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Novartis vor höchstem indischem Gericht abgeblitzt

04.04.2013

Das höchste indische Gericht hat Anfang April 2013 einen 7-jährigen Rechtsstreit zwischen Novartis und dem indischen Staat vorerst beendet. Es entschied, dass das Schweizer Pharmaunternehmen für sein Krebsmittel Glivec auf dem indischen Markt kein Patent erhält.

Das Urteil kommt einem Grundsatzentscheid gleich und ist insbesondere bedeutend mit Blick auf das Recht auf Gesundheit. Indien darf nun weiterhin günstigere Nachahmer-Medikamente produzieren.

Einmalig strenges Gesetz zum Schutz vor Patent-Erschleichung

Indien gilt seit Jahren als Apotheke der Armen: Indische Pharmaunternehmen bringen Kopien von teuren Medikamenten auf den Markt, wodurch diese für arme Menschen auch in andern Regionen erst erschwinglich werden. Das Urteil ist deshalb bedeutend für das Recht auf Gesundheit, bzw. für den Zugang zu Medikamenten für Patienten/-innen  in Entwicklungs- und Schwellenländern.

Das Urteil ist vor dem Hintergrund eines Streits über Scheininnovation und Schutz geistigen Eigentums in der Pharmabranche zu sehen. Kritiker werfen der Pharmaindustrie vor, dass sie über Jahre zahlreiche kreative Methoden entwickelt habe, um den Patentschutz für ihre Medikamente möglichst lange zu erhalten und so Generika-Hersteller zurückzubinden. 

2005 war Indien aufgrund der TRIPS-Abkommen zum Schutz geistigen Eigentums von der WTO gezwungen, ein Patentgesetz zu erlassen. Davor hatte Indien keinen Patentschutz für geistiges Eigentum gekannt.

Gemäss einem Passus in Artikel 3d des indischen Patentgesetzes kann ein Arzneimittel in Indien nur dann registriert werden, wenn dieses «mehr als eine neue Form einer bekannten Substanz» beinhält und «eine erhöhte therapeutische Wirksamkeit» aufweist. Diese Bestimmung ist weltweit einzigartig.

Glivec kostet 2500 monatlich, Generikum 200 Franken

Novartis hatte Glivec, das die Lebensdauer von Krebspatienten verlängert, 1998 auf den Markt gebracht. 2006 hatte Novartis eine Substanz des Medikaments verändert, was eine Anmeldung beim indischen Patentamt überhaupt erst möglich machte. In anderen Staaten, wo für Glivec bereits Patentschutz bestand, meldete Novartis das Produkt aufgrund der Substanzänderung neu an und erhielt überall problemlos eine neue Patentregistrierung.

Indien hingegen wies das Patentgesuch ab, worauf Novartis noch im selben Jahr eine Klage einreichte. Der Fall kam vor verschiedene regionale Gerichte, Novartis bekam nie Recht. Nun verneint auch das höchste indische Gericht, dass Glivec nach dem indischen Patentrecht registriert werden kann, weil die Veränderung des Mittels nur ungenügend neuartig ist und zu wenig therapeutischen Mehrwert erbringt.

Auf dem indischen Markt ist seit Jahren ein Generikum für das Novartis-Medikament Glivec zugelassen, welches massiv weniger kostet als das Original.

Reaktionen

Nichtregierungsorganisationen wie die Erklärung von Bern (EvB) und Médecin sans frontières (MSF) begrüssen das nun erfolgte Gerichtsurteil. Es sei ein bedeutender Sieg für den besseren Zugang von Patienten in Entwicklungsländern zu erschwinglichen Medikamenten, teilt die Organisation Médecins Sans Frontières / Ärzte ohne Grenzen (MSF) mit.

Die Pharmabranche ihrerseits bewertet die indische Patentgesetzgebung als zu lasch. Novartis hält in seiner Reaktion auf das Gerichtsurteil fest, dieser bestärke den limitierten Schutz von geistigen Eigentumsrechten und sei ein schlechtes Zeichen für zukünftige Innovationen in Indien.

Wie geht es weiter?

Derzeit ist unklar, ob Novartis auf anderem Weg gegen die Patentbestimmung Indiens vorzugehen gedenkt. Möglich wäre etwa eine Klage im Rahmen des TRIPS-Übereinkommens. Somit müsste die Welthandelsorganisation (WTO) die Gesetzgebung Indiens auf Vereinbarkeit mit den TRIPS-Übereinkommen überprüfen. Vor indischen Gerichten sind noch weitere Klagen von andern Pharmaunternehmen gegen Entscheide des indischen Patentamtes hängig.

Dokumentation

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