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Wilson A. – eine langjährige Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus

29.01.2024

Wilson A. wurde vor bald 15 Jahren zum Opfer rassistischer Polizeigewalt. Am 18. April 2018 fällte das Bezirksgericht Zürich endlich ein Urteil: Freispruch für die drei Polizeibeamt*innen. Ein enttäuschendes Urteil, das zudem erst nach langwierigen juristischen Auseinandersetzungen zustande kam, wollte doch die Staatsanwaltschaft das Verfahren trotz klarer Beweislage zuvor zwei Mal einstellen. Der Rechtsanwalt von Wilson A. hat Berufung gegen das Urteil einlegt. Im Februar 2024 findet das Berufungsverfahren vor dem Obergericht des Kantons Zürich statt.

Wilson A. ist am 19. Oktober 2009 an einem Sonntag kurz nach Mitternacht mit einem Freund in einem Zürcher Tram unterwegs. Die beiden waren im Kaufleuten an einer Party und wollten nach Hause. Zwei Polizisten steigen dazu, stellen die beiden Männer, verlangen nach einem Ausweis. Wilson A. seufzt, immer dasselbe, warum denn die Polizei nur sie kontrolliere, etwa weil sie schwarz seien? Die Beamten fackeln nicht lange, sondern fordern die beiden Männer auf, aus dem Tram zu steigen. Sie sollen ihn nicht anfassen, sagt Wilson A., er habe eine Herzoperation hinter sich. Als zwei Polizisten es trotzdem tun, kommt es zum Gerangel, sie schlagen auf Wilson A. ein, der einen Defibrillator trägt, sprühen ihm Pfefferspray in die Augen und ringen ihn zu Boden. «Scheiss Afrikaner, geh zurück nach Afrika», solle einer der Polizisten gemäss Anklageschrift gesagt haben. Die Ärzte hielten später fest, dass jede physische Gewalt bei einem herzkranken Patienten wie Wilson A. lebensgefährlich sein könne.

Bruno Steiner, der Anwalt von Wilson A., sagt, es bestehe dringender Verdacht, dass es sich beim Würgegriff sowie den präzise applizierten Stockschlägen und Kniestössen auf die Brust und in den ungeschützten Unterleib um eine eventualvorsätzliche versuchte Tötung gehandelt habe. Der implantierte Defibrillator war - gemäss Steiner - infolge der erlittenen Schläge ein einziges blaues Hämatom. Es sehe auf den Bildern aus, wie eine aufgenähte Tasche. «Unvorstellbar, was ein Defekt hätte bewirken können. Abriss oder falsche Impulse an das rasende Herz», so Steiner. Trotz der medizinischen Verletzungsbilder sei die Staatsanwaltschaft im Untersuchungsverfahren nur von einer einfachen Körperverletzung ausgegangen.

Entscheidet sich eine Person, sich wegen erlittener Polizeigewalt rechtlich zur Wehr zu setzen, untersuchen im Vorverfahren die Staatsanwaltschaft und die Polizei die Vorwürfe. Das heisst, im Normalfall wird eine Strafanzeige gegen Angehörige der Polizei von Personen und Stellen behandelt, die in ihrem Alltag auf eine gute Zusammenarbeit mit dem Beschuldigten oder dessen Vorgesetzten angewiesen sind. Häufig sind die Ermittlungen während der Voruntersuchung nicht zielführend, weil sich Kollegen gegenseitig schützen und absprechen oder weil die Staatsanwaltschaft nicht konsequent genug ermittelt. Kaum je wird nach dem Vorverfahren überhaupt ein Strafverfahren eingeleitet.

Der Rechtsanwalt Dr. Bruno Steiner erhebt im Namen von Wilson A. Anklage wegen Amtsmissbrauch, Körperverletzung, Gefährdung des Lebens und unterlassener Hilfeleistung. Dies ist der Startpunkt für eine jahrelange Odyssee, die nun am 15. Februar 2024 mit der Eröffnung des Revisionsverfahrens nach beinahe 15 Jahren in eine neue Runde geht. Der gesamte Weg von der Vorfallsnacht im Jahr 2009 bis zur Eröffnung des Revisionsverfahrens wird in der Chronologie zum Fall dargestellt.

Dokumentation

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Gina Vega
Leiterin Fachstelle Diskriminierung & Rassismus

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