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Nothilfe für Asylsuchende: Menschenrechte verlangen mehr als das Minimum

06.09.2012

Mit Blick auf die menschenrechtlichen Vorgaben ist es äusserst bedenklich, wenn alle Asylsuchenden in Zukunft nur noch Nothilfe statt Sozialhilfe erhalten. Zu diesem Resultat kommt eine Studie, welche das Schweiz. Kompetenzzentrum für Menschenrechte (SKMR) im Auftrag der Eidg. Kommission für Migrationsfragen (EKM) verfasst hat. Sie widerspricht damit einer Analyse, welche das Bundesamt für Migration (BFM) im Sommer in aller Eile vorgenommen hatte.

Widerspruch zu den Vorgaben von UNO-Pakt I

Als «hochproblematisch» bezeichnen die Verfasser der Studie, die Professoren Walter Kälin, Alberto Achermann und Jörg Künzli, den vom Nationalrat während der Sommersession gefällten Entscheid, dass alle Asylsuchenden nur noch Nothilfe erhalten sollen und zwar sowohl während der Verfahrensdauer wie auch nach einem Wegweisungsentscheid.

Zwar halten die Autoren fest, aus der Analyse von Völkerrecht und Verfassungsrecht ergebe sich, dass eine Reduktion der Unterstützung von Asylsuchenden, die darauf angewiesen sind, während der Dauer des Asylverfahrens auf blosse Nothilfe nicht absolut verboten sei, sondern unter gewissen Voraussetzungen zulässig sein könne. Ein starkes Spannungsverhältnis bestehe allerdings zu den Vorgaben von UNO-Pakt I und seiner Auslegung durch den Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.

Verfeinerungen auf gesetzlicher Ebene sind zwingend

Wichtig ist es nach Ansicht der Autoren, dass in der Frage der Nothilfe für Asylsuchende Differenzierungen vorgenommen werden, damit Zumutbarkeit, sich ändernde Verhältnisse und der Zeitfaktor berücksichtigt werden können. So müsse primär zwischen Asyl- und Abschiebungsverfahren in Bezug auf Sozialleistungen ein Unterschied bestehen. Asylsuchende im Asylverfahren und Personen, welche die Schweiz zu verlassen haben, müssten differenziert behandelt werden. Die für die Schweiz verbindliche Rückführungsrichtlinie sieht für Personen mit Wegweisungsentscheid die Sicherung des Existenzminimums vor, damit müssten Asylsuchenden während des Verfahrens Leistungen über dem Existenzminimum garantiert werden. Blosse Nothilfe für alle Asylsuchenden würde europäische Mindeststandards unterschreiten.

Des Weiteren müssen nach Ansicht der Experten besondere Bedürfnisse und Verletzlichkeiten von einzelnen Asylsuchenden berücksichtigt werden, auch wenn diese nicht zu der Kategorie der besonders vulnerablen Personen gehören. Dabei muss auch der Zeitfaktor berücksichtigt werden: Was für kurze Zeit hingenommen werden kann, kann über Dauer zu Marginalisierung sowie gesundheitlichen Problemen führen. Daher sollten die Leistungen bei langer Verfahrensdauer schrittweise angehoben werden.

Ständerat kann korrigieren

Der Ständerat hat diesen Punkt unterdessen korrigiert und es abgelehnt, alle Asylsuchenden auf Nothilfe zu setzen. Das Nothilferegime will aber auch der Ständerat ausweiten und namentlich renitenten Asylsuchenden nur noch Nothilfe bezahlen. Ausserdem will er im Gesetz präzisieren, dass die Sozialhilfe für Asylsuchende tiefer angesetzt wird als jene der einheimischen Bevölkerung. Diese Präzisierung wird an der Praxis wenig ändern, weil in den Kantonen dies bereits heute so gehandabt wird.

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