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Engagement der Schweiz für einen saudischen Menschenrechtsverteidiger

08.06.2015

Raif Badawi ist ein Blogger und Menschenrechtsverteidiger aus Saudi-Arabien. Er wurde im vergangenen Jahr zu 10 Jahren Gefängnis, 1000 Peitschenhieben und einer Busse von 1 Million Saudi-Riyal (mehr als 270'000 SFr.) verurteilt, weil er sich auf einem von ihm gegründeten Online-Portal religions- und regimekritisch geäussert hatte.

Die verhängte Körperstrafe soll in 20 wöchentlichen Raten à 50 Peitschenhieben vollzogen werden. Am 9. Januar 2015 ist Badawi in der saudischen Stadt Dschidda trotz internationaler Proteste öffentlich mit den ersten 50 Peitschenhieben ausgepeitscht worden. Amnesty International hatte zuvor eine Kampagne lanciert, um über die sozialen Medien Druck auf die saudischen Behörden zu machen. Auch die Schweiz hat sich in ungewöhnlicher Art für den Blogger eingesetzt. 

Die saudischen Behörden fordern mit ihrem Vorgehen den internationalen Menschenrechtsschutz auf verschiedenen Ebenen heraus: Es geht zum einen um die Achtung der Meinungsäusserungsfreiheit und zum andern um die Einhaltung der UNO-Konvention zum Schutz vor Folter sowie um den Schutz von Menschenrechtsverteidigern/-innen (MRV).

Internationale Proteste

Das Schicksal des saudischen Bloggers hat viel Entrüstung ausgelöst. Am 8. Januar 2015 hat der UNO-Hochkommissar für Menschenrechte Zeid Ra'ad Al Hussein den saudischen König aufgerufen, den Blogger zu begnadigen und gleichzeitig betont, dass das internationale Recht Auspeitschungen verbietet. Die Strafe ist zudem von der EU als «inakzeptabel» bezeichnet worden und die USA führten an, diese «unmenschliche Strafe» sei aufzuheben. Demgegenüber hat sich Frankreich, ein wichtiger wirtschaftlicher Partner von Saudi-Arabien, weit weniger direkt geäussert.

Reaktion der Schweiz ist wichtig

Im Vergleich mit andern Staaten hat die Schweiz also auf deutliche Weise reagiert, was zu begrüssen ist. In der Medienmitteilung des Eidg. Departements für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) vom 15. Januar 2015 verturteilt die Schweiz «die Anwendung einer Körperstrafe, die gegen die internationalen Verpflichtungen Saudi-Arabiens verstösst, in aller Schärfe.» Sie verlangt darüber hinaus explizit, dass die saudischen Behörden das Gerichtsurteil gegen Badawi aufheben, ihre internationalen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der UNO-Konvention zum Schutz gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung einhalten und den Fall Badawi neu prüfen.

Die entschiedene Wortwahl des EDA ist bedeutsam, auch weil viele andere Staaten bisher nicht wagen, Saudiarabien im Zusammenhang mit dem Folterverbot öffentlich zu kritisieren. Das Anti-Folterabkommen der UNO verbietet Körperstrafen. Dennoch sieht das saudische Gesetz die Durchführung von solchen Strafen vor. Öffentlich durchgeführte Körperstrafen sind in Saudi-Arabien eine gängige Praxis.

Kohärente Politik für den Schutz von MRV

Mit ihrer Reaktion setzt die Schweiz mitunter ein Zeichen für eine kohärentere Herangehensweise in der Frage der Menschenrechtsverteidiger/-innen (MRV). In diesem Bereich ist die Eidgenossenschaft auf der internationalen Ebene seit einigen Jahren besonders aktiv. Dies verstärkte sich noch während der Präsidentschaft der OSZE (Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa) im vergangenen Jahr. Allerdings musste sie sich mehrfach den Vorwurf gefallen lassen, dass die Schweiz in diesem Bereich insbesondere in Staaten, in welchen die Menschenrechtslage notorisch schwierig ist, völlig unsichtbar bleibe. Die Reaktion des EDA zeigt, dass die Eidgenossenschaft gewillt ist, auch auf dieser Ebene zu handeln.

Für den Moment ist die Strafe für den jungen Saudi aufgeschoben aber nicht aufgehoben. Die zweite Serie der Peitschenhiebe war für den 16. Januar 2015 vorgesehen. Sie wurde jedoch wegen dem schlechten Gesundheitszustand des Bloggers nicht durchgeführt. An den kommenden 18 Freitagen sollen sie jedoch wieder aufgenommen werden. Um dies zu verhindern, verlängert Amnesty International die Unterstützungskampagne.

Skandal-Urteil bestätigt

Das Oberste Gericht hat die gegen den Blogger Raif Badawi verhängte Strafe von 10 Jahren Haft und 1000 Stockhieben am 8. Juni 2015 bestätigt. Das Urteil ist damit endgültig. «Mit der Bestätigung der Strafe gegen Raif Badawi zeigen die saudischen Behörden einmal mehr ihre eklatante Missachtung des Rechts auf freie Meinungsäusserung. Das Urteil ist auch ein Schlag ins Gesicht der Zehntausenden von Menschen, die in den letzten sechs Monaten weltweit gegen die völlig unverhältnismässige und grausame Strafe protestiert und die bedingungslose Freilassung von Raif Badawi gefordert haben», schreibt Amnesty International in einer erste Reaktion.

Quellen

Weiterführende Informationen

  • Offener Brief an saudischen Kronprinzen
    Offener Brief vom Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, und dem österreichischen Bundeskanzler, Werner Faymann, zum Schutz von Badawi, abedruck in einer Artikel «Die Presse»