall fördern wollten. Die von der UNO-Generalversammlung im Jahr 2007 verabschiedete Deklaration der Rechte indigener Völker erhält schliesslich die Bezeichnung «peoples».

Umsetzung

Die Deklaration sieht kein offizielles Kontrollorgan vor, welches die Einhaltung der Standards überprüfen soll. Die Umsetzung der Deklaration liegt in der Händen der Staaten. Eine Art Kontrollfunktion kommt dem Sonderberichterstatter zu, der im Auftrag des UNO-Menschenrechtsrates über die Menschenrechtssituation der indigenen Völker berichtet. Ebenfalls eine Art Kontrollfunktion übt das «ständige Forum zu indigenen Angelegenheiten» (UNPFII) aus. Ausserdem werden die Nichtregierungsorganisationen bei der Einforderung der durch die Deklaration erklärten Rechte weiterhin eine wichtige Rolle spielen.

Weitere Informationen

Art. 27 UNO-Pakt II und die UNO-Deklaration über die Minderheitenrechte

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

Bereits in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1949 wird auf die Rechte der Angehörigen von Minderheiten verwiesen, allerdings nicht im Sinne von Kollektivrechten, sondern des individuellen Schutzes vor Diskriminierung (Art. 7), der Rechtsgleichheit (Art. 2) sowie der Religionsfreiheit (Art. 18), um nur einige Beispiele zu nennen.

Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte

Der UNO-Pakt II von 1966 garantiert die klassischen Menschenrechte, Justizgrundrechte, das Diskriminierungsverbot sowie kulturelle Minderheitenrechte. Eine Kontrolle erfolgt durch den zuständigen Menschenrechtsausschuss unter anderem anhand von Staatenberichten über die Verwirklichung der geschützten Rechte.

Von zentraler Bedeutung für die Minderheitenrechte ist Artikel 27 von UNO-Pakt II:

«In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.»

Deklaration über die Minderheitenrechte von 1992

Bei der UNO-Deklaration über die Minderheitenrechte handelt es sich um eine rechtlich nicht bindende Konkretisierung des Artikels 27 des UNO-Paktes über bürgerliche und politische Rechte.

Die Erklärung betont, dass Angehörige von Minderheiten eines besonderen Schutzes bedürfen und das Recht haben, ihr kulturelles und religiöses Leben zu pflegen. Die Staaten schützen die Existenz und die nationale, ethnische, kulturelle, religiöse und sprachliche Identität der Minderheiten in ihrem Hoheitsgebiet.

Damit die territoriale und politische Einheit der Nationalstaaten nicht tangiert wird, befasst sich der Deklarationstext ausdrücklich mit den Individuen als Angehörigen von Minderheiten und nicht mit den Minderheitengruppen als Kollektiven. Dies deckt sich mit dem individualrechtlichen Ansatz der Menschenrechte.

Forum für Minderheitenfragen

Das Forum für Minderheitenfragen wurde durch die Resolution 6/15 des UNO-Menschenrechtsrats im September 2007 geschaffen. Es ersetzt die Arbeitsgruppe zu den Minderheiten, die seit 1995 existierte. Das Forum übernahm das Mandat der Arbeitsgruppe, nämlich gute Praktiken, Herausforderungen und Probleme bei der Umsetzung der Deklaration zu den Minderheitenrechten zu analysieren.

ILO-Konvetionen

ILO-Konvention 169

Die ILO-Konvention 169 ist das einzige international völkerrechtlich verbindliche Instrument zur Durchsetzung der Rechte indigener Völker. Sie ist 1989 von der ILO verabschiedet worden und 1991 in Kraft getreten.

Die Konvention befasst sich mit Themen wie dem Recht auf eigenes Territorium, eine eigene Lebensweise, Kultur, Religion und Sprache sowie dem Problem der Diskriminierung im Ausbildungs-, Arbeits-, Gesundheits- und Sozialversicherungsbereich. Bis heute wurde sie von 22 Staaten unterzeichnet (u.a. Norwegen, Spanien, Dänemark und die Niederlande; Stand heute).

Viele europäische Staaten haben den Einwand vorgebracht, dass es für sie sinnlos sei, die Konvention zu ratifizieren, da keine Indigenen auf ihrem Staatsgebiet wohnen würden. Auch die Schweiz weigert sich bis heute, die Konvention zu ratifizieren.

Mit der Ratifizierung verpflichten sich die Staaten, periodische Berichte zu erstellen und die Umsetzung der Konvention durch ein Komitee von Experten und Expertinnen analysieren zu lassen. Dabei geht es nicht um gerichtliche Verurteilungen, sondern um den guten Ruf der Beitrittsstaaten, um den zwischenstaatlichen Diskurs und die Verbesserung der Situation der Betroffenen.

ILO-Konvention 107

Die Internationale Arbeiterorganisation ILO hat sich als erste intensiv mit den Rechten indigener Völker beschäftigt und 1957 eine Konvention verabschiedet, welche von 27 Staaten unterzeichnet worden ist. In den 1980er-Jahren erfolgte nach einer Debatte über den paternalistischen und assimilatorischen Charakter der Konvention eine Überarbeitung und Revision, welche in der Erarbeitung der Konvention Nr. 169 resultierte.

Weiterführend

Guide to Indigenous Peoples Rights in the International Labour Organization
Überblick über die Rechte von Indigenen im Rahmen der ILO

UNESCO-Dokumente zur kulturellen Vielfalt

Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen

(Convention on the Protection and Promotion of the Diversity of Cultural Expressions)

Das von der UNESCO-Generalkonferenz am 20. Oktober 2005 in Paris angenommene «Übereinkommen über den Schutz und die Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen» schafft eine verbindliche Grundlage zur Stärkung der kulturellen Vielfalt weltweit. Kernstück des Übereinkommens ist das Recht eines jeden Staates, regulatorische und finanzielle Massnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, die Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen zu schützen und zu fördern.

In der Schweiz bestätigte der Ständerat im März 2008 die deutliche Zustimmung des Nationalrats im Dezember 2007 zur Ratifikation der Konvention durch die Schweiz. Die Konvention ist am 16. Okt. 2008 für die Schweiz in Kraft getreten.

Allgemeine Erklärung zur kulturellen Vielfalt

(Universal Declaration on Cultural Diversity)

Die Allgemeine Erklärung für Kulturelle Vielfalt hat im Jahre 2001 als erstes Rechtsinstrument die kulturelle Diversität als gemeinsames Erbe der Menschheit anerkannt.

Zwei Ziele standen im Vordergrund: einerseits die Respektierung kultureller Vielfalt im demokratischen Prozess, andererseits die Förderung eines geeigneten gesellschaftlichen Umfelds für Entwicklung und Kreativität. Grundlagen dafür sind die Menschenrechte und Demokratie, der freie Fluss von Ideen, der Medienpluralismus und das Zusammenspiel zwischen Kultur und Entwicklung.


Europarats-Dokumente zu Minderheitenrechten

Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten

(Framework Convention for the Protection of National Minorities, 1995)

Bei diesem Rahmenübereinkommen handelt es sich um das erste rechtlich verbindliche multilaterale Abkommen zum Schutz nationaler Minderheiten in Europa. Es zielt auf den Schutz der nationalen Minderheiten in den Vertragsstaaten vor Assimilation ab, indem es Kultur und Identität der nationalen Minderheiten fördert.

Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen

(European Charter for Regional or Minority Languages, European Council, 1992)

Die Charta verpflichtet die unterzeichnenden Vertragsstaaten dazu, den Gebrauch von Minderheitssprachen im öffentlichen und privaten Leben zu respektieren und aktiv durch Programme im Bereich der Erziehung, des Gerichts- und Verwaltungswesens sowie der Presseförderung zu unterstützen.

Europäische Charta der Regional- und Minderheitensprachen
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