humanrights.ch Logo Icon

Menschenrechte im Tourismus: Selbstregulierung der Branche erfolgreich lanciert

08.07.2014

Unternehmen in der Reisebranche haben eine spezielle Verantwortung im Bereich Menschenrechte, denn der Tourismus gilt als eine der weltweit grössten Branchen. Zudem ist dieser Wirtschaftszweig wenig reguliert. Der Schweizer Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung und Tourism Watch aus Deutschland haben deshalb den Kontakt zu Branchenvertretern gesucht. Der Schweizer Konzern Kuoni und sechs Unternehmen aus Deutschland konnten innerhalb eines Jahres für einen runden Tisch gewonnen werden. Gemeinsam haben sie ein Commitment entwickelt und dieses im Herbst 2013 unterzeichnet. Es schreibt die Verantwortlichkeiten von transnationalen Unternehmen in der Reisebranche fest.

Die Problematik

Ein besonderes Augenmerk liegt auf den Arbeits- und Lebensbedingungen in den Reisedestinationen: Die Hausangestellte im Hotel, der touristische Guide oder der Taxifahrer - sie leben vom Tourismus, haben aber oft kein gesichertes Einkommen, sind schlecht bezahlt oder für den Notfall nicht abgesichert. Alarmierend hoch ist gemäss Angaben der ILO auch die Zahl der beschäftigten Kinder auf dem touristischen Arbeitsmarkt.

Die eigenen Mitarbeiter/innen, die Arbeitenden in Zulieferbetrieben und die Menschen, die in den touristischen Zielgebieten leben, haben Rechte, die von Reiseunternehmen geachtet werden müssen. Im Zentrum stehen die Rechte auf einen angemessenen Lebensunterhalt, auf eine menschenwürdige Arbeit, auf Gesundheit und Nahrung sowie der Schutz vor Diskriminierung.

Runder Tisch «Menschenrechte im Tourismus» 

2012 haben die zwei Reiseveranstalter Kuoni und Studiosus mit Vertreter/innen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) den runden Tisch «Menschenrechte im Tourismus» gegründet. Dessen Ziel ist es, die vom UNO-Sonderbeauftragten John Ruggie erarbeiteten und von den Vereinten Nationen verabschiedeten Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte in Tourismuskreisen bekannt zu machen und zur Umsetzung zu bringen.

Laut dem Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung war das Interesse der Branche am runden Tisch gross. Im Laufe des Jahres stiessen fünf weitere Reiseveranstalter und ein Dachverband dazu. Auch die grossen Reisebüro-Verbände aus der Schweiz, Deutschland und Österreich hätten positiv reagiert und an Sitzungen des runden Tisches teilgenommen. Im Juni 2014 trat auch der Schweizer Reise-Verband dem Roundtable bei, das heisst auch er bekennt sich fortan zu seiner Verantwortung für die menschenrechtliche Sorgfalt.

Kuoni und Studiosus unternahmen 2013 die ersten Schritte zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien. Ihre Erfahrungen bildeten die Grundlage für die Entwicklung von drei branchenspezifischen Tools. Dazu gehört zum einen ein «vorformuliertes Commitment, welches das Engagement und die damit verbundenen Handlungsfelder der Reiseveranstalter abgesteckt» hat. Ausserdem entstand unter Mitwirkung der Unternehmen ein griffiger Management-Leitfaden, «der mit anschaulichen Beispielen und einfachen Checklisten die Einführung der Unternehmensverantwortung auf Betriebsebene praktikabel macht». Der Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung erarbeitete schliesslich die Inhalte eines Online-Bildungstools zur Umsetzung der UNO-Leitprinzipien, das fürs Web aufbereitet wurde.

Ein erster Zwischenerfolg

Nun konnten die für den runden Tisch Verantwortlichen im Oktober 2013 einen ersten grösseren Erfolg vermelden: Anlässlich der Fachtagung des runden Tischs vom 7. Oktober 2013 in München haben acht Unternehmen aus der deutschen und schweizerischen Reisebranche das «Commitment zu Menschenrechte im Tourismus» unterzeichnet. Die Unterzeichner sind: Kuoni, Studiosus, a&e erlebnis:reisen, Gebeco, Hauser Exkursionen, ONE WORLD, viventura sowie der Verband für nachhaltigen Tourismus forum anders reisen.

Im Commitment erklären sich die Unternehmen unter anderem bereit, eine Menschenrechtsstrategie zu entwickeln und diese konsequent in ihre Unternehmensabläufe und in die Zusammenarbeit mit Geschäftspartnern und Lieferanten einzubinden. Namentlich anerkennen die unterzeichnenden Unternehmen die UNO-Menschenrechtsabkommen sowie die Kernarbeitsnormen der ILO als rechtsverbindlich. Das Commitment hält zudem fest, dass die Unternehmen die Auswirkungen ihres Handelns auf die Menschenrechte systematisch erfassen wollen. Ein Beschwerdemechanismus soll entwickelt werden, damit Verstösse angemessen und zeitnah behoben werden können.

Dies sei ein «wegweisendes Signal der Branche, ein erster Schritt, die Unternehmensverantwortung in den international verbindlichen Rahmen der Menschenrechte zu stellen und menschenrechtliche Sorgfaltspflicht wahrzunehmen», schreibt der Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung auf seiner Website. Er hofft, dass weitere relevante Akteure die Initiative nutzen, um am gemeinsamen Branchenstandard weiterzuarbeiten und sich vom Austausch für das eigene Unternehmen inspirieren zu lassen.

Kurzkommentar

Die Bereitschaft zur Selbstregulierung der Reisebranche ist erfreulich und aussergewöhnlich - insbesondere da sich mit Kuoni ein grosser Reisekonzern aus der Schweiz als Pionier stark engagierte. Im Moment besteht die Selbstregulierung allerdings nur im deutschen Sprachraum. Eine Internationalisierung steht nach Angaben des Arbeitskreises Tourismus & Entwicklung in Aussicht.

Die beteiligten NGO sind überzeugt, dass die Selbstregulierung ihre Grenzen hat, unter anderem weil die Teilnahme freiwillig bleibt. Rechtliche Vorgaben seien deshalb sehr wichtig, meint Christine Plüss vom Arbeitskreis Tourismus & Entwicklung. Die Selbstregulierung der Branche ist nur sinnvoll, wenn zusätzlich verbindliche Regulierungen bestehen. Nur solche können die Unternehmen zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards verpflichten und bei Widerhandlung Sanktionen vorsehen. Auch würden solche Vorgaben dafür sorgen, dass für alle Unternehmen der Branche dieselben Regeln gelten. Leider sind bis heute rechtliche Regulierungen noch kein Zielhorizont der Schweizer Politik.

Dokumentation

Weiterführende Informationen